China und Doping: Opfer und Täter

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chinesische Einzelschicksale

chinesische Einzelschicksale, Opfer:

Frau Chunlan Zou, ehemalige Gewichtheberin
Ai Dongmei, Sun Yingjie, Guo Ping, ehemalige Langstreckenläuferinnen

Täter:

Trainer Wang Dexian
Trainer Ma Junren

Opfer:
Einst erfolgreiche Sportlerinnen – heute krank und arm

Frau Chunlan Zou, ehemalige Gewichtheberin

Chunlan Zou, Gewichtheberin, 36 Jahre alt, begann ihre sportliche Laufbahn mit 14 Jahren in der Eliteschule des Sports in Changchun.

„Für Schule war da keine Zeit. Die Sportlerin wie auch ihre Eltern glaubten damals an ein besseres Leben. Sie hatte ein eigenes Bett, bekam gutes Essen, täglich Fleisch – dazu die Reisen zu Wettkämpfen. Und sie bekam Da Li Wan, ein männliches Hormon, was übersetzt „die Pille der Kraft“ heißt. In Wahrheit waren es männliche Hormone für ein junges Mädchen. Dazu Spritzen und andere Medikamente. Alles von ihrem Trainer. Chunlan Zou wusste nicht, was sie da über Jahre verabreicht bekam. Sie wurde noch nicht einmal misstrauisch, als ihre Stimme immer tiefer wurde und die Periode ausblieb.“

„Chunlan Zou gewann viele Medaillen, wurde mehrfach Landesmeisterin ihrer Gewichtsklasse, überbot sogar einmal den Weltrekord im Reißen. Dann aber begannen die Probleme. Wegen einer Verletzung musste sie ihren Sport aufgeben.“

Die Sportlerin verarmte. Eine Lokalzeitung griff ihren Fall auf und berichtete:

„Ich habe eine kaputte Wirbelsäule und ein schwaches Herz und schrubbe jeden Tag in der Badeanstalt Männern den Rücken, bis ich zusammenklappe. Für ein paar lächerliche Yuan. Nur um überleben zu können.“

Sie hatte Glück. Der zuständige chinesische Verband wurde aufmerksam und kaufte ihr nach dem Bericht die Ausrüstung für einen Waschsalon.

Mehrmals musste sie sich operieren lassen um wenigstens die sichtbarsten Folgen der Anabolika zu mindern – Aknenarben im Gesicht wurden geglättet, ein faustgroßer Adamsapfel wurden abgeschliffen. Chunlan Zou nach dieser 5stündigen Operation: „Jetzt bin ich wieder eine Frau.“ Sie musste allerdings einen Preis dafür bezahlen. Mit dem Gewichtheber-Verband wurde Schweigen zur Vergangenheit ausgehandelt, über Doping kann sie nicht mehr reden „nur noch über meine Erfolge und über die Zukunft“. Damit sei sie einverstanden, sagt sie. „Ich habe ja eine tolle Zukunft vor mir“.

Kinder kann sie keine bekommen, denn ihre Gebärmutter ist extrem unterentwickelt. Ihr Trainer allerdings arbeitet bis heute ganz offiziell weiter.

Quellen:
der Stern, 31/2008: China, Siegen um jeden Preis
ZDF: Starke Frau mit dunkler Vergangenheit
Video: ZDF: Mission Gold – China und Doping

Ai Dongmei, Sun Yingjie, Guo Ping u.a. – Langstreckenläuferinnen

Ai Dongmei war berühmt. Sie war Weltmeisterin und gewann 16 internationale Goldmedaillen im Marathon. Um die Jahrtausendwende lief sie unter ihrem Trainer Wang Dexian von Erfolg zu Erfolg. Ebenso wir ihre Kollegin Sun Yingjie, die 2005 für zwei Jahre wegen Anabolikadopings gesperrt wurde.

Die beiden Frauen und drei ihrer Kolleginnen bewiesen Mut und verklagten 2006 Trainer Wang Dexian. Sie beschuldigten ihn, ihnen zustehende Wettkampfprämien und Gehälter (201 000 Euro allein für Frau Ai) veruntreut zu haben. Der Prozess zog sich hin, die Klägerinnen standen vor dem finanziellen Ruin, da fasste sich Guo Ping ein Herz und berichtete öffentlich in Zeitungen über Wangs Methoden.

„Ich durfte nur einmal in fünf Jahren nach Hause zu meinen Eltern“, sagte sie chinesischen Reportern. „Wang verbot uns jeden Kontakt zur Außenwelt. Wir wurden mit Peitschen, Knüppeln oder einem Elektrostab geschlagen. Wenn der Strom aus war, bedeckten rote, taube Flecken den Körper. Und wenn wir zu langsam waren im Training, fuhr er uns mit der Stoßstange seines Autos von hinten in die Beine.“ (Stern, 31/2008)

Sun Yingjie beschrieb 2006 in einem chinesischen Fernsehsender die Methoden des Trainers:

„Er hat mich geschlagen. Mein Rücken war übersät mit Blutergüssen. Ich konnte manchmal meine Kleidung nicht mehr allein wechseln.“ Sie hatte den Mut sich von Wang Dexian zu trennen, nachdem er sie mit einer Gürtelschnalle blutig geschlagen hatte.“ (Ines Geipel, 2008)

„Wer Leistung bringt, bekommt gutes Essen, einen ordentlichen Lohn, wer gar olympisches Gold holt, angeblich 100.000 Euro und ein Auto. Wer schwächelt, krank oder alt ist, den spuckt das System aus. Meist sind es Kinder vom Land, aus mittellosen Familien und ohne Bildung, die für die Sportschulen rekrutiert werden. Die sind hungrig, die sind formbar und haben schon zu Hause gelernt, was im Internat verlangt wird: „chi ku“, Bitternis essen.
Rund achtzig Prozent der 300.000 früheren Spitzenathleten Chinas leben heute in Armut.“
(Stern 31/2008)

Es kam zu einem Vergeich. Frau Ai erhielt 2000 Euro. Ihre Begründung:

„Meine Freunde haben mich darauf hingewiesen, dass bald die Olympischen Spiele in China stattfinden. Je länger mein Fall offenbleibt, desto größer ist der Imageschaden für unser Land. Sie rieten mir, mich zufriedenzugeben und eine Entschädigung zu akzeptieren. Ich sehe das auch so. In letzter Zeit erhielt ich viele Interviewfragen von ausländischen Medien. Doch ich will nicht vor Ausländern über unsere dunklen Flecken reden.“ (Geipel, 2008)

Frau Ai ist gesundheitlich schwer angeschlagen. Ihre Füße sind stark verformt. Sie hat Schmerzen beim Gehen und Stehen. Sie hatte mit gebrochenen Knochen trainieren müssen; ihre Füße waren deformiert, nur noch Klumpen. Mehrere Fußoperationen, die sie kostenlos erhielt, halfen etwas. Ein Sportartikelstand, in einem Kaufhaus, dessen Miete sie erlassen bekommt, hilft ihr das gemeinsame Leben mit ihrer Tochter zu meistern.

Guo Ping wurden 5300 Euro ausgezahlt.

„Sie ist heute schwerbehindert, lebt in einer Lehmhütte, ihre Füße sind verkrüppelt vom jahrelangen Lauftraining, mit bis zu 60 Kilometern täglich. Sie kann nicht mehr länger als zehn Minuten gehen.“ (Stern, 31, 2008)

Trainer Wang Dexian allerdings war weiterhin mit Zustimmung höchster Stellen aktiv (s.u.).

Quellen:
der Stern, 32/2008 China: Siegen um jeden Preis
Ines Geipel, No Limit, 2008

Trainer: Brutale Täter aber immer noch angesehen

Ma Junren und Wang Dexian, Leichtathletik- bzw. Langstreckentrainer, sind die beiden im Ausland bekanntesten Trainer Chinas und die berüchtigsten, sie stehen für brutales Training und Doping. Beide fielen deswegen mehrmals auf und mussten von offizieller chinesischer Seite nach Skandalen aus dem Fokus der öffentlichen, vor allem ausländischen Wahrnehmung entfernt werden. Das gelang.

Den beiden gelang es aber mit Unterstützung von ganz oben im Pekinger Parteiapparat weiter aktiv zu bleiben und Ansehen und Wohlstand zu mehren.

Es dürften aber nicht die einzigen Erfolgstrainer sein, die mit fragwürdigen Methoden Sportler quälten, dem Schein nach gesperrt wurden aber im Hintergrund weiter arbeiten durften oder besser sollten.

Da wäre z.B. noch Schwimmtrainer Zhou Ming. Er führte in en 90er Jahren viele Sportlerinnen von Erfolg zu Erfolg aber auch zum Doping. Nicht wenige wurden gesperrt. Er selbst wurde 1998 offiziell für 8 Jahre suspendiert, trainierte aber 2002 in Tianjin an der Ostküste Chinas wieder Medaillenhoffnungen. Auch Trainerin Feng Zhen ist 2008 auf Medaillen programmiert.

„Feng mutet ihren Schützlingen ein enormes Pensum zu. Unlängst fragte ein Blatt, ob sie die Ma-Armee des Schwimmens befehlige. (…)Ma Junren war der Vorgänger von Wang Dexian, auch er schlug und dopte seine Läuferinnen. „Wir sind am Anfang, aber wir bewegen uns auf Mas Level zu“, sagte Feng. „Egal, wie hart das wird.“ (Hartmann/Kistner, 6.8.2008)

Trainer: Wang Dexian

2006 verklagten Sun Yingjie, Ai Dongmei und 3 weitere Läuferinnen Trainer Wang Dexian wegen Veruntreuung ihrer Prämien und Gehälter. (s. o.) Den Athletinnen fällt es heute schwer mit ihrem Leben klarzukommen.

Sun Yingjie, erfolgreiche Langstreckenläuferin, von Wang trainiert, wurde 2005 wegen Anabolika-Dopings für 2 Jahre gesperrt.

„Kurz darauf flog auf, wozu die Chemie diente: Es galt, ein Laufpensum von täglich 70 Kilometern durchzustehen, wobei der Trainer sein Mädchendutzend bequem vom Auto aus antrieb.“ Und er quälte, einige seiner Läuferinen sind heute schwer geschädigt. „Wang schlug seine Schützlinge mit Gürteln, Ästen oder Elektroschocker, bis zum Knochenbruch.“ (s. o.).

Für Wang Dexian war bereits die zweite Dopingaffaire, in die er verwickelt war. 1995 wurde er zu einer Geldstrafe verurteilt. Nun hätte er nach dem Chinesischen Anti-Dopinggesetz lebenslang gesperrt werden müssen.

Trainer Wang mischt aber immer noch mit.

„Beim Leichtathletik-Verband heißt es, Wang Dexian sei suspendiert. Sein Bruder Deming betreue nunmehr die Athletinnen, gemeinsam mit Dexians Ehefrau Zhu Fengling. Aber was bedeutet in diesem Land eine „Sperre“ für Trainer? Yu Weili, der Chef des „Aufsichtsrats des Zentrums für Leichtathletik in China“, äußert sich so: „Niemand kann sie daran hindern, wenn Sportler bei ihnen trainieren wollen“. Nur bei Wettkämpfen dürften sie nicht mehr auf den Listen erscheinen.“

Uns so betreut vor Olympia der Bruder Deming die Männer und Dexian die jungen Frauen. Gemeinsam arbeiten sie in Qinghai, im Nordosten Chinas. Hier liegt das nationale Höhrentrainingslager für Schwimmer und Leichtathleten unter Leitung des Sportministeriums.

„Seine Schützlinge sind jung, 17, 18 Jahre, sie laufen schnell, so schnell wie Frauen sonst in diesem Alter nicht laufen. Eine heißt Zhang Yingying, sie soll über 5000 und 10000 Meter starten, erst seit Kurzem steht sie auf den Listen der internationalen Doping-Fahnder. Wo ist das Mädchen gerade? Wo steckt Wang selbst? Er bleibt ein Phantom, auch in Duoba ist er nicht anzutreffen. Wen auch immer man fragt, jeder sagt, er wisse nichts. Es scheint auch niemanden zu interessieren.“

Auch die Ehefrau Wangs Zhu Fengling ist anwesend. Sie werde als Frau Doktor angesprochen. Ein Zimmermädchen berichtet, dass in deren Zimmer immer viele Medikamente herum lägen.

„Zhang Yingying ist vielleicht auf dem Weg zum Olympiastar. Sie holte sich im Januar einen Juniorenweltrekord. In 2:22:38 gewann Zhang den Xiamen-Marathon. Sie war fünf Minuten schneller als drei Monate zuvor beim Peking-Marathon und 15 Minuten schneller als ein Jahr zuvor, bei ihrem ersten Marathon. Zweite in Xiamen war Bai Xue.“

Das Höhentrainingslager steht unter Leitung von Cui Dalin, seit 2007 Vize-Sportminister, Vize-Chef und Generalsekretär des Nationalen Olympischen Komitees und stellvertretender Chef de Mission des China-Teams für Olympia. 1998, als er noch Leiter der Provinz-Sportverwaltung Liaoning war, machte er Trainer Ma Junren (s.u.) zu seinem Stellvertreter. Heute antwortet er auf die Frage „Ob gesperrte Trainer weiterarbeiten dürften? „Nein, niemals“.

Quellen:
SZ 6.8.2008: Grit Hartmann,Thomas Kistner: Die Wunderkinder
der Stern 31/2008: Siegen um jeden Preis

Trainer: Ma Junren

Ma Junren Anfang der 90er Jahre national und international für Aufsehen, als er junge unbekannte Läuferinnen zu außergewöhnlichen Leistungen anspornte – oder sollte man lieber sagen antrieb im wahrsten Sinne des Wortes, mit Schlägen auf dem Motorrad sitzend? „WangJunxia, Qu Junxia, Liu Dong, Jian Po – und einige mehr aus Mas Truppe – wurden von ihrem Trainer wie Sklavinennen gehalten, sie wurden von ihm geschlagen, durften sich nicht die Haare schneiden und auch keinen Freund haben – doch sie liefen.“(Ines Geipel, 2008, S. 136)

Ma Junrens Erfolgsrezept:
„Man nehme ausschließlich Mädchen aus der ländlichen Bevölkerung.
2. Man scheuche seine Schützlinge über aberwitzige Distanzen.
3. Man führe ein paternalistisches Regime aus hartem Drill, Angst und Gewalt.
4. Man erzähle in den Medien unentwegt von exotischen Raupenpilzen, Hunderagout und warmen Schildkrötenblut (…) dope sie derweil aber systematisch mit EPO.“
Ines Geipel, 2008

Mas Truppe, Mas Armee, wie sie genannt wurde, hatte 1993 ihr erfolgreichstes Jahr. Sie beherrschte weltweit die Langstrecken-Laufdisziplinen. Nachdem sie die 1500, 3000 und 10000 Meter bei den Weltmeisterschaften in Stuttgart überlegen gewonnen hatten, setzten sie zuhause in Peking wenige Tage später ihre Rekordjagd fort. Ermüdungserscheinungen gab es nicht.

Ma Junren war ganz oben angekommen, er war ein nationaler Held. In China erhielt er Auszeichnungen und wertvolle Preise. Im Ausland schüttelte man den Kopf und unterstellte Manipulationen im großen Stil. International begann eine breite Diskussion um die Hintergründe des Laufwunders. Beweise für Doping gab es keine, nur viele Indizien.

Die Infragestellung zeigte Wirkung. 1994 blieben die Läuferinnen weit hinter den alten Leistungen zurück. Waren Blinddarmoperationen, denen sich alle alle Läuferinnen gleichzeitig unterzogen haben sollen oder intensivere Dopingkontrollen die Ursache dafür? Es gab aber auch in China selbst Gegenwind. Der Schriftsteller Zhao Yu legte 1998 in einer Artikelserie „Inside Stories of Ma’s Army“ im Detail die fragwürdigen Trainingsmethoden, die auf keinerlei wissenschaftlichen Grundlagen beruhten, offen. Die Dopinghinweise in den Texten wurden zensiert und verschwanden aus der öffentlichen Wahrnehmung. Erst Anfang 2014 wurden die Artikel frei gegeben und sorgten 2016 sorgten für Aufsehen, als sie im Rahmen einer Neuausgabe seiner Werke publiziert wurden. (inside theames, 4.2.2016, abcnews.go.com, 5.2.2016)

Zhao Yu wurde 1995 von den Läuferinnen selbst durch ein Schreiben auf die unhaltbaren Zustände unter Ma Junrens Leitung aufmerksam gemacht. (cctvnewstumblr.com, 4.2.2016)

Alle 16 Läuferinnen verließen bis 1995 ihren Coach auch wegen dessen irregulären Umgangs mit ihren Preisgeldern.

Wang Junxia, 1993 18 Jahre alt, eine der jungen Frauen, die Rekord um Rekord liefen:
It’s more like luck, or destiny, whatever you name it. Ironically though, despite the glamorous achievements on the track, I didn’t feel happy at all in those days.
Wang’s wistful comments are directed toward former coach Ma.
Under the guidance of Mao Dezhen, her second and final athletic instructor, Wang kicked off her campaign to challenge for an Olympic title at the Atlantic Games only months after leaving Ma.
Her target was the 10,000-meter run, yet the triumph unexpectedly came in the 5,000-meter race.
No cheering compatriot, no new world record and no teammate were around. But Wang was deservedly exhilarated with the feat.
It was the best moment of my life.
eastday.com

Er fand zwar neue Sportlerinnen konnte aber keine weiteren großen Erfolge erzielen, auch nicht zu Olympia 1996. Angeblich wurde er entlassen, so lautete zumindest die offizielle Nachricht an die Welt, die sich dann auch hartnäckig bis in unsere Tage hielt.

Doch Ma Junren mischte weiter mit. 1998 ernannte ihn sein Gönner Cui Dalin, ab Ende der 80er Jahre Sportchef in Liaoning, der Wirkungsstätte Mas, zu seinem Stellvertreter. (Parallelen zu Wang Dexian sind nicht zu übersehen.)

Überragende Erfolge als Trainer konnte er aber nicht mehr vorweisen. Vor den Olympischen Spielen in Sydney 2000 stand er noch einmal kurz im internationalen Rampenlicht, als China sein Olympiaaufgebot kurzfristig um 27 Sportler (30?) und 13 Funktionäre reduzierte. Zum ersten Mal waren EPO-Tests angekündigt. Offiziell sprach man in China von irregulären Blutwerten, inoffiziell lagen positive Tests vor. Ma Junren und sechs seiner Läuferinnen mussten zuhause bleiben.

Im Jahr 2001 wurde bei Nationalen Spielen eine seiner Läuferinnen positiv auf EPO getestet.

2004 hat er seinen Rücktritt bekannt gegeben und übernahm den Vorsitz des China’s Tibetan Mastiff Clubs (Tibetanische Hunderasse).

Die vielen negativen Schlagzeilen um den Trainer und seine Methoden haben ihm selbst und seinem Ansehen in China nicht viel geschadet. Erst 2006 hörte er als Trainer auf. Anfang des Jahres 2008 ist er auf eigenen Wunsch als Abgeordneter des Volkskongresses zurückgetreten, er wollte das so. Er ist ein vermögender Mensch. In Dalian gehören ihm in einer Bucht am Meer 18 Häuser.

Quellen.:
der Stern 31/2008: Siegen um jeden Preis
SZ, 6.8.2008: China sitzt auf der Anklagebank
Ines Geipel, No Limit, 2008

Interview mit Trainer Ma Junren, 1994

Hier die Zusammenfassung eines Interviews mit dem umstrittenen Lauftrainer Ma Junren, der 1993 chinesische Läuferinnen überraschend an die Weltspitze brachte.
Das Gespräch „Europa vergißt über das Fingerzeigen das Trainieren“ erschien am 13.10.1994 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Asienspiele 1994, Die Siegerinnen im Mittel-und Langstreckenlauf holten ihr Gold trotzdem nach Plan. Über 800 Meter gewann in Hiroshima die Chinesin Qu Yunxia, über 3000 Meter ihre Mannschaftskollegin Zhang Linli. Soll erfüllt. Doch ihre Leistungen waren enttäuschend. 1:59,85 Minuten über 800 Meter und 8:52,97 Minuten über 3000 Meter sind deutlich von den erstaunlichen Zeiten der Chinesinnen aus dem vergangenen Jahr entfernt. Zhang Linli etwa blieb mehr als eine halbe Minute über ihrer Bestleistung. Beide Läuferinnen gehören zur Trainingsgruppe des berühmten Trainers Ma Junren.“

50 Jahre ist der Trainer alt. Nach den erstaunlichen Leistungen seiner jungen Anvertrauten musste er sich weltweit massiven Dopingvorwürfen erwehren. Doch er wiegelt ab:

„Wenn jeder Läufer so oft kontrolliert worden wäre wie meine Mädchen“, behauptet er, „dann wäre unser Sport sauber. Im vergangenen Jahr unterzogen sich meine Schülerinnen elfmal der Prozedur (Kontrollen). Im Training. Ohne jede Voranmeldung. Durch nationale und internationale Kontrolleure. In diesem Jahr kam die IAAF (Internationaler Leichtathletik-Verband) dreimal, und unser Kontrollbüro in Peking kommt jede Woche mindestens einmal.“ Auch überraschende Tests bei den Asienspielen hatten nur negative Ergebnisse.“

Im vergangenen Jahr konnten westliche Journalisten die Trainingsgruppe während eines Höhentrainingslagers in Südchina besuchen. Sie erlebten außergewöhnlich harte Trainingsmethoden und hatten erfahren, dass Schildkrötenblut, Kräutermedizin und ein spezieller Maisbrei Grundlage der Erfolge sein sollten. Für 1994 erwarteten nun viele, dass die Erfolgsgeschichte sich fortsetzte. Doch es kam anders. Warum?

„Wir hatten viele Probleme zu Hause in Liaoning“, fährt der kettenrauchende Trainer fort. „Zuerst haben wir unser neues 300-Personen-Trainingszentrum in Dalian für rund 1,2 Millionen Yuan (rund 400000 Mark) gebaut. Wir haben den Bau mit den WM-Preisgeldern finanziert, mit Spenden chinesischer Firmen und mit dem Geld, das ich aus dem Verkauf meiner Tinktur-Rezepte verdient habe.“

Später habe ihn sein eigener Provinz-Sportverband bestraft, weil er ihm öffentlich mangelnde Unterstützung vorgeworfen habe, erklärt Ma.

„Man hat mich gezwungen, als Fußball-Konditionstrainer zu arbeiten, und meine Mädchen sind deswegen in den Streik getreten. Deswegen waren sie bei meiner Rückkehr ein paar Wochen später auch völlig außer Form. Darum sind wir auch im Sommer nicht in Europa an den Start gegangen, wie wir eigentlich geplant hatten.“

Aber jetzt werde wieder alles gut, man habe erkannt, dass man die Erfolge brauche. Sein Hauptwidersacher Yan Fuyun, Präsident des Liaoning-Provinz-Sportverbandes, sei gefeuert worden.

Wir konnten unser Programm wiederaufnehmen. Wir waren vom 22. August bis zum 22. September auch wieder in unserem Höhentrainingslager in Kunming. Hier in Hiroshima tun wir nur unsere Pflicht und holen die erwarteten Goldmedaillen. Zum Weltniveau kehren wir nächstes Jahr zurück. Meine Mädchen werden bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Göteborg ihren Saisonhöhepunkt haben. Das Hauptziel aber sind die Olympischen Spiele in Atlanta 1996.“

Ma Junren wehrt sich gegen die Skeptiker und greift einen seiner ersten Kritiker, den Deutschen Dieter Baumann direkt an.

Er ist ein recht guter Läufer, aber was er von sich gibt, ist Blödsinn. Ich erinnere mich genau, daß er es war, der bei der WM in Stuttgart mit den Dopinganschuldigungen anfing und das Publikum aufhetzte. Das ist dumm. Das ist die Art der Leute, die von eigenen Problemen ablenken wollen. Vielleicht nimmt er selbst Dopingmittel. Wenn er die Dopingkontrollen bezweifelt, denen sich meine Mädchen unterzogen haben, dann muß ich doch auch Zweifel haben, ob alle seine Kontrollen korrekt sind, mit denen er sich brüstet.“

Für ihn kommen Leistungsverbesserungen nur durch wissenschaftlich abgesichertes, zielstrebiges Training und die richtige Ernährung zustande.

„Einige Europäerinnen scheinen meine Ansichten zu teilen. Oder glauben die Leute, daß sich die deutsche Marathonläuferin Uta Pippig gedopt hat, um runde fünf Minuten schneller zu laufen? Nein, sie trainiert einfach härter. Oder glaubt jemand, daß die Irin Sonia O’Sullivan deswegen über 3000 Meter in die Bereiche meiner Mädchen eingedrungen ist, weil sie verbotene Mittel einnimmt? Nein, ich glaube, daß sie einfach durch das Training meiner Läuferinnen ermutigt wurde.“

„“Die Menschen müssen lernen, daß China aufholt, daß Asien aufholt“, schließt der umstrittene Trainer das Gespräch. „Sie haben sich bereits an die Afrikaner gewöhnt, die ähnliche Karrieren wie meine Athletinnen durchlaufen haben. Und nicht nur in der Leichtathletik und im Schwimmen kommt Asien nach vorne. Das wird auch in anderen Sportarten passieren. Und es werden nicht nur die Chinesen sein, die in Zukunft die Medaillen gewinnen.“