Sportlerberichte / -schicksale verschiedener Sportarten
Harald ‚Toni‘ Schumacher packt aus
Der folgende Text ist auch Teil des Dossiers
>>> Doping im Fußball,
hier insbesondere >>> Fußball und Doping in der BRD
FAZ, 17.6.2007:
„Schumacher … nannte zwar keine Namen. Aber für den DFB wäre es nicht schwer gewesen, die „wandelnde Apotheke“ aus München, einen Nationalspieler mit medizinischen Kenntnissen und dem Hang zu Selbstversuchen, zu identifizieren. Und damit weitere Mechanismen des Dopings im Fußball zu erkennen und entsprechend zu handeln. Nach hartem Ringen gibt es inzwischen Wettkampf- und Trainingskontrollen in der Bundesliga.“
Paul Breitner, 1.6.2007:
„Der Fußballer, der glaubt, er könne mit Doping dafür sorgen, dass er seinen Stammplatz behält, dass er zu einem Sieg beiträgt oder mehr Kohle verdient – warum soll der nicht Doping nehmen? Die Motivation zu dopen ist beim Fußballer genauso groß wie beim Radfahrer.“ … „Ich habe genügend Spiele mitgemacht, in denen ich Spieler vor mir hatte, denen der Schaum aus dem Mund gelaufen ist. Die haben gar nicht geradeaus schauen können, die haben ums Eck geschaut.“
Toni Schumachers Torwart-Karriere begann 1973 mit 19 Jahren beim FC Köln, dem er bis 1987 treu blieb bzw. bis er 1987 gehen musste. Er hatte in diesem Jahr sein Buch Anpfiff veröffentlicht, in dem er detailliert über seine erlebte Fußballwelt berichtete. Thema war auch Medikamentenmissbrauch und Doping – ein absolutes Tabuthema im Fußball. Diese Veröffentlichungen kostete ihm, dem Fußballer des Jahres 1984 und 1986, auch seinen Job als Torhüter in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft.
Toni Schumacher schildert in seinem Buch ‚Anpfiff – Enthüllungen über den deutschen Fußball‘ die ärztliche Versorgung der Nationalmannschaft 1986 in Mexico. Er spricht von einer ärztlichen Überversorgung mit Nebenwirkungen wie Durchfall.
„Jeden Mittag schluckten wir zu unserem Elekrtrolytgesöff haufenweise Tabletten: Eisen, Magnesium, Vitamin B in Höchstdosis, Vitamin E, ein paar Hormönchen für die Höhenanpassung…“ … „Außer den Pillen hagelte es Spritzen. Professor Liesen (mehr Info) selbst hat davon 3 000 gespritzt. Da war alles mögliche drin: Pflanzenextrakte zur Stärkung des körpereigenen Abwehrsystems, die Vitamine C und B 12 in hohen Dosen, Bienenhonigextrakt, um Herz und Kreislauf zu stützen, Kälberblutextrakt gegen die Folgen der Höhenluft. Und dazu noch Vitamin-E-Tabletten. … Die vermaledeite Schlaftablettenschluckerei lehnte ich noch energischer ab.“
„Auch in der Fußballwelt gibt es Doping – natürlich totgeschwiegen, klammheimlich, ein Tabu.“ Beliebt seien Hustensäfte mit Ephedrin gewesen und Captagon. Schumacher gesteht 1984 nach der EM in Paris das Aufputschmittel während des Trainings ausprobiert zu haben. Die Wirkung sei ihm von Ärzten beschrieben worden, er wollte aber wissen, wieweit er seine Leistungsgrenze hinaus schieben, wie lange er sich überfordern könnte.
Er beschreibt sich nicht als Einzelfall.
„Der Vorstand sprach wieder mal von einem ‚Schicksalsspiel‘, wieder einmal ging es angeblich um das Überleben eines Vereins. Einige Kölner Mitspieler probierten das Zeug aus. Querbeet und wahllos schluckten wir Hustensäfte, die die höchsten Dosen an Ephedrin enthalten. Die saftgestärkten Kollegen flitzten wie Teufel über den Rasen. Wir haben gewonnen, aber in welchem Zustand. Nach tagelanger, qualvoller Erschöpfung beschlossen wir: nie wieder!
Meiner Kölner Freunde und ich sind aber absolut nicht die einzigen, die der Dopingversuchung nicht widerstehen konnten. In der Bundesliga hat Doping seit langem Tradition.
Als ganz junger Spieler war ich früher „Chauffeur“ vieler bewährter Fußballstars des 1. FC. Mit meinem kleinen R 5 habe ich oft ein halbes Dutzend unserer großen Spieler zu einem Kölner Arzt gebracht. Bei dem holten sie sich vor wichtigen Spielen ihre Pillen und Spritzen. … Einige von ihnen konnten sich ohne diese Spezial-Hochform-Pillen eine Fortsetzung ihrer Karriere gar nicht mehr vorstellen. Pillen und Leistung – das war für sie zu einer Gleichung geworden, die aus ihrem Leben nicht mehr wegzudenken war.
Ein wichtiges Detail: Dieser Arzt betreute berühmte Sportler zu einem Zeitpunkt, als Doping Schlagzeilen machte [1976/1977]. Ich nehme an, daß zu diesen Spezialmixturen Anabolika, Amphetamine und diverse andere Aufputschmittel gehörten. Damals wie heute.
Es gab Nationalspieler, die waren im Umgang mit der „Stärkungschemie“ regelrecht Weltmeister. Unter ihnen ein Münchener Spieler, den wir als „wandelnde Apotheke“ zu bezeichnen pflegten.“ (Schumacher, Anpfiff, S. 109ff)
Toni Schumacher wurde nach diesen Enthüllungen aus der Nationalmannschaft entlassen und der 1. FC Köln löste den Vertrag auf.
Der DFB führte danach Wettkampfkontrollen ein. Doch bereits 1972 soll Prof. Hans Schoberth, Mannschaftsarzt des DFB, für das Spieljahr 1973/74 die Einführung von Kontrollen in der Bundesliga gefordert haben.
Der Kicker führte nach Schuhmachers Enthüllungen im Februar 1987 bei allen Bundesligaprofis eine Befragung durch, er wollte wissen, was an den Dopingvorwürfen dran sei.
„216 antworteten, 31 sagten aus, dass in der Bundesliga gedopt werde. „Natürlich wird gedopt, Captagon genommen“, sagte Hans-Günter Neues, der frühere Kapitän des 1. FC Kaiserslautern. Sein Mannschaftskollege Erhard Hofeditz erklärte: „Ich habe mehrere Spieler erlebt, die sich ab und zu durch einen Schub geholfen haben.““ (Kicker, 18.6.2007)
Toni Schuhmacher spricht von bekannten Sportärzten, die Fußballer betreuten. Einige der berühmtesten und beliebtesten deutschen Sportärzte zählten zu ihren Klienten Sportler aus den verschiedensten Sparten, auch aus dem Fußball. Einige dieser Mediziner werden heute mit Doping in Verbindung gebracht ebenso wie ganze Sportarten und viele Sportler. Erstaunlicherweise sind darunter aber keine Fußballer zu finden. Ist das glaubhaft? Beispiele sind hier nachzulesen: Der Freitag, 9.6.2010: Bringt im Fußball nichts, Der Doc sagt du und hört zu
Sportarzt Dr. Klaus Steinbach bestätigte Spiegel vom 26.10.1987 den häufigen Griff nach Medikamenten:
„SPIEGEL: Toni Schumacher hat behauptet, daß in der Bundesliga etwa mit Captagon oder Ephedrin gedopt werde. Wie sind Ihre Erfahrungen?
STEINBACH: Zu mir sind Spieler gekommen, die sagten: „Hör mal Doc ich hab“ so “n Durchhänger, haste nicht was, was mich so richtig anmacht, wo ich so richtig die Sau rauslassen kann?“
SPIEGEL: Was haben Sie geantwortet?
STEINBACH: Ja, bist du denn wahnsinnig, du kannst dir doch nicht jeden Samstag die Dinger reinschmeißen, welche Vorstellung hast du denn von deinem Beruf?
SPIEGEL: Wie waren die Reaktionen?
STEINBACH: Ich bin mir nicht sicher, ob ich die Spieler überzeugt habe. Wenn der Deutsche Fußball-Bund einmal Kontrollen einführen sollte die ich übrigens für dringend notwendig halte, dann rauscht“s in der Bundesliga. Es gibt reichlich Spieler, die mit Aufputschmitteln ihre mangelhafte körperliche Verfassung kaschieren.“
Dr. Liesen nennt 2011 multiple Erfolgsgründe im Hintergund des WM-Erfolges 1990:
SPIEGEL: 1990 wurde die Nationalelf Weltmeister. Auch dank Ihrer ärztlichen Kunst und Trainingssteuerung?
Liesen: Da musste ich gar nicht mehr viel bewegen. Als wir vom Viertelfinalspiel ins Quartier zurückkamen, gab es eine Mannschaftsbesprechung. Franz sagte: „Jetzt wollen wir es packen und den Titel holen. Einer weiß ganz genau, wie wir das am besten hinkriegen. Und der sagt uns ab heute, wann und in welchem Umfang wir trainieren.“ Dann rief er mich und sagte: „Der macht das, und ihr habt alle zu gehorchen.“ So war Franz.
SPIEGEL: Wieso ließ Ihnen Beckenbauer so viel Freiheit?
Liesen: Er hielt mich für kompetent. Er holte mich oft auf dem Trainingsplatz zu sich und sagte: „Guck den mal genau an. Ich brauch den in zwei Tagen. Sieh zu, dass der wirklich fit ist.“ (der Spiegel, 31.10.2011)