Doping: Dopingkontrollpraxis, -vorfälle 1980er Jahre

Doping in der BRD – 1980er Jahre

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>>> Kontrollen deutscher Athletinnen und Athleten
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>>> Zitate deutscher Sportler
>>> Dopingfälle international – Beispiel Olympische Spiele

Dopingkontrollpraxis, -vorfälle – national und international 1980er Jahre

ZAHLEN / STATISTIKEN

Manfred Donike, Beauftragter für Dopinganalytik der Bundesregierung und Leiter des Kölner Doping-Analyse-Labors sowie Mitglied der Medizinischen Kommissionen des IOC und der lAAF, legte jährliche Statistiken über durchgeführte Kontrollen und Tests vor. Sie sind allerdings nur wenig aussagekräftig, da die durchgeführten Kontrollen kaum aufgeschlüsselt werden. Auch in den 1970er und 1980er Jahren galt, erfolgreich gedopt wurde überwiegend in der Zeit vor den Wettkämpfen um die volle Leistungsfähigkeit zu erreichen, insbesondere wenn anabole Steroide die Mittel der Wahl waren. Es kamen zudem neue Substanzen hinzu wie Wachstumshormone, für die kein Nachweisverfahren existierte oder das Blutdoping, Blutransfusionen, die seit vielen Jahren praktiziert, dann 1987 verboten wurden aber ebenfalls nicht nachweisbar waren. Ähnlich verhält es sich mit Cortison, von dem bekannt war, dass es häufig und gerne angewandt wurde, dass es schwere gesundheitliche Schäden verursachte, weshalb das IOC auch seit Jahren davor warnte, aber aufgrund fehlender Nachweisbarkeit einige Anwendungen erst 1987 explizit vom IOC verboten wurden. Ende dieses Jahrzehnts begann dann EPO seinen Siegeszug.

In den 1980er Jahren wurden, mit Ausnahme des Radsports, nur wenige deutsche Sportler olympischer Sportverbände bekanntermaßen positiv getestet. Dennoch wurde das Thema von der Politik behandelt. Nach dem Tod von Birgit Dressel 1987 sahen sich Politiker verschiedener Parteien in Zugzwang und reagierten mit Anfragen zum Thema an die Bundesregierung. Konkrete Aussagen zu der Situation in Westdeutschland fehlen in den vorliegenden Antworten jedoch oder sie sind sehr allgemein gehalten. Da wurde abgewiegelt, allgemein bis ausweichend formuliert oder man stellte sich als unwissend und nicht zuständig hin.

Im >>> 6. Sportbericht der Bundesregierung, Drucksache 10/6241 vom 22.10.1986 nennt Manfred Donike Zahlen zu Analysen von 1982 bis 1985, die im Kölner Dopinganalyselabor für deutsche und für ausländische Sportfachverbände durchgeführt wurden:

„… … Es ist festzustellen, daß die Zahl der Analysen – die für deutsche Sportfachverbände ebenso wie die für ausländische Organisationen und Sportverbände durchgeführten – angestiegen ist. Deutsche Sportler sind an den positiven Fällen der Jahre 1982 bis 1985 mit weniger als 0,5 v. H. beteiligt. Insgesamt ist jedoch bei den positiven Dopingfällen leider eine steigende Tendenz zu verzeichnen, wobei Untersuchungsergebnisse bei ausländischen Veranstaltungen im Jahre 1985 sogar Spitzenwerte von mehr als 4 v. H. positiver Proben ergeben haben.

Ausgedehnt hat sich auch die internationale Zusammenarbeit des Beauftragten für Doping-Analytik. … Die Schaffung von akkreditierten Laboratorien mit dem Ziel, eine Standardisierung der analytischen Verfahren zu erreichen, dient einerseits dem Schutz der Athleten vor unberechtigten Dopingvorwürfen – bedingt etwa durch eine mangelhafte Analysentechnik -, andererseits der möglichst umfassenden Aufklärung von Dopingvergehen. So ist auch die Tatsache, daß sich der Kreis der akkreditierten Laboratorien von fünf im Jahre 1980 auf 18 im Jahre 1985 erweitert hat, wesentlich der Initiative und dem Einsatz des Beauftragten für Doping- Analytik zu verdanken.

Auftraggeber des Kölner Labors waren neben nationalen vor allem internationale Sportverbände. Es handelte sich dabei um Proben, die bei internationalen Wettkämpfen genommen wurden. Trainingskontrollen wurden zwar seit den 1970er Jahren gefordert, fanden jedoch auch in den 1980er Jahren nur vereinzelt statt. 1990 wurden am Kölner Labor 10% der weltweit anfallenden Dopinganalysen durchgeführt (Antidoping-Bericht 1994).

Manfred Donike erwähnt über die Kontrollpraxis deutscher Verbände 1987:

„Um die Situation in Deutschland darzustellen: Es gibt nach meinen Unterlagen nur zwei Verbände, bei denen von einer Dopingkontrolle im Wettkampf die Rede ist: Der Deutsche Schwimmverband führt offiziell Dopingkontrollen im Rahmen des Wettkampfes durch, und der Bund Deutscher Radfahrer hat über das Jahr verteilt so viele Dopingkontrollen angesetzt, daß die Kaderathleten während dieser Zeit immer mit einer Dopingkontrolle rechnen müssen. Das sind Dopingkontrollen im Wettkampf, aber durch die Vielzahl der Kontrollen wird die Trainingsphase mit abgedeckt.“ (Sportausschuss, 1987, 6/121)

Eine Tabelle über die in Köln analysierten Proben von 1980 bis 1989 hält der >>> 7. Sportbericht der Bundesregierung, Drucksache 850/90 vom 19.11.1990 bereit.

Für das Jahr 1981 unterscheiden sich diese Zahlen von den Angaben, die auf eine Kleine Anfrage von CDU/CSU-Abgeordneten ‚Ergebnisse des XI. Olympischen Kongresses in Baden-Baden und Auswirkungen auf die Sportförderung des Bundes‘ in der >>> Antwort der Bundesregierung, Drucksache 9/1050 vom 16.11.1981 gemacht wurden.


KONTROLLEN DEUTSCHER ATHLETINNEN UND ATHLETEN

Zahlen zu deutschen Sportlern und Sportlerinnen werden in der Antwort der Bundesregierung auf die >>> Große Anfrage der SPD ‚Situation der Mädchen und Frauen im organisierten Sport, Drucksache 11/6822 vom 28.3.1990 gegeben.

Die Zahlen bzw. die jährlichen Statistiken beziehen sich auf A-Proben. Für die Jahre 1985 bis 1989 ergaben sich insgesamt 73 positive A-Proben von Sportlerinnen und Sportlern, die Bundessportfachverbänden angehörten:

985 18 pos. A-Proben
1986 19 pos. A-Proben
1987 13 pos. A-Proben
1988 14 pos. A-Proben
1989 9 pos. A-Proben

Laut Donike sollen sich darunter bis 1989 insgesamt 3 Frauen befunden haben. Das sind 4,1 Prozent aller positiven Proben. Doch

„da die Proben einerseits nur unter Code-Nummern ins Labor gelangen, andererseits die Formulare vieler Verbände keinen Eintrag über das Geschlecht enthalten, sind die Aussagen über geschlechtsspezifische Befunde mit einem relativen Unsicherheitsfaktor verbunden.“

das Jahr 1989

1989 lagen 1365 Proben vor, davon waren 662 keinem Geschlecht zuzuordnen, die restlichen 703 teilten sich wie folgt auf:
573 Männern = 81,5 %,
130 Frauen = 18,5 %

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Antidoping-Bericht 1994

Der >>> Antidoping-Bericht der Bundesregierung 1994 beginnt mit einer Aufschlüsselung der Dopinganalytik im Jahr 1989. Er nennt für das 1989 (S. 5ff) insgesamt 7 positive Fälle bei Wettkampfkontrollen innerhalb der deutschen Olympischen Verbände und 2 bei den nichtolympischen Verbänden. Im deutschen Sport insgesamt, DSB und dem DSB nicht angeschlossene Verbände, gab es 1989 36 positive Proben.

43 Mal wurden anabole Steroide und 5 Mal Stimulanzien nachgewiesen. Bei den deutschen Fällen der olympischen Verbände handelte es sich 4 Mal um anabole Steroide und 4 Mal um Stimulanzien, wobei einem Sportler beide Mittel nachgewiesen wurden. Die vier international gesehen dopinggefährdetsten Sportarten waren Radfahren, Gewichtheben, Schwimmen und Leichtathletik. Für Manfred Donike gab es eine erfreuliche Entwicklung bzw. hatte sich eine erfreuliche Entwicklung fortgesetzt:

Dies auch als Antwort auf die eine Frage, wozu die Analytik dient: Sie hat es verstanden, daß der Mißbrauch von Stimulantien der Amphetamin- und Ephedrin-Reihe und der Mißbrauch von Narkotika praktisch auf Null zurückgegangen ist.“

Diese Aussage muss jedoch hinterfragt werden. (Siehe z. B. unter le Pot belge und den einschlägigen Affairen.)

Details für den deutschen Sport finden sich hier: >>> 1989 Doping-Jahresstatistik

Danach gliedern sich die 9 positiven Fälle wie folgt:
je einer im Bund Deutscher Radfahrer, Deutscher Leichtathletikverband, Deutscher Schwimmverband, je zwei Fälle im Gewichtheben, im Kraftdreikampf (beides Bundesverband Dt. Gewichtheber) und beim Deutschen Fechterbund. 37 Fälle betrafen den Dt. Bodybuilderverband und 6 die reiterliche Vereinigung.

unklare Aussagen

Namen und Disziplinen werden in den Berichten, die von Manfred Donike kamen, kaum genannt. Dem Analyselaboratorium lagen und liegen nur codierte Urinproben vor. Die positiven Analysen wurden den entsprechenden Sportfachverbände zur weiteren Behandlung übergeben. Über die deutschen positiven Fälle fehlen weitere Angaben. Es ist damit unklar, wie viele davon von den Verbänden sanktioniert wurden.

Im 7. Sportbericht von 1990 erläutert Manfred Donike die Befunde:

„Der relativ hohe Anstieg im Jahr 1988 und der überproportional große Anstieg im Jahr 1989 ist im wesentlichen durch die in Anspruchnahme des Labors des Beauftragten für Dopinganalytik durch ausländische Sportverbände bedingt. …

Die auffällige Zunahme der positiven Ergebnisse im Jahre 1988 ist auf die hohe Anzahl der positiven Befunde im Bereich Bodybuilding zurückzuführen. Der Internationale Bodybuilding Verband hat in Zusammenarbeit mit dem Beauftragten für Dopinganalytik ein Dopingreglement erstellt, das Ende 1985 in Kraft gesetzt wurde. Der Internationale Bodybuilding Verband und damit auch der Deutsche Bodybuilding Verband führten danach in zunehmendem Maß Kontrollen durch, vor allem auch im Vorfeld von nationalen oder internationalen Meisterschaften. Auch der Trainingsbereich wurde erfaßt, was einem höheren Prozentsatz an positiven Ergebnissen erwarten ließ. Der Rückgang der absoluten Zahl der positiven Fälle im Jahre 1989 ist auf den abschreckenden Effekt zurückzuführen, der mit der Einführung von Dopingkontrollen in diesem Bereich verbunden war.

In den Olympischen Sportarten, in denen bis Mitte 1989 fast ausschließlich Wettkampfkontrollen durchgeführt wurden, sind pro Berichtsjahr nur wenige positive Fälle (etwa 1 %) zu verzeichnen, ein Prozentsatz, der etwa den Vorjahren entspricht.“

Klare bzw. genauere Aussagen wurden auch in der parlamentarischen Diskussion, die nach dem Tod von Birgit Dressel im Jahr 1986 aufgenommen wurde, vermieden. In der folgenden Antwort der Bundesregierung wird zudem die Verantwortung voll und ganz dem Sport zugeschanzt. Zudem fehle ein wissenschaftlicher Nachweis dafür, dass medikamentöse Leistungsbeeinflussung, z.B. mit anabolen Steroiden, möglich sei. Es war die Zeit, in der mit Mitteln des Bundes die umstrittenen Forschungsvorhaben zu Testosteron liefern, siehe >>> hier und die heute als Dopingforschung eingestuft werden.

„Der Bundesregierung liegen keine gesicherten Erkenntnisse darüber vor, ob und in welchem Umfang Leistungssteigerungen im internationalen Bereich auf medikamentöse Leistungsbeeinflussung zurückzuführen sind. Hinzu kommt, daß eine Leistungssteigerung aufgrund medikamentöser Leistungsbeeinflussung, z. B. durch anabole Steroide, im Spitzensport wissenschaftlich nicht gesichert ist. Indessen gibt es genügend Beispiele hervorragender Vertreter des internationalen Spitzensports, die durch freiwilligen und kontrollierten Verzicht auf unerlaubte medikamentöse Leistungsbeeinflussung das Gegenteil aufzeigen.“

Gelegentlich wird die Auffassung vertreten, Dopingkontrollen außerhalb des Wettkampfs seien ein geeignetes Mittel, medizinisch- pharmakologische Manipulationen und ihre u. U. in Betracht kommenden Risiken für die Gesundheit auszuschließen. Aufgrund der ihm zukommenden Autonomie muß der Sport zu diesen Kontrollen, die nach geltendem Recht nur auf freiwilliger Basis stattfinden können, Stellung beziehen. Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, in diesen Entscheidungsprozeß einzugreifen. … (Kleine Anfrage CDU/CSU und FDP ‚Humanität im Leistungssport, 23.6.1987)

Die  aus derselben Zeit wurde deutlicher formuliert. Es wird darin eine weit verbreitete Dopingkultur weltweit unterstellt bzw. als gesichert angesehen. Diskutiert wurde diese Anfrage im Bundestag am 3.3.1988 nach den Olympischen Winterspielen in Calgary. Diese Spiele waren vor allem durch eine bislang nicht dagewesene Kommerzialisierung in die Kritik geraten.

die Zeit, 1.5.1987:
Auch Joseph Assenmacher, jahrelang Leibarzt berühmter Radrennfahrer wie Eddy Merckx und anderer Spitzensportler, legte 1983 im deutschen Fernsehen fast Selbstverständlichkeit an den Tag: kein Weltrekord mehr ohne Anabolika. Die öffentliche Diskussion lief ab mit der Vorhersehbarkeit einer chemischen Reaktion unter gleichbleibenden Bedingungen: Dementi – Relativierung Schweigen. Unter dem Mantel dieses Schweigens änderte sich an der Praxis nichts.

In der Debatte gingen die Meinungen über den Stellenwert des Dopings weit auseinander.

Die Grünen benennen deutlich die bedenkliche Rolle einiger Sportmediziner. Während von Seiten der Bundesregierung die Notwendigkeit der Stärkung der Sportmedizin und der Intensivierung der sportmedizinischen Betreuung der Athletinnen und Athleten betont wird, widerspricht der Abgeordnete Brauer dieser Ansicht auch in Bezug auf die Idee eines Gesundheitspasses:

„Der vorgeschlagene Gesundheitspass ist ebenfalls ein untaugliches instrument, weil verbotene Stolle eh nicht eingetragen würden und weil der Sportler beim Besuch eines weiteren Wunderdoktors keine Eintragungen vornehmen ließe, um das besondere Vertrauensverhältnis zum persönlichen Leibarzt nicht zu erschüttern. Geradezu bedenklich ist der Ruf nach mehr und intensiverer Betreuung durch die Sportmediziner. Betrachtet man dazu die Stellungnahme der Sportmediziner, wird deutlich, daß unter dem Deckmantel der Prävention und der Substitution eine pharmakologische Dauerbehandlung durchgeführt werden soll. Weniger das harte Doping … als vielmehr diese permanente pharmakologische Behandlung der Spitzensportler ist das eigentliche Problem.“

Zudem wurde von Seiten der Grünen behauptet, noch nie sei so viel dedopt worden und international wäre niemand mehr ohne medikamentöse Unterstützung konkurrenzfähig. Als Kronzeuge hierfür wird Prof. Dr. Wildor Hollmann zitiert. Von Hollmann war in der Zeit vom 1.5.1988 zu lesen:

“ … Der Präsident des Weltsportärzteverbandes und Leiter des Instituts für Herz- und Kreislaufforschung an der Kölner Sporthochschule, Wildor Hollmann, zieht den Vorhang über dem stillschweigenden Unfair play noch weiter auf: In achtzehn Disziplinen, darunter neben den einschlägigen Dopingsportarten Radfahren, Boxen und Gewichtheben auch die zentralen olympischen Wettbewerbe Schwimmen und Leichtathletik, seien ohne den Segen der Chemie Weltklasseleistungen nur noch in Ausnahmefällen möglich. …

„Es gibt Fälle“, berichtet Wildor Hollmann, „wo Athleten zu uns kommen, die gleichzeitig drei verschiedene Präparate einnehmen. Von einem Spitzensportler ist mir bekannt, daß er eine Dosis eingenommen hat, die zwischen 700 und 800 Prozent über der höchstzulässigen überhaupt lag. Und das seit Jahren!“ …

Von Hollmann war aber in diesen Jahren durchaus Widersprüchliches zu lesen:

„In einer medizinischen Bilanz des Olympiajahres 1988 stufte Wildor Hollmann, Präsident des Weltverbandes für Sportmedizin (FIS), den Umfang des Dopingmißbrauchs als „geringbedeutend“ ein. Wesentlich schärfere Folgen werde die rasante Entwicklung der Gentechnologie auf den Leistungssport haben, meinte er. Hollmann bezeichnete den Fall Ben Johnson als klassischer Beweis für die Trendwende in der sportmedizinischen Betreuung von Hochleistungssportlern. Nach seiner Ansicht wurde der kanadische Sprinter Opfer einer „sportmedizinischen Tragödie“. Leibarzt Astaphan habe Johnson nicht als Sportler, sondern als Patienten behandelt. In diesem Zusammenhang sei die Verabreichung von Anabolika ein „kalkulierbares Risiko von 50:50“ gewesen. „Es war besser, daß Johnson in der Betreuung eines Sportmediziners geblieben ist, anstatt sich einem Engelmacher anzuvertrauen. In einem solchen Fall sind mögliche Fehlentwicklungen nicht mehr abzuschätzen“, kommentierte Hollmann.“ (SZ, 9.11.1988) (zu Johnson siehe auch unten)

Von Seiten der Bundesregierung, hier vertreten durch den Parlamentarischen Staatssekretär des Innern Spranger, wurde den Grünen widersprochen und dazu auch Donikes Statistiken bemüht. (Auszug Plenardebatte vom 3.3.1988). Ausführlicher werden die verschiedenen Standpunkte am 14.10.1987 im Sportausschuss auf der Sachverständigen-Anhörung zum Thema >>> Humanität im Spitzensport, Teil Nachmittag, behandelt. Beide Dokumente sind auch hinsichtlich der Diskussion um die Rolle von Sportärzten aussagekräftig.

Doping- oder Sicherheitskontrollen?

Aus der DDR ist bekannt, dass Sportler vor internationalen Wettkämpfen, Stichwort Ausreisekontrollen, auf Dopingmittelrückstände kontrolliert wurden. Diese Sicherheitsmaßnahmen wurden jedoch auch im Westen bzw. in anderen Ländern, weltweit, angewandt. Anabole Steroide kamen in ‚kontrollgefährdeten‘ Sportarten vor allem im Training zum Einsatz. Zudem wurden sie gerne zu Heilungszwecken nach Verletzungen eingesetzt und damit gerechtfertigt, Stichwort Therapiefenster. Dies war zwar auch verboten, doch innerhalb der Verbände und bei den Sportlerinnen und Sportlern waren diese Maßnahmen häufig akzeptiert. Das wurde auch durch eine großangelegte Studie unter bundesdeutschen Athletinnen- und Athleten bestätigt, deren >>> Ergebnisse in SPORTS 6/87 veröffentlicht wurden.

„Es ist gewiß nicht falsch, in dieser Position der Athleten die Bereitschaft zu erkennen, auf dem Weg zu ihrem Ziel beinahe alle Risiken einzugehen. Dazu gehörten das Risiko, verletzt in einen wichtigen Wettkampf zu gehen, und die Bereitschaft, zumindest in der Saisonvorbereitung sich einem medizinischen Aufbauprogramm zu unterziehen, das entweder hart an oder schon jenseits der Grenze der Doping-Legalität liegt.

Fitgespritzt würden starten: 78,9 Prozent aller Männer, 76,8 Prozent aller Frauen. Die Schwankungen in den einzelnen Sportarten sind sehr gering.“

Ein Beispiel der Anabolikaanwendung zu angeblichen Therapiezwecken, bei dem die Vorkontrolle versagt hatte, ist der Fall des deutschen Bahnradsportlers Gerhard Strittmacher, s.u. .

Der Spiegel schrieb über diese Praxis der Absicherung im Mai 1988:

„Tests in der entscheidenden Trainingsphase, in der vor allem gedopt wird, werden bisher außer in Skandinavien und in England sowie bei einigen Ruder-Organisationen von den Fachverbänden verhindert. …

Auch da leisten die Fachverbände ganz offensichtlich Hilfestellung. Jedenfalls forderte das Internationale Olympische Komitee (IOC) jetzt die 21 von ihm anerkannten Doping-Laboratorien in aller Welt auf, den Mißbrauch der Einrichtungen zu beenden. Den Olympia-Funktionären war aufgefallen, daß die Doping-Prüfer ihre Untersuchung in den meisten Fällen gewissermaßen als Vorwarnung verstanden hatten. Eine Umfrage bei den Laboratorien hatte ergeben, daß diese 9759 Dopingproben, die 1987 bei internationalen Wettkämpfen genommen worden waren, untersucht hatten. 229 der Proben waren positiv.

Tatsächlich aber, so fand das IOC heraus, waren – vor den Wettkämpfen – weit mehr Proben genommen worden. Insgesamt hatten die Laboratorien 37 882 Tests vorgenommen, von denen 854 positiv gewesen waren.

Die Umfrageergebnisse bestärkten den Verdacht, daß in einigen Ländern die Athleten ganz offensichtlich vorgetestet und nur dann zu internationalen Wettkämpfen geschickt werden, wenn sie sauber sind, das Doping nicht mehr nachgewiesen werden kann. Die Labors, von denen eine abschreckende Wirkung ausgehen soll, dienen also dazu, Doping im Hochleistungssport zu vertuschen.“ (der Spiegel, 20/1988)

Trainingskontrollen

Über die Diskussion um und Einführung von Trainingskontrollen finden sich
>>> hier mehr Informationen.


DEUTSCHE DOPINGFÄLLE

Viele deutsche Sportler wurden in den 1980er Jahren namentlich nicht mit Doping in Verbindung gebracht oder sanktioniert. Zumindest finden sich bei der Durchsicht der mir zugänglichen Presse nur wenige Hinweise. Die meisten aufgedeckten Fälle scheinen aus dem Radsport zu kommen. Schilderungen von Athleten und öffentlich gewordene Dopingverflechtungen sowie die Diskussion um die Rolle einiger prominenter Sportärzte legen jedoch nahe, dass Doping im deutschen Hochleistungssport allgegenwärtig war und dass es nicht nur vereinzelte Sportler waren, die davon profitierten. In den meisten betroffenen Verbänden kannte man wahrscheinlich die Situation, unterstützte das System oder schaute weg. Dabei kommt den Erwartungshaltungen der Politik und den damit einhergehenden Leistungs- und Qualifikationskriterien des Bundesausschusses zur Förderung des Leistungssports (BA-L) eine wichtige Unterstützerrolle zu. Ein Zusammenhang mit Doping, der bereits ab Ende der 1960er Jahre von einigen Kritikern des bestehenden Hochleistungssportsystems wie Hansjörg Kofink, Brigitte Berendonk und Gerhard Steines angeprangert wurde. Sporthistoriker Michael Krüger, Universität Münster, der einen Teil der Dopingstudie ‚Doping in Deutschland‘ mitverantwortet, schrieb:

„Sportverbände und Politiker haben zweifellos gewollt, dass die Sportler erfolgreich abschneiden. Das hat dazu geführt, dass Bedingungen geschaffen wurden, die tendenziell dopingbegünstigend wirkten, wohingegen die wirksamen Anti-Dopingmaßnahmen spärlich umgesetzt wurden. Das finden wir ganz ähnlich aber auch noch in anderen Ländern. …

Man kann nicht behaupten, dass Politik und Verbände gesagt haben, ihr könnt oder gar ihr sollt oder müsst dopen. Aber Sportfunktionäre und Politiker haben aktiv die Augen verschlossen, anstatt darauf zu achten, dass die Spielregeln eingehalten werden.“ (der Westen, 13.10.2011)

Damit bestätigt er einen anonymen Zeitzeugen, den Singler/Treutlein im Jahr 2000, S. 250 zitieren:

„Natürlich weiß ich, dass gedopt wurde, sogar massiv gedopt wurde, denn wir haben mit unseren wenigen Kontrollen eine ganze Reihe von Leuten herausgeholt…, also weiß ich doch, dass gedopt worden ist, ist doch klar. Nur, wenn ich sage, ich bin ziemlich sicher, der und der und der hat das auch genommen, bin ich ja arm dran. … Das ist ja die Crux, die wir jahrelang gehabt haben auch als Funktionäre, dass wir zwar sehr viel ahnten. … Ich habe wirklich nicht daneben gestanden, wenn ein Athlet gespritzt hat oder wenn er Tabletten geschluckt hat, und wenn, hätte ich nur sagen können, es waren weiße Tabletten. … Und eine ganz große Sache blieb immer im Hintergrund, auch noch in Seoul, wo wir dann ja schon leistungsmäßig zurückgegangen sind, standen wir unter dem Druck oder stand der Trainer unter dem Druck: Komme ich nicht nach Hause mit einer Medaille, verliere ich meinen Arbeitsplatz. Diese schizophrene Haltung zwischen Anforderung, auch jetzt vom BMI, die wir uns selbst auferlegt hatten … Diese Bezahlung hängt vom Erfolg ab, und Erfolg wird in Medaillen gemessen. Und das war schon eine schizophrene Haltung, eine schizophrene Situation.“

der Spiegel, 22.2.1982:
„Die frühere bundesdeutsche 800-Meter-Meisterin Ursula Hook gab 1981 auf. Die Arzttochter hatte erkannt, daß sie ohne Hormon-Manipulation und die Gefahr unumkehrbarer Langzeitwirkungen nur noch hinter der Ostblock-Konkurrenz herhecheln konnte.“

der Spiegel, 13.11.1989:
„Der derzeit mächtigste Mann des deutschen Sports geißelte die medizinische Manipulation mit beträchtlichem Pathos als „die schwerste aller Sünden im Hochleistungssport“. Doch nur wenige Tage nach dem feierlichen Festakt war von Tugendhaftigkeit keine Rede mehr: Am Dienstag vergangener Woche provozierte Daumes Deutsche Sporthilfe die Leichtathleten zum neuerlichen Sündenfall. In Frankfurt gliederte ein 13köpfiger Gutachterausschuß 191 Läufer, Werfer und Springer in sieben Qualitätsstufen ein – so, als würde die Tagesproduktion einer Eierfarm in unterschiedlich teure Handelsklassen aufgeteilt. … Grundlage dafür war eine Liste mit Leistungsnormen für alle Disziplinen, die Trainer und Funktionäre des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) erarbeitet hatten.“

NOK-Nominierungskriterien für die OS 1992:
– Voraussetzung für eine mannschafts- bzw. disziplinbezogene und für eine namentliche Benennung ist grundsätzlich der Leistungsnachweis einer begründeten Chance auf eine gemeinsch. mit dem DSB/BA-L und den Verbänden definierte Endkampfplazierung bei den Olympischen Spielen 1992.
– Es werden nur Sportlerinnen und Sportler nominiert, die sich freiwillig den geltenden Bestimmungen für Dopingkontrollen in und außerhalb von Wettkämpfen untwerworfen haben bzw. unterwerfen.

Im Folgenden werden einige bekannt gewordenen Dopingfälle dargestellt. Donike hatte 1994 als gefährdetste olympische Sportarten Radfahren, Gewichtheben, Schwimmen und Leichtathletik genannt. Aus dem Schwimmen sind mir für die 1980er Jahre keine Vorfälle bekannt. Radfahren und Leichtahletik hatten einige Dopingaffairen, das Gewichtheben, international in schweren Turbulenzen, hatte sich Verfahren zu stellen. Ebenfalls betroffen waren der deutsche Fußball und Biathlon.

Der STERN berichtete am 6.10.1988 über die Disqualifikation der Schützin Silvia Sperber, die wegen einer Erkältung Ephedrin genommen hätte.

„Prominentes Opfer dieser Regelung [Ephedrin]. die keine Rücksicht auf Krankheit und Dosierung nimmt. wurde voriges Jahr Silvia Sperber, die Gold- und Silbermedaillengewinnerin von Seoul. Bei den deutschen Meisterschaften hatte sich die Scharfschützin nach dem Titelgewinn mit dem Luftgewehr eine deftige Erkältung eingehandelt. Sie nahm ein handelsübliches Grippemittel, gewann zwei Tage später auch den Wettbewerb mit dem Standardgewehr und wurde prompt disqualifiziert: Doping mit Ephedrin. Titel futsch und drei Monate Sperre »wegen eines minderschweren Vergehens«. Beim normalen Strafmaß von zwei Jahren hätte sie nicht mal bei Olympia starten dürfen.“

Erwähnt sei noch, dass auch der Moderne Fünfkampf der Versuchung nach medikamentöser Unterstützung erlag. 1984 wurden während der Nationalen Meisterschaft in Ruhpolding sechs Sportler auf Beta-Blocker positiv getestet. Das IOC hatte das Medikament nur auf ärztlicher Anweisung hin freigegeben. Ob die deutschen Sportler eine entsprechende Ausnahmegenehmigung hatten, wird nicht erwähnt, auch nicht ob es Sanktionen gab. (de Mondenard, 2004, S. 165) Die Welt hatte jedoch laut eigenen Angaben bereits am 30. Juli von einer deutschen Initiative „Sauberer Fünfkampf“ berichtet, die sich, anonym zwar, gegen Dopingpraktiken stellte und Bundestrainer Rieden in Zwielicht brachte (die Welt, 18.8.1983).

Biathlon

1986 wurden bei den Weltmeistersschaften in Oslo die beiden Biathleten Peter Angerer, Silbermedaillengewinner über zehn Kilometer, und Franz Wudy, Bronzemedaillengewinner mit der Staffel, positiv auf Testosteron getestet. Beider Sperre betrug je 6 Monate. Das Urteil fiel milde aus, da der Verband keine Dopingabsicht festgestellt hatte. Seinen Erkenntnissen nach wurde beiden Sportlern das verbotene Medikament vom Mannschaftsarzt unwissentlich verabreicht. Auch Manfred Donike schloss sich dieser Ansicht an.

Mannschaftsarzt Erich Spannhauer gab laut Spiegel an, die Testosteronspritze wegen eines „Leistungstals“ der beiden Athleten gesetzt zu haben. Seiner Kenntnis nach habe das Hormon nicht auf der Verbotsliste des Verbandes gestanden, was allerdings vom DSV bestritten wurde. Spannbauer, auch „Spritzenpabst“ genannt, hatte keine Hemmungen, alle Mittel anzuwenden, die nicht explizit verboten waren.

„Auf der uns zugänglichen Liste unerlaubter Substanzen war Testosteron nicht aufgeführt. Und wenn etwas nicht auf der Liste steht, aber dem Athleten nützt, dann geb‘ ich das auch.“ Athleten und Funktionäre seien darüber informiert gewesen. „“Viel Scheinheiligkeit“ präge die Diskussion über den Fall Angerer, erklärte er. „Athletenbetreuung, das ist doch Teamwork, dazu gehören die Trainer, der Arzt und die Aktiven selbst“. Und die Athleten, das räumt auch DSV-Sportdirektor Helmut Weinbuch ein, „erwarten vom medizinischen Betreuer, daß er im Bereich des Möglichen bis zum Rand hin experimentiert“.

Peter Angerer widersprach immer diesen Aussagen. Er leugnete nie, regelmäßig wie seine Teamkollegen nach München in die Praxis des Arztes gefahren zu sein um sich Vitaminspritzen geben zu lassen, aber im Gegensatz zu anderen Sportlern, sei er nie misstrauisch geworden.

„Dort lagen im Behandlungsraum auf dem Tisch eine Spritze oder, sauber aufgereiht, ein paar Pillen, nie aber etikettierte Arzneifläschchen oder -dosen. Ex-Kadermitglied Florian Hüttner: „Auf meine Frage, was denn das für eine Spritze sei, antwortete Dr. Spannbauer nur: ‚Das ist für die Kraft.'“ Hüttner, der um seinen Platz im Kader fürchtete, verzichtete darauf, hartnäckig weiterzubohren.

Mannschaftskollege Walter Pichler hatte als einer der wenigen Top-Biathleten Spannbauers Dienste frühzeitig abgelehnt: „Mich hatten 1980 ältere Aktive darauf hingewiesen, daß beim Spanni nicht alles sauber zugeht.“ Pichler ließ sich von dem Ruhpoldinger Sportarzt Günther Pfeifer medizinisch betreuen, stellte aber schnell fest, daß „die Spannbauer-Leute das Training viel besser verdauten als ich“. Der Spiegel erwähnt zudem, dass 1983 anlässlich einer Krankheit Spannbauers Arzt Pfeifer Verbandsarzt wurde. Allerdings kam dessen Antidopinghaltung nicht gut an, so dass nach „Spannis“ Genesung dieser wieder die ärztliche Aufsicht übernahm. (der Spiegel, 8.9.1986)

Während in diesem Artikel Spannbauer offen aussprach, Testosteron aufgrund eines Formtiefs gespritzt zu haben, taucht später das Argument auf, die beiden Athleten hätten das Hormon als Grippemittel erhalten.

„Der Biathlon-Olympiasieger wurde nur für ein halbes Jahr gesperrt, weil der Verband die beliebte Version auftischte, nicht der Athlet selbst trage die Schuld, sondern der Arzt, der ihm ein Grippemittel mit der verbotenen Substanz verordnet habe.“ (der Spiegel, 16.5.1988)

Die erste Version wird wiederum 1991 in der FAZ erwähnt, wobei Prof. Keul nicht von Leistungssteigerung spricht, sondern die über Jahre beliebte Variante der Substitution, und damit wieder gesundheitliche Gründe, aufführt.

„Der danach zurückgetretene Mannschaftsarzt Dr. Spannbauer hatte Angerer vor dem Wettkampf oral Anabolikum gegeben, angeblich um die Belastung zu mindern und die Regeneration zu fördern. „Angerer war ein Opfer der Fehlinformation, die bei vielen Kollegen herumgeisterte, wonach aus gesundheitlichen Gründen eine Indikation für anabole Steroide gegeben sei“, sagte Keul. (FAZ, 28.10.1991)

Keul sagte dies in Verbindung mit der Diskussion um die bekannt gewordenen Testosteronstudien: >>> 1985-1990 Testosteronforschung in der BRD, >>> Prof. Joseph Keul

1988 war Angerer jedenfalls von Seiten des Sports umfassend rehabilitiert und durfte bei den Olympischen Spielen 1988 in Calgary die bundesdeutsche Fahne tragen.

Peter Angerer 2010:

„Ich habe das tatsächlich überhaupt nicht gewusst. Wir waren damals alle ein bisschen angeschlagen, die ganze Mannschaft war angeschlagen: Es war eine Erkältung reihum gegangen und die Vorbereitung war nicht optimal verlaufen. Ich bin davon ausgegangen, dass das, was wir da gespritzt bekommen, schon in Ordnung wäre – vor allem dann, wenn man diese Spritze von einem so erfahrenen Arzt wie dem Dr. Spannbauer bekommt. … Natürlich haben wir versucht, dass wir aus dieser Situation möglichst das Beste rausholen, das ist klar – solange das legal bleibt. Aber es hat sich dann eben herausgestellt, dass es illegal war. … Aber da hat er einen Riesenfehler gemacht, absolut. Er war z. B. ernährungstechnisch unwahrscheinlich weit, wie man sagen muss. Wir waren damals im Hinblick auf die Ernährung wirklich die Mannschaft, die da am weitesten vorne war: mit diesem Zusammenspiel von Eiweiß, Protein, Kohlehydraten usw. Unsere Ernährung war bereits vollkommen abgestimmt, da haben andere noch gar nicht gewusst, was das ist. … Wir haben damals beim Dr. Spannbauer in der Prinzregentenstraße in München ja nicht nur diese Vitaminspritzen bekommen, sondern auch die ganzen Sachen für unsere Ernährung. Diese Proteine usw. hat damals der DSV nicht gestellt, das hat alles der Dr. Spannbauer auf eigene Faust gemacht.“ (BR α Forum, 15.1.2010)

Leichtathletik

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Leichtathletik 7-89, S. 195

Wie bereits unter der Rubrik Doping in den 1970er Jahren erwähnt, gehörte die Leichtathletik zu den am dopinggefährdetsten Sportarten bzw. zu denen, in der eine verbreitete Dopingkultur herrschte. Entwicklungen, die Ende der 1960er Jahre begannen, setzten sich fort. Die bundesdeutsche Dopingdiskussion in den Jahren 1976/1977 hatte vor allem die Zustände in der Leichtahletik im Fokus. Die danach allerseits vorgebrachte Ächtung des Dopings hatte jedoch kaum zur Folge, dass der Medikamentenmissbrauch abnahm. Die Entwicklung ging eher dahin, dass heimlicher, versteckter und professioneller hantiert wurde. Vieles wurde erst in den Folgejahren bekannt. Insbesondere Affairen um Bundestrainer ließen das Ausmaß des Dopings in dieser Sportart erahnen. Eine kleine Zäsur bildete der Tod von Birgit Dressel, der allerdings nur kurz zum Nachdenken Anlass gab.

Die folgenden Verweise auf die doping-archiv-Themenseiten mögen einen Eindruck geben:

einzelne Affairen sind:
>>> Alwin Wagner – Trainer Karlheinz Steinmetz
>>> Trainer Christian Gehrmann
>>> Trainer Heinz Hüsselmann
>>> Trainer Spilker und Kinzel – das Hammer Modell
>>> Trainer Wolfgang Thiele
>>> Birgit Dressel

Ebenfalls nicht in den Statistiken erscheinen die beiden Heidelberger Kugelstoßer Kalman Konya und Claus-Dieter Föhrenbach. Beide Sportler hatten gemeinsam mit dem Schweizer Weltmeister Werner Günthör 1987/1988 freiwillig an einer Anabolika-Studie teilgenommen. Damit standen alle drei Sportler während der Olympischen Spiele in Seoul unter Anabolika-Einfluss. Die Sportler hatten während des Experimentes mit erheblichen gesundheitlichen Problemen zu kämpen.

„Mit dem Test beauftragte Weicker den Assistenzarzt Dr. Karl-Michael Sehling. Die Laborbefunde von Konya und Föhrenbach, die bis zum Untersuchungsbeginn Anabolika geschluckt hatten, wiesen dramatisch niedrige HDL-Werte auf. Föhrenbach erreichte mit 18 nicht einmal die Hälfte des Normalwertes, Konya kam am 27. Januar 1988 mit 4 sogar in die Infarkt-Gefahrzone. Der besorgte Doktor Sehling wies die Kugelstoßer schriftlich auf das Risiko hin – Konya akzeptierte ungerührt.“

Die Studie wurde unter strengem Verschluss gehalten. (der Spiegel, 26.3.1990). Die anfallenden Diagnosekosten von Föhrenbach wurden von der Krankenkasse bezahlt, Begründung: „Ferilitätsdiagnostik – Hochleistungssportler (nach Anabolikaeinnahme)“.

In die Diskussion kam in diesem Zusammenhang der Schweizer Sportmediziner Dr. Bernhard Segesser, der zugab, Sportler seit Jahren mit anabolen Steroiden behandelt zu haben. Darunter auch Werner Günthör, der von Segesser aus medizinischen Gründen mit Anabolika behandelt wurde. Legitimiert wurde dies mit dem erlaubten „Therapiefenster“, mit dem eine dringende medizinische Versorgung von Athleten, wenn nötig auch mit Dopingmitteln, gerechtfertigt wurde.

Für den DLV waren die Enthüllungen des Artikels keine weiteren Überlegungen wert. Laut Sportwart Manfred Steinbach wären nur eine positive Probe oder ein Geständnis zu beachten (der Spiegel, 10.12.1990, Interview mit M. Steinbach) Weitere Informationen siehe >>> hier.

Zu Werner Günthör:
Nach den Enthüllungen der Anabolikaanwendungen bei Günthör wurde in der Schweiz eine Dopinguntersuchungs-Kommission eingesetzt, die am 14.5.1993 ihren Bericht vorlegte. Für die Schweiz wurde uvm. festgehalten:

„Über die Anabolika-Behandlungen von W. Günthör berichtete „der Spiegel“ bereits 1991. Obschon diese Vorwürfe anschliessend in Interviews bestätigt wurden, blieben Reaktionen öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Sportorganisationen von Sportmedizinern weitgehend aus. Berichte und Kommentare wurden gänzlich den Medien überlassen. Aus heutiger Sicht ist schwer zu verstehen, dass keine Anstrengungen unternommen wurden, die Anschuldigungen zu untersuchen und notwendige Konsequenzen zu ziehen.“ (Dopinguntersuchungskommision, 17.5.1993).

Der ehemalige Sportredakteur Ruedi Stettler von der Thurgauer Zeitung meinte hierzu 2013:

„Man wusste damals, dass Werner Günthör dopte. Aufgrund des «Therapiefensters» habe man es allerdings als legitim empfunden.“ (tagblatt, 5.9.2013)

Heute arbeitet der Schweizer als persönlicher Fitness-Trainer und an der Schweizer Sportschule Magglingen in der Ausbildung. Bei der Leichtathletik-WM 2014 in Zürich wurde ihm die Ehre zuteil, bei Christina Schwanitz die Siegerehrung vorzunehmen. Er und sein damaliger Trainer Jean-Pierre Egger, der heute Kugelstoßerin Valerie Adams aus Neuseeland trainiert, waren gern gesehene Gäste im Schweizer Fernsehen.

Manfred Donike und Josef Keul – Akzeptanz eines Dopingfalles:

Singler/Treutlein berichten in dem Gutachten zu Josef Keul (S. 242 ff), erstellt im Rahmen des Auftrags der Evaluierungskommission Freiburger Sportmedizin, über einen Leichtathleten, der 1983 bei den Deutschen Leichtathletik-Meisterschaften mit Testosteron aufgefallen war, aber nicht in einem ordentlichen Verfahren sanktioniert wurde, auch weil 1982 Testosteron vom IOC verboten, allerdings hatte die IAAF den Grenzwert für den Testosteron/Epistestosteron (TE-Quotient) zum Zeitpunkt der positiven Probe noch nicht veröffentlicht. Das Verfahren durch den DLV birgt nach den vorhandenen Unterlagen einige Unklarheiten. So wurde der Sportler ein oder zweimal für eine geringe Zeit von Wettkämpfen ausgeschlossen. Ob dies regelkonform war, kann bezweifelt werden.

Josef Keul und Manfred Donike benutzten daraufhin den Sportler, um an ihm das Abbauverhalten des Testosterons im Körper zu studieren. Bekannt war beiden, dass der Sportler synthetisches Testosteron eingenommen hatte. Bei den Olympischen Spielen 1984 hatte der Sportler einen T/E-Quotienten knapp unter dem Grenzwert von 6. War er genau darauf eingestellt worden? Keul und Donike wussten sicher, dass der Sportler zu den Wettkämpfen gedopt war.

[…][Eine] „Aktennotiz über das Gespräch mit Herrn Prof. Dr. Donike am 29.6.1984 und Herrn […] am 30.6.1984“ zeigt, wie Keul und Donike in der Diskussion über das bei Männern relativ wirkungsarme Testosteron einen noch viel gravierenderen Dopingfall nicht problematisierten und ihn damit vertuschten. Keuls Ausführungen machen deutlich, dass der beschuldigte Leichtathlet bei den Weltmeisterschaften 1983 in Helsinki zusätzlich mit Dianabol gedopt war und dass er auch in der Olympiavorbereitung 1984 das zu diesem Zeitpunkt wohl noch nicht per Dopingkontrolle sicher nachweisbare Stromba (Stanozolol) eingenommen hatte – ohne dass dies von den zuständigen Wissenschaftlern jemals unter dem Aspekt einer verbotenen Manipulationspraxis diskutiert worden wäre. Auch die Praxis des Überbrückungsdopings notiert Keul als Selbstverständlichkeit:

„Die Urinproben vom 27.5., 28.5., 29.5.84, nachdem 15 mg Stromba bis zum 13.5.84 täglich eingenommen worden war, ergaben keine Hinweise für anabole Steroide im Blut, jedoch war das Testosteron-Epitestosteron-Verhältnis auf 5,4, 14 bzw. 7,5 erhöht. Nach Auffassung von Prof. Donike führen Gaben von Testosteron nach einigen Tagen zu einer völligen Normalisierung des Testosteron-Epitestosteron-Verhältnisses. Daher ist es erklärbar, dass in Helsinki [1983] nach Absetzung von Dianabol 10 Tage vor dem Wettkampf und nach Absetzen von Testosteron ca. 3-4 Tage vor dem Wettkampf kein erhöhtes Verhältnis von Testosteron zu Epitestosteron bestanden hatte. Für das weitere Vorgehen wird empfohlen, dass eine unmittelbare Kontrolle der Harnwerte in Köln erfolgt“ (Aktennotiz Keul, 29.06.1984; Universitätsarchiv Freiburg, B0360/0151).

In dem Gutachten (S. 258 f) berichtet ein Zeitzeuge aus Freiburg von einem weiteren möglichen Dopingfall vor den Olympischen Spielen in Seoul 1988:

Im Vorfeld der Olympischen Spiele von Seoul 1988 ist man im Rahmen von sportmedizinischen Untersuchungen nach Aussage eines früheren ärztlichen Mitarbeiters der Abteilung Sport- und Leistungsmedizin in Freiburg auf mutmaßliches Doping bei einem bundesdeutschen Spitzenathleten aufmerksam geworden. Der Athlet habe sich in Freiburg auf die Olympischen Spiele bzw. auf die Qualifikationswettkämpfe vorbereitet. Bei einer ansonsten nicht üblichen Untersuchung per Hochleistungsflüssigkeitschromatographie (high performance liquid chromatography/HPLC) sei Anabolika-Abusus festgestellt worden. Der Arzt erkannte, wie er angibt, ein Entlarvungsrisiko in Seoul und informierte Keul über seinen Befund. Der habe den mutmaßlichen Dopingfall auf nicht genau zu rekonstruierende Art gemanagt.

Der Athlet sei zwar in Seoul gestartet, habe seinen Wettkampf aber nicht beendet.

Clemens Prokop, DLV, 17.4.2017:
„Als ich 1993 zum DLV kam, war es ein juristisches Niemandsland”, berichtete Clemens Prokop. Anti-Doping-Regeln habe es nicht gegeben. „Um juristische Details hat man sich vorher nicht gekümmert.” Erst mit dem Fall Katrin Krabbe habe man im DLV angefangen, ein Anti-Doping-Regelwerk zu schaffen.

Radsport

Aus den oben genannten Zahlen geht nicht hervor welche deutschen Radsportler betroffen waren. Die mir vorliegenden namentlich bekannten Fälle dürften zudem nicht alle in den Statistiken Donikes aufgeführt sein, da einige positive Tests im Ausland angefallen und in anderen Laboratorien ausgewertet worden waren.

Folgende Dopingfälle im deutschen Radsport sind mir bekannt, wobei die verwendenten Mittel häufig unklar sind. Betroffen waren sowohl Profis als auch Amateure:

>>> Dopingfälle im deutschen Radsport 1940-1989

BETZ, Heinz, 1980
BETZ, Werner, 1988
DIETZEN, Raimund, 1987, Fund von 20 Ampullen Amphetamin
FLÖEGEL, Dieter, 1980
FRITZ, Albert, 1980
GIEBKEN, Dieter, 1983, Sanktion wegen Verfahrensfehler aufgehoben
GUELPEN, Achim, 1989
HARTMANN, Thomas, 1987
HENN, Christian, 1988 , Geständnis
JAKST, Hans-Peter Jakst, 1980
LECHNER, Robert, 1987 – 1988, Geständnis
LOMMATZSCH, Claudia, 1983, Sanktion wegen Verfahrensfehler aufgehoben
MAISS, Bernhard, 1980
MÜLLER, Jörg, 1987, Geständnis
RENN, Roland, 1988
SCHMIDTKE, Fredy, 1983, Sanktion wegen Verfahrensfehler aufgehoben
SCHUMACHER, Günther, 1980
STAUFF, Werner, 1982
STRITTMATTER, Gerhard, 1984
THURAU, Dietrich, 4 Mal 1980, einmal 1986, einmal 1987

1981 soll es im BDR zwei Dopingfälle mit Anabolika gegeben haben, die jedoch nicht weiter verfolgt und sanktioniert wurden. Der BRD begründete dies damit, dass seitens der UCI eine ‚Anabolika-Untersuchung‘ nicht gefordert worden war. Manfred Donike widersprach dieser Annahme woraufhin die Angelegenheit bis in das Bundesinnenministerium vordrang und dieses einen ausführlichen Bericht verlangte. Hintergrund waren Regelungen, wonach die finanzielle staatliche Förderung der Verbände an die Anti-Doping-Bestimmungen gekoppelt war. Einer ähnlichen Überprüfung wurde zu dieser Zeit der Bundesverband der Deutschen Gewichtheber BVDG unterzogen. Beide Angelegenheiten verliefen jedoch im Sande. (Münster, Sport und Staat, S. 66f)

Der flächendeckende Dopingmissbrauch im Radsport war unter Journalisten, Fans und vor allem den Verantwortlichen im Sport bekannt und wurde wohl letztlich auch von vielen als gegeben, als mehr oder weniger unabänderlich hingenommen. Es fanden zwar regelmäßige Dopingkontrollen bei Wettkämpfen statt, laut Donike durch den BDR so häufig (s.o.), dass sie bereits den Charakter von Trainingskontrollen hätten, doch ob sie wesentlich dazu beitrugen, den Missbrauch zu reduzieren, kann sicherlich bezweifelt werden.

Nähere Informationen zur langen Dopingkultur des Radsports können u.a. hier nachgelesen werden:
>>> Doping-Geschichte des Radsports
>>> Doping im Radsport 1950 – 1969

Dietrich Thurau

Der bekannteste deutsche Fahrer und Hoffnungsträger der damaligen Jahre war Dietrich Thurau, dessen erste drei positiven Proben in Deutschland und anderswo zwar mit Bedauern zur Kenntnis genommen wurden, aber Kenner der Szene kaum überraschte. 1980 kam es in einem Fall zu Unstimmigkeiten insofern, als die A- und B-Proben sich inhaltlich unterschieden, einmal wiesen sie Amphetamine auf, einmal nicht. Thurau hatte allerdings Gelegenheit zwischen der Abgabe der Proben sein Hotel aufzusuchen. Damit lag der Verdacht auf Manipulation vor.

„HOWALD: Unsere Apparate lügen nicht. Ich habe nichts gegen den Radsport, nichts gegen Dietrich Thurau, den ich persönlich ja gar nicht kenne. Ich bin nur für die Sauberkeit im Sport. Der Fall Thurau zeigt jedoch, daß bei den im Radsport üblichen Gewohnheiten im Zusammenhang mit den Urinentnahmen unsaubere Machenschaften möglich sind, welche eine noch so saubere und aufwendige Laboranalytik zur Farce werden lassen.
… Ich würde vorschlagen, daß die Herren nach der Zieldurchfahrt nicht erst ins Hotel verschwinden dürfen.“ (der Spiegel, 28/1980)

Wegen eines Formfehlers kam Thurau um eine Sanktion herum. (der Spiegel, 29/1982)

Der BDR, Armin Klümper und Gerhard Strittmacher

1984 musste der 23jährige Bahnradweltmeister Gerhard Strittmatter das Olympiateam verlassen und aus Los Angeles nachhause fahren. Ihm war im Labor von Donike das Anabolikum Decaduradolin nachgewiesen worden. Es herrschte helle Aufregung:

„Heinz Fallak, Chef de Mission der deutschen Mannschaft, vor den Rad-Weltmeister: „Den Aktiven, den Trainer und den Verband treffen keine Schuld. Es handelt sich eindeutig nicht um eine medizinische Manipulation zur Leistungsförderung.“

Strittmacher war bereits bei den Deutschen Meisterschaften Ende Juni in Büttgen bei Neuss positv getestet worden. Prof. Klümper hatte ihm einige Tage vor den Meisterschaften das Anabolikum nach einer Verletzung gegeben. Konsequenzen hatte diese positive Probe nicht, denn der BDR akzeptierte die medizinische Behandlung von Verletzungen mit kleinen Mengen Anabolika (sog. Therapiefenster). Es war jedoch klar, dass bei den Olympischen Spielen nichts gefunden werden durfte. Daher wurde der Urin des Sportlers in der Zeitspanne bis zu den Spielen immer wieder auf Rückstände hin überprüft. Donike spielte mit. Als ein letzter Test fünf Tage vor dem Wettkampf deutlich machte, dass ein Wettkampftest positiv ausfällen würde, zog man den Sportler zurück. Der Grund dafür wurde öffentlich und schnell hatte man den alleinigen Schuldigen gefunden:

Prof. Armin Klümper. „Das ist ein Skandal, der uns zu Hause noch beschäftigen wird. Hier ist das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient mißbraucht worden.“ Auch Klümpers Kollege Keul stimmte in die Kritik mit ein: „Die angewendete Substanz durfte einfach nicht verabreicht werden. Es gibt bei der Verletzung von Strittmatter, einer Hüftprellung mit Beeinträchtigung der Muskulatur, andere Medikamente als Alternativen. Ich bin fest davon überzeugt, daß Strittmatter um eine sichere Medaille gebracht worden ist“. (Hamburger Abendblatt, 30.07.1984)

Aktivensprecher der IOC-Athletenkommission, Thomas Bach spricht von einem Skandal und meinte

„dieser Fall bestärkt mich, darauf einzuwirken, in Fällen des Dopings künftig das Umfeld stärker untersuchen zu lassen. Man muß sich überlegen, ob man national jetzt Konsequenzen zieht.“

Hatte der Fall Konsequenzen?

„Fritz Ramseier, Sportwart des Bundes Deutscher Radfahrer, hat unterdessen ein Verfahren gegen Strittmatter angekündigt. Dabei geht es ihm weniger um eine Schuldzuweisung an den Radfahrer als um die Klärung der Rolle Klümpers. Ramseier sagte: „Zunächst müssen wir die Hintergründe dieses Vorganges aufhellen. Erst dann sind Aktionen gegen Klümper möglich.“ (Hamburger Abendblatt, 31.7.1984)

Dem NOK gegenüber hatte der BRD versichert, nichts von der Behandlung gewusst zu haben, sodass sich das NOK Anfang Oktober genötigt sah, eine Erklärung abzugeben, in der sie u.a. die Unkenntnis des Verbandes hervorhob:

„Weder der zuständige Bundestrainer, noch der Mannschaftsarzt, noch der Sportwart oder die übrigen Präsidiumsmitglieder des Bundes Deutscher Radfahrer waren bis zum Bekanntwerden des offiziellen Dopingbefundes von Herrn Prof. Donike über den Stand der Dinge informiert.“

der BDR, Georg Huber und U23-Fahrer

Die Vorfälle um Jörg Müller, Christian Henn und Robert Lechner wurden erst in jüngster Zeit bekannt, da sich die Fahrer zu Geständnissen bereit fanden. Sie weisen aber Ähnlichkeiten, nicht nur was das Alter der Radsportler anbelangt, mit dem Fall Strttmacher auf.

Jörg Müller, Christian Henn (beide Straße) und Robert Lechner (Bahn) gehörten 1987 und 1988 zu den auftstrebenden deutschen U23-Fahrern. 2007 geraten im Zuge der Ermittlungen um Team Telekom/T-mobile Mediziner der Freiburger Sportmedizin zunehmend unter Druck. Damit auch Dr. Huber, in den 1980er Jahren Verbandsarzt des Bundes Deutscher Radfahrer. Der Mediziner musste zugeben, jungen Sportlern anabole Steroide und Cortison verabreicht zu haben. Ausführliche Informationen zu diesen Vorgängen finden sich >>> hier und unter >>> der BDR und Doping. Dabei wird deutlich, dass dieses Doping verbandsintern unterstützt wurde. Insbesondere Trainer Peter Weibel wurde beschuldigt, sich an dem Medikamentenmissbrauch von Müller und Henn beteiligt oder zumindest davon gewusst zu haben.

2008 meldete sich Robert Lechner und legte ein umfangreiches Geständnis ab, wonach er 1988 seine Bronzemedaille in Seoul auf der Bahn unter Anabolika-Einfluss gewonnen hatte. Auch hieran war Verbandsarzt Dr. Huber beteiligt. Lechner hatte bis zum 8. August, bis 6 Wochen vor den Olympia-Einsatz 1988 die anabolen Steroide Stromba und Andriol und das Cortisonpräparat Urbason eingebettet in einen Mix erlaubter Stoffe bekommen. Danach, bis zu den Spielen, wurde ihm ein Mittel gespritzt, das ihm nicht genannt wurde, über das er heute nur Vermutungen anstellen kann. Diese Vorgehensweise stellte sicher, dass während der Spiele keine positive Probe anfiel. Huber stritt später Doping ab, die Mittel hätte er aus gesundheitlichen Gründen verabreicht, Leistungssteigerung sei nicht bezweckt gewesen: >>> Robert Lechner erzählt.

Fußball

Eine rege Diskussion um Doping im Fußball brach in der Bundesrepublik auf, nachdem Torwart Toni Schumacher 1987 sein Buch ‚Anpfiff‘ veröffentlichte und unverholen verbreiteten Medikamentenmissbrauch bis hin zu eindeutigem Doping zur Leistungsteigerung darlegte. Im Zuge der entbrannten Auseinandersetzungen bekam er einige Unterstützung und Bestätigung, doch letztlich siegte die verbandsgesteuerte Empörung. Was nicht sein durfte, konnte nicht sein. Doping gab es nicht und Tonis Schumacher war seinen Job als Nationaltorhüter los.

Unter folgendem Link ist eine Zusammenfassung des mir bekannten Dopings im Fußball in den 1970er und 1980er Jahren zu lesen:
>>> Doping in der BRD – 1970er / 1980er Jahre

Gewichtheben

Die Münsteraner Forscher erwähnen Schwierigkeiten, die der Bundesverband der Deutschen Gewichtheber 1981 mit dem Bundesinnenministerium hatte. Fünf Gewichtheber waren bei den Deutschen Meisterschaften im Mai positiv getestet und danach bestraft worden. Allerdings wurden diese Fälle erst im Januar 1982 veröffentlicht, nachdem der CDU-Abgeordnete Schwarz bereits eine Kleine Anfrage zu den Vorfällen im Bundestag eingereicht hatte. Infrage gestellt und überprüft wurde damit die finanzielle Förderung des Verbandes durch den Bund. Der BVDG konnte jedoch die Kürzung der Mittel verhindern, „u.a. [wurde] zur Entlastung des Verbandes festgestellt, dass die betroffenen Sportler aus eigener Initiative ohne Beteiligung von Funktionsträgern des Verbandes die Dopingmittel eingenommen hätten und dass die ausgesprochenen Sanktionen den Dopingbestimmungen des Verbandes und des DSB entsprochen hätten. Insbesondere jedoch hatte der Verband zugesagt, das Veröffentlichungsgebot künftig genau zu beachten. Der Parlamentarische Staatsekretär stellte daher zusammenfassend fest, „daß keine Pflichtverletzung des Verbands vorliegt“ und deshalb die Förderung des Verbands fortgesetzt werden könne.“ (Uni Münster, Sport und Staat, S. 64, Dt. Bundestag, Drucksache 9/1292)

Andreas Sollwedel, der 1981 aufgrund des Dopings mit anabolen Steroiden betroffen war, stellte 2003 seine Geschichte wie folgt dar, als Jahr wird allerdings 1982 genannt:

„Mit 17 nahm ich zum ersten Mal Anabolika. Die Kontrollen umging ich mit Urin meiner Freundin. Es wurde in einem Kondom in der Unterhose geschmuggelt und durch einen kleinen Schlauch floss es dann in die Recherchen der Kontrolleure. Die Bodypacker-Methode funktioniert in jeder Sportart. Denn alle dopen“. … Vor der Meisterschaft in Wiesbaden wurde Sollwedel von einem Freund gewarnt: „Andy, lass den Wettkampf sausen, die wollen dich linken.“ Doch Sollwedel fuhr trotzdem – seit einem halben Jahr war er sauber, hatte nichts geschluckt.

„Sie holten mich mitten im Wettkampf zum Wasserlassen, nach meinem 2. Versuch im Reißen. Aber ich machte mir keine Sorgen, denn ich war ja clean.“ Nicht getestet wurde an diesem Tag Weltmeister Rolf Milser, den Sollwedel unter der Dusche traf. „Ich bin heute nicht dran“, grinste Milser. Sollwedel: „Der war damals mein großes Vorbild und der Verband schützte ihn vor den Kontrollen.“

Sollwedel wurde für 30 Monate gesperrt, gab aber zu bedenken, dass er eigentlich clean war. Sollwedel wechselte nach Ungarn und begann zu dealen.

„Wir nannten das Teufelszeug ‚Die Kur‘. Eine Wochenration von 100 Tabletten Nerobol kaufte ich für 7,50 DM und verkaufte sie für 45 DM an Sportler und Betreuer. Ich selbst bekam die Mittel direkt von den Ärzten der Sportverbände in einer Plastiktüte. Die Dosierungsliste lieferten sie mit. Bis zu 250 000 Pillen gingen monatlich weg, besonders begehrt waren Wachstumshormone.“

In der Szene nannten sie Sollwedel „Apotheke Eins-Fuffzig“ – so viel kostete eine Ampulle mit Retabolin zum Muskelaufbau. Seine Kunden kamen aus der ganzen Welt, auch aus Berlin. „Leute vom AC Berlin habe ich jahrelang beliefert und auch viele andere Berliner Klubs. Jede WM, jeder Weltcup ist eine riesige Doping-Messe. Auf den Hotelzimmern gibt es jedes Mittel für ein paar Dollar.“ Bestellen konnte man bei Sollwedel sogar per Fax. … „Ich habe alles geschluckt. Wenn der Arzt einen Schatten auf meiner Leber sah, weil sie überlastet war, dann nahm ich eben ein Gegenmittel wie Pregnyl.“ (bz-berlin.de, 23.11.2003)

Auch Karl-Heinz Radschinsky, Olympiasieger 1984, handelte mit Dopingmitteln. Positiv getestet wurde er nicht. 1985 wurde er verhaftet und 1986 von einem Nürnberger Gericht zu 18 Monaten Haft mit Bewährung und 35 000 Mark Geldstrafe verurteilt.

„Moralisch jedoch fühlte er sich im Recht: „Wenn sie die Tabletten nicht von mir bekommen hätten, dann hätten sie sie von einem anderen bekommen. Ich habe die Käufer wenigstens noch informiert“ (die Zeit,1.5.1987).

Zu seinen Kunden sollen laut eigener Aussage auch Nationalmannschafts- sowie Bundesligakollegen gehört haben bedient hatte. Doch der Sport strengte keine Dopingverfahren an. Radschinsky selbst lieferte eine plausible Erklärung: „Die hatten doch alle Angst, dass ich auspacke.“ (Deutschlandfunk, Alte Kameraden, 22.2.2009)

1988 errang er erneut den deutschen Meistertitel und qualifizierte sich für die Olympischen Spiele.

„Ausgerechnet Daume lieferte den Heberfunktionären das populärste Startargument. Radschinsky könne „auf jeden Fall olympischen Anspruch erheben“, befand Wolfgang Peter, der Leiter der Medizinischen Kommission des Weltverbandes, „wenn ein Anaboliker wie Peter Angerer in Calgary die deutsche Fahne trägt“. Daume hatte den Biathleten in Kanada mit der ehrenvollen Aufgabe betraut.“ (der Spiegel, 16.5.1988)

Die Auseinandersetzungen um Radschinskys Olympiateilnahme dauerten an und endeten damit, dass der Verband ihn aus dem Olympiakader nahm.

Weitere Informationen zum Gewichtheben finden sich Singler/Treutlein, Doping im Spitzensport, S. 167ff.

Eishockey

Einen positven Dopingfall im deutschen Eishockey gab es in den 1980er Jahren nicht. Es wurden allerdings Dopingverdächtigungen laut, glaubt man dem Spiegel. Agressives Verhalten einiger Spieler legte den Konsum von Amphetaminen nahe.

„Auf Grund meiner Beobachtungen glaube ich“, erklärte der Kölner Mannschaftsarzt Dr. Herbert Plum, „daß etwas genommen wird.“ Er verdächtigte Spieler aus Schwenningen, Düsseldorf, Mannheim und Landshut des Dopings und schloß nicht einmal seine Kölner aus, denen binnen drei Tagen zwei Spieler durch Stockhiebe ausgefallen waren.

Plum vermutet aufputschende Amphetamine, denn „Symptome sind übergroße Pupillen oder regungsloser Gesichtsausdruck“. Manche Spieler, habe er beobachtet, „gucken ausdruckslos wie Stiere“. Doping könne auch Überreaktionen bewirken, „so daß gedopte Spieler Dinge tun, die außerhalb ihrer Kontrolle liegen“.

Der international angesehene Schiedsrichter Josef Kompalla bestätigte, auch ihm seien „aus nächster Nähe“ Spieler mit „vergrößerten Pupillen und erstarrten Gesichtern wie von Wachsfiguren“ aufgefallen. Die beschuldigten Klubs forderten höhnisch Beweise. Nach Drohanrufen traute sich Plum nicht mehr zum Auswärtsspiel nach Düsseldorf.

Manfred Donike bestätigte entsprechende Verdachtsmomente und auch DEB-Funktionäre gaben sich einsichtig. Sie beschlossen Antidopingbestimmungen in die Verbandssatzung aufzunehmen.

„Das hat der Deutsche Fußball-Bund trotz aller Verdachtsmomente in seiner Bundesliga noch nicht geschafft. Die Eintragung der geänderten DEB-Satzung durch das Registergericht stehe „in den nächsten Wochen“ an, versichert Brechenmacher, „Ausführungsbestimmungen liegen in der Schublade“.

Sie sehen Stichproben an jeweils zwei Spielern einer Mannschaft vor. „Die Kontrollen können noch in dieser Saison beginnen“, kündigte der Ligenleiter an.

Vorerst droht ein Verweis vom Eis allerdings nur Plum, der die Diskussion durch seinen Verbalcheck ausgelöst hatte. Sogar sein Klub ließ ihn im Stich und entschuldigte sich bei den von Plum verdächtigten Vereinen. „Da möchte sich niemand in die Nesseln setzen“, vermutet der Arzt.“ (der Spiegel, 14.1.1985)

Erich Kühnhackl, 14.4.1985:
„Angesichts der Überreaktionen des einen oder anderen Spielers kann ich Doping auch nicht ausschließen. Der Deutsche Eishockey-Bund sollte endlich generell Doping-Kontrollen einführen, damit dieser Spuk ein für alle Male ein Ende hat.“

Judo

1987 sah sich der Deutsche Judo-Bund schweren Dopingvorwürfen gegenüber. Schwergewichtler Arthur Schnabel (Mannheim) hatte behauptet, Alexander von der Gröben sei 1987 auf einem Turnier in Paris gedopt gewesen. Funktionäre des Verbandes hätten dies verschleiert. Der DJB verklagte den Sportler. Da dieser vor dem Landgericht Mannheim keine Beweise liefern konnte, musste er eine Unterlassungserklärung abgeben. Bestätigt wurde jedoch ein Versuch mit Hilfe von Fremdurin zu betrügen.

Schnabel wußte von der angeblichen Manipulation der Urinprobe lediglich aus Gesprächen mit einem DJB-Masseur, der in Paris dabei gewesen ist. Dieser hat inzwischen in einer eidesstattlichen Versicherung seine Aussage korrigiert. Demnach hat es lediglich den Versuch gegeben, fremden Urin zur Dopinganalyse abzugeben, der aber gescheitert sei.

Diese Darstellung deckt sich mit den Angaben von der Gröbens und Bundestrainer Heiner Metzlers (Köln), die dafür vom DJB-Leistungsausschuß verwarnt worden sind. …

Der Verband war durch die Doping-Vorwürfe heftig ins Schlingern geraten. Der Skandal zog Kreise bis in das Bundes Innenministerium, das mit der Sperrung der Mittel gedroht haben soll. …

Obwohl sich der Doping-Betrug nicht nachweisen ließ, lieferten die Untersuchungen einen eindrucksvollen Einblick in die Praxis bei den Kontrollen. Anscheinend lassen sieh die Tests doch leichter umgehen, als bisher gedacht wurde. Das wurde auch durch die Aussage Schnabels erhärtet. Der international erfahrene Judokämpfer hatte versichert, daß es eine Leichtigkeit sei, fremden Urin abzuliefern. (SZ, 17.8.1988)


ZITATE DEUTSCHER SPORTLER

Detlef Vetten, STERN-Redakteur, 6.10.1988:
„Letztes Jahr nahm ich am Hawaii-Triathlon teil. Und dort habe ich das erlebt, was mich am Sport erschreckt. Ich habe sie gesehen, die Leute, die sich gnadenlos an den Hochleistern orientieren. Studenten, Datenerfasser, Stadtangestellte. Leute wie du und ich. Wir wohnten zu viert im Appartement … Jeder wußte, was der andere tat, jeder konnte sehen, wenn der andere was nahm. Es war eine erschreckende Erfahrung für mich: Diese Leute wie du und ich dopten sich wie die Weltmeister. Versetzten allmorgendlich ihre Müslis mit einer bunten Mischung Chemie. Füllten röhrchenweise Aspirin und Coffein in ihre Trinkflaschen. Und am Tag vor dem Wettkampf sagte einer zu mir: „Jetzt setze ich mir die Bombe. Die kannst du nur in Italien unterderhand bekommen.“ Wie ein Profi fühlte er sich. Am nächsten Tag begegnete er mir beim Marathonlauf. Er erkannte mich nicht mehr. Ein wankendes , blickloses Bündel Mensch, nur in Bewegung gehalten durch die „Bombe“.“

Die folgenden Zitate stammen aus einem Artikel des Magazins ‚der STERN‘ vom 6. Oktober 1988 vor dem Hintergrund des Dopingfalles Ben Johnson.

Peter Angerer, Biathlon:
In bestimmten Sportarten, die viel Kraft erfordern, geht ohne Anabolika heutzutage gar nichts mehr. Da stellt sich dann für mich die Frage nach dem Sinn von sportlichen Wettkämpfen überhaupt. Die Olympischen Spiele werden, meiner Meinung nach, immer umstrittener. Ich bin grundsätzlich gegen eine Freigabe von Anabolika, da die gesundheitlichen Folgen gar nicht abzusehen sind. In der heutigen Situation des Sports wäre jedoch eine Freigabe das Vernünftigste, wobei man jedoch an das Verantwortungsbewußtsein des einzelnen Sportlers appellieren muß. Also Eigenverantwortung statt schwer kontrollierbarer Reglementierung. Auf jeden Fall müßte in Zukunft die Einstellung der zugelassenen und nichtzugelassenen Dopingmittel bei einer Nichtfreigabe neu überdacht und festgelegt werden.“

Ralf Reichenbach, Kugelstoßen:
„Ich finde, nicht der Dopingfall Ben Johnson ist der größte Skandal, sondern das heuchlerische Gerede derjenigen Herren, die sportliche Normen bestimmen, die nur noch mit Anabolika erreicht werden können. Und ich meine, daß man nur etwas verbieten kann, was auch kontrollierbar ist. Das Training in den Ostblockländern ist ganz offensichtlich nicht kontrollierbar. Deshalb bin ich für die Freigabe von Anabolika. Im Kugelstoßen, Hammerwerfen und Gewichtheben sind ohne Anabolika heute kaum noch erste Plätze möglich. Dopingverbote sollten sich in Zukunft auf Aufputschmittel beschränken.“

Alois Schloder, Eishockey:
„Eine Sperre auf Lebenszeit wie bei Ben Johnson ist ein starkes Stück. Der Mann ist doch kein Schwerverbrecher. Man sollte ihm unbedingt wieder eine Chance geben. Was Medikamente angeht: Kraftsportler können doch heute ohne Doping gar nicht mehr vorne mitmischen. Schlecht ist, daß über den Gebrauch von Dopingmitteln der Mantel der Verschwiegenheit gebreitet wird, obwohl sie doch offensichtlich viele Sportler zur Vorbereitung verwenden. Regelmäßige unangemeldete Kontrollen wären eine geeignete Maßnahme, um Doping einzudämmen. Wenn die Kontrollen – und zwar bei jeder Art von Wettkämpfen – dazu führen, Unsicherheit zu erzeugen, könnte man den Mißbrauch einstellen.“

Uwe Beyer, Hammerwurf:
„Viele Spitzensportler nehmen während des Trainings Anabolika ein. Demnach müßten sich eigentlich die Sportler (…) mit Ben Johnson solidarisieren und die Medaillen gesammelt zurückgeben. Bei den jetzigen Dopingkontrollen disqualifiziert sich der Sport an sich und die Olympischen Spiele sind so kaum noch aufrechtzuerhalten. [Erfolgreich] bei internationalen Wettbewerben ohne Doping zu werden, das halte ich heutzutage für fast unmöglich. Darum meine ich, man müßte Anabolika freigeben. Wenn Ben Johnson lediglich die Spitze eines Eisberges ist, dann möchte ich auch den gesamten Berg sehen. Es reicht nicht aus, wenn nur ein einzelner vorgeführt wird. Es ist unglaublich, daß in westlichen Medien Dopingopfer abgeurteilt werden, während dieses in Ostblockstaaten generell überhaupt kein Thema zu sein scheint.“

„Peter Nocke, Schwimmen:
„Ich halte Doping schon für ein schwerwiegendes Delikt, da hier ungleiche Voraussetzungen geschaffen werden. Bei einem Nachweis von Doping sollte der betreffende Sportler vom Wettkampf ausgeschlossen werden. Ich bin jedoch gegen eine totale Verurteilung wie jetzt im Fall Ben Johnson, da sie in ihrer übertriebenen Form einer Vernichtung dieser Person gleichkommt. Eine Freigabe von Dopingmitteln halte ich für sehr gefährlich, weil dadurch der Sport und das Training zum reinen Medikamentenwettbewerb ausarten würden. Gedopte Sportler bringen nicht mehr 100 Prozent, sondern 120 bis 130 Prozent ihres Könnens. Diese künstlich erzeugte Mehrleistung ist ein Wahnsinn. Man sollte zu unangemeldeten Dopingkontrollen übergehen. Jeder Spitzensportler sollte so jederzeit einer Dopingkontrolle standghalten können.“

Dietrich Thurau, Radfahren:
„Ich bin für unbedingte Freigabe von Dopingmitteln. Es ist auf jeden Fall besser, unter ärztlicher Aufsicht Aufbaupräparate einzunehmen, als illegal und unkontrolliert damit herumzuexperimentieren. Irgendwelche Arten von sogenannten Dopingmitteln nimmt heutzutage sowieso fast jeder Spitzensportler. Ohne sie ist es fast unmöglich, an der Weltspitze zu bleiben. Eine Freigabe dieser Präparate kann natürlich nur in Zusammenarbeit mit medizinisch kompetenten Leuten erfolgen, um einen Schutz der Sportler zu gewährleisten. Und schließlich denke ich, daß eine Freigabe von Dopingmitteln helfen wird, eine derart übertriebene Verurteilung von Spitzensportlern in der Öffentlichkeit wie im Fall Ben Johnson zu verhindern.“

Zwei Olympiasieger von 1984, anonym, sagten dem Deutschlandfunk, Sendung „Alte Kameraden“ am 22.2.2009:
„„Natürlich haben sie es alle gewusst, die Trainer und die Funktionäre. Bei der sportärztlichen Untersuchung wurde doch geschaut, ob die Leberwerte in Ordnung waren. Manchmal wurde ich vom Doc [Klümper] aufgefordert etwas Gas raus zu nehmen.“

„Wie hieß noch der Oberkontrolleur? Ja, der Donike. Der hat mir mal gesagt, ich müsse sechs Tage bis zum Abbau der Mittel einrechnen, nicht fünf. Sonst wäre ich noch positiv.“

Kommentar in NOK-Report 10/86, 1.10.1986, Zitate:

Es dopt der Sportler nicht allein
Von Michael Beckereit, persönliches NOK-Mitglied

Es geht hier nicht um Peter Angerer, es geht um eine Problematik im Sport, die am Beispiel dieses ebenso erfolgreichen wie sympathischen Sportlers in den vergangenen Wochen wieder einmal Schlagzeilen machte. Daß Peter Angerer auffiel, ist für mich – Sie lesen richtig – das beste Zeichen seiner Unschuld: Hätte er sich aktiv mit Fragen des Dopings auseinandergesetzt, er wäre in einem für ihn so wichtigen Wettkampf wie der Weltmeisterschaft nicht erwischt worden. Es gibt genügend Wege, durch rechtzeitiges Absetzen und eigene Sicherheitsmaßnahmen zu gewährleisten, daß die offizielle Doping kontrolle ein negatives Ergebnis erbringt.

Dennoch verdeutlicht der Fall der Biathleten erneut, daß Doping im Spitzensport nahezu allgegenwärtig ist. Die Sportler selbst weisen seit Jahren darauf hin und zeigen dabei immer wieder die nach wie vor ungelöste Problematik auf: Einerseits orientiert der bundesdeutsche Sport seine Qualifikationskriterienan der Weltspitze, andererseits werden Anti-Doping-Resolutionen und Strafandrohungen von Mängeln bei der medizinisch-physiotherapeutischen Betreuung begleitet. So liegen nahezu alle Risiken beim Sportler.

Daß aber gerade auch Sportfunktionäre ein großes Maß an Mitschuld tragen, wird nicht erwähnt: Sie präsentieren Terminkalender, die einen sinnvollen Saisonaufbau mit einem oder maximal zwei Jahreshöhepunkten ausschließen.Sie maximieren Weltcups oder ähnliche Veranstaltungen, die wegen der über einen Zeitraum von Monaten zu erbringenden Höchstleistung Doping fast zur Voraussetzung machen. …

Die Trainer stecken in einer ähnlich ausweglosen Situation wie die Sportler: Nachgewiesene Unterstützung oder Mitwisserschaft beim Doping ist bei ihnen Grund für fristlose Kündigung. Der Trainer darf also nichts wissen – doch wenn er nichts weiß, kann er auch nicht die richtigen Anweisungen im Training geben. Den Trainern kann eigentlich nur zu etwas mehr Mut in der Darstellung der Dopingproblematik geraten werden: Die meisten wissen was läuft, aber solange sie nichts sagen, wird sich nicht viel ändern.

Daß es Ärzte gibt, die beim Doping mitwirken, ist bekannt. Dabei verstecken sie sich hinter dem Mantel ihrer ärztlichen Schweigepflicht; ob angesichts der Verantwortung für die Gesundheit ihres Patienten bei voller Aufklärung des „betreuten“ Sportlers, ist zweifelhaft. Anders als Sportler und Trainer operieren diese Ärzte hinter dem schützenden Netz ihrer Praxis- oder Kliniktätigkeit, die auch nach einem Dopingskandal ihren Mann ernährt, unter Umständen sogar das Renommee des Wunderdoktors erhöht.

Die Schuld am Doping trifft in erster Linie den Sportler; beteiligt sind aber zu meist genauso der Trainer, der Arzt, die Verbandsfunktionäre. Wie der schuldige Sportler müssen also auch mitschuldige Ärzte, Trainer und Verbandsfunktionäre zur Rechenschaft gezogen werden. Sperren und öffentliche Verurteilung aller Mittäter könnten Wunder wirken, aber solche moralische und juristisch gerechtfertigte Mithaftung ist genauso unwahrscheinlich wie eine Lösung der Dopingproblematik in absehbarer Zeit.


DOPINGFÄLLE INTERNATIONAL – BEISPIEL  OLYMPISCHE SPIELE

Von den Olympischen Winterspielen 1980 in Lake Placid wurden keine Dopingfälle bekannt. Insgesamt gab es 440 Kontrollen, 350 davon wurden nur auf anabole Steroide getestet. Es handelte sich dabei um die ersten entsprechenden Kontrollen bei Olympischen Spielen.

Auch die Sommerspiele 1980 in Moskau, die von 64 Staaten boykottiert wurden, erbrachten offiziell keine positiven Fälle. Insgesamt wurden 2468 Kontrollen durchgeführt. Getestet wurde 831 (oder 800?) Mal auf anabole Steroide (Doping mit Corticosteroiden und Testosteron fielen noch nicht darunter). Alexandre de Mérode, Leiter der Medizinischen Kommision des IOC frohlockte über die saubersten Spiele seit je. Der Kampf sei gewonnen. Dieses Resultat wurde jedoch schnell infrage gestellt, insbesondere von Dr. A. Beckett, ebenfalls Mitglied der Medizinischen Kommision des IOC. Zum einen wüssten die Athleten und ihre Betreuer längst, dass anabole Steroide in der Trainingsphase vor den Wettkämpfen einzunehmen seien und damit rechtzeitig abgesetzt werden mussten und zweitens gab es keine Tests auf Testosteron. Manfred Donike nutzte lediglich vorhandene Proben der Spiele von Lake Placid und Moskau für entsprechende Analysen zu Forschungszwecken. Dabei galt ein Verhältnis von Testosteron zu Epitestosteron von 1:6 als unterste Grenze zum Doping (heute gilt 1:4). Er stellte fest, dass 10 % der in Moskau kontrollierten Sportler sicher mit Testosteron gedopt waren, möglicherweise waren es sogar 15 bis 20 %. Der Anteil war bei den Frauen etwas höher als bei den Männern. Später ruderte Donike jedoch zurück und meinte, er habe keine Zahlen genannt.

Dr. Arnold Beckett, 1980:
„Not all the blame should be put on the athletes. … The people behind them should be kicked out.. … The competition should be between individual athletes, not doctors and pharmalogists. We don’t want sports people used as guinea pigs to boost the doctors behind them.“

Monique Berlioux, IOC-Sekretärin, 1980:The greatest challenge is „the growing influence of politics in sport and the manipulation of athletes with drugs and the fabrication of an artificial human being.“ (Th. Hunt, 2011, S. 64/65)

Eine australische Regierungsstudie von 1989 bestätigte den hohen Anteil dopender Hochleistungssportler im Jahr 1980 weltweit:

„Es gibt so gut wie keine Medaillengewinner der Olympischen Spiele von Moskau, und sicherlich keinen Goldmedaillengewinner … der nicht das eine oder andere Dopingmittel (drugs) eingenommen hatte: gewöhnlich sogar mehrere. Die Moskauer Spiele können sehr wohl Chemiespiele genannt werden.“ (Studie ‚Drugs in Sports, 1989, zitiert nach Th. Hunt, 2011)

Thomas Hunt zitiert auch Andrew Jennings, dem ein KGB-Colonel berichtet hatte, dass drei als sowjetische Antidopingfunktionäre getarnte KGB-Spitzel dafür gesorgt hätten, dass sowjetische Athleten ebenso wie schwedische und ostdeutsche Athleten, nicht mit positven Proben aufgefallen sind. (A. Jennings, The new Lords of the Rings‘).

David Jenkins, britischer Mittelstreckenläufer, ab 1980 selbst Produzent und Händler anaboler Steroide (verurteilt 1988), gestand von 1975 bis 1980 in Vorbereitung auf die Olympischen Spiele mit anabolen Steroiden gedopt zu haben.

1981 bzw. 1989 gestanden Kaarlo Maaninka, Goldmedaillengewinner über 5 000 und 10 000 Meter und Alexander Antipov, dass sie mit Bluttransfusionen fit gemacht worden waren. Diese Methode stand aber 1980 noch nicht auf der Verbotsliste.

1983 konnte Manfred Donike Wachstumshormone (Somatropin) in seinen Analysen finden. Er äußerte die Vermutung, dass das Mittel sowohl im Osten als auch im Westen längst bekannt sei und angewandt werde, auch schon zu den Spielen von Moskau.

Olympische Spiele 1984 Sarajewo und Los Angeles

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Zitat aus der NZZ, 4.7.1984

1982 kam Testosteron auf die IOC-Dopingliste, da ein Nachweisverfahren zur Verfügung stand (ein Testosteron/Epitestosteron-Verhältnis über 1:6 galt als Doping). Für Koffein wurde der Grenzwert, ab denen Sportler als positiv gewertet wurden, niedriger gesetzt.

Bei den Winterspielen in Sarajewo wurden 424 Kontrollen durchgeführt. Ein Athlet der nordischen Disziplinen wurde positiv auf anabole Steroide getestet (de Mondenard, 1996). Der finnische Langläufer Aki Karvonen gab 1985 zu mit Bluttransfusionen gearbeitet hatte.

Die Sommerspiele in Los Angeles wurden im Gegenzug zu Moskau 1980 von 37 Staaten boykottiert. Auch hier fand somit der Wettstreit zwischen den politischen wichtigsten Ost-West-Blöcken nicht statt.

Während der Sommerspiele 1984 in Los Angeles gab es insgesamt 1507 Kontrollen. 12 positive Fälle (11 Männer, 1 Frau) wurden festgestellt: Ein Volleyballer auf Ephedrin, 7 Sportler mit Nandrolon, 2 mit Metenon. Zahlreich waren beantragte Ausnahmegenehmigungen für Medikamente: 119 Mal betraf es Beta-2Agonisten, 67 Coricosteroide, 45 Mal Lokalanästhetika, 18 Mal Beta-Blocker.

Als gedopte Athleten wurden bekannt: der japanische Volleyballer Mikiyasu Tanaka wurde Ephedrin nachgewiesen, da dies hatte aber ein Masseur zu verantworten hatte, erging keine Sanktion; die griechische Speerwerferin Anna Verouli wurde mit Nandrolon und der finnische 10 000m-Läufer Maritti Vainio mit Metenon positiv getestet; beim Schweizer Markus Ryffel wurden Corticosteroide gefunden, die aber von seinem Arzt Segesser entschuldigt wurden, denn der Sportler habe wegen eines zuvor erlittenen allergischen Schocks aufgrund einer Infusion mit Vitaminen und Mineralien medizinisch mit Cortison versorgt werden müssen; der französische Hochspringer Franck Verzy wurde wegen eines Schmerzmittels, das er wegen akuter Kniebeschwerden erhalten hatte, aus dem Wettbewerb genommen.

6 weitere positive Fälle mit anabolen Steroiden betrafen 5 Gewichtheber und 1 Ringer. Die Gewichtheber waren der Schwede Göran Pettersson, der Libanese Mahmoud Tarha, der Algerier Ahmed Tarbi, der Österreicher Stefan Laggner und der Grieche Serafin Grammatikopoulos, bei dem Ringer handelte es sich um den Schweden Thomas Johansson.

Vor den Spielen wurde in Westdeutschland sorgte der positive Test des Bahnradfahrers Gerhard Strittmacher für Aufregung. Er wurde aus dem olympischen Aufgebot herausgenommen ebenso wie US-Diskuswerfer Ben Plucknett und US-Speerwerfer Duncan Atwood, die wegen anaboler Steroide im Vorfeld der Spiele, nicht aufgestellt worden. Mehr Glück hatte der spätere Goldmedaillengewinner des Straßenrennens Alexi Grewal aus den USA, der eine Woche zuvor positv mit Ephedrin aufgefallen war, dessen Entschuldigung aber akzeptiert wurde.

Der Kanadier Ben Johnson gestand später während der Durbin-Untersuchungen nach dem Skandal 1988, dass er bereits seit 1981 gedopt gewesen sei, somit auch in Los Angeles. 1992 wird bekannt, dass die niederländische Diskuswerferin Ria Stalman ihre olympische Goldmedaille mit anabolen Steroiden, die sie seit Jahren nahm, erreicht hatte. Zudem war sie kurz vor den Spielen an der amerikanisch-mexikanische Grenze mit 800 Anabolika-Tabletten aus der Veterinärmedizin erwischt worden und hatte eine Strafe zahlen müssen.

Auch die US-amerikanische Sprinterin Diane Williams gab zu, sich für die Olympia-Qualifikation mit Anabolika gedopt zu haben. Ihre Trainerin Pat Connolly ergänzte noch um Wachstumshormone. Zudem sei sie während der Spiele positiv getestet worden. Diese Resultate wurden aber nach Auskunft des IOC nicht weiter verfolgt, da die Ergebnisse nicht eindeutug gewesen seien.

Auch der finnische Sport hielt dopingmäßig mit. Sportmediziner Dr. Markku Alen veröffentlichte Zahlen, wonach von den 285 finnischen Sommerolympia-Teilnehmern zwischen 1976 und 1984 71 gedopt gewesen seien, davon waren 13 Medaillengewinner (der Spiegel, 02.03.1987)

Viel Aufmerksamkeit erregten die Aussagen des Radteamarztes Thomas B. Dickson, die von anderen Funktionären bestätigt wurden. Er gab an, dass das US-amerikanische Radteam, darunter die Medaillengewinner Steve Hegg, Leonard Harvey Nitz, Pat McDonough und Rebecca Twigg, Bluttransfusionen erhalten hatten. Aber auch das italienische Schwimm-Team soll entsprechend behandelt worden sein, enthüllte Aronne Anghileri, Journalist bei La Gazetta dello Sport, allerdings soll sich dies negativ auf die Leistungen ausgewirkt haben, die Schwimmer hatten versagt.

Ein Licht auf den verbreiteten Anabolika-Konsum im Gewichtheben warfen die Fälle des britischen Gewichthebertrainers Anthony Fitton, der 1982 und 1984 mit anabolen Steroiden festgenommen wurde, des deutschen Olympiasiegers von Los Angeles Karl-Heinz Radschinsky im Gewichtheben (bis 75kg), dem ebenfalls Handel mit Anabolika nachgewiesen wurde (s.o.) sowie des Finnen Pekka Niemi, Olympiasieger 1984 im Gewichtheben (bis 100kg), der wegen Kaufs illegaler Anabolika vor Gericht stand.

Wie wenig aussagekräftig die Testresultate während der Wettkämpfe waren, zeigt z. B. das Ergebnis des vorolympischen Testprogrammes des US-amerikanischen Olympischen Kommittees (USOC). Um positve Fälle zu vermeiden, wurden alle US-amerikanischen Sportler und Sportlerinnen, die zur Auswahl standen, auf verbotene Substanzen kontrolliert. Dabei sollen nach Aussagen des USOC insgesamt 86 Athleten mit verbotenen Substanzen aufgefallen sein, darunter 34 Leichtathleten (USAtoday, 8.4.2009). Insgesamt sollen 19 Medaillengewinner, darunter auch Carl Lewis, im Vorfeld der Olympischen Spiele positv getestet worden sein (BBC, 18.4.2003, cyclingnews, 29.4.2005).

1994 wurden in der BBC von Laborangestellten Anschuldigungen gemacht, wonach 9 weitere positive Fälle (darunter 5 auf anabole Steroide) nicht weiter verfolgt wurden. Beckett gab dazu an, die Unterlagen seien mysteriöser Weise im Hotelzimmer von Alexandre de Mérode verschwunden. Der kanadische Durbin-Bericht von 1990 zitiert die US-amerikanische Trainerin Pat Connolly, die angab, dass nach ihrer Kenntnis, ihren Beobachtungen, von den ca. 50 US-amerikanischen Teilnehmerinnen bei den Spielen in Los Angeles wahrscheinlch 15 Sportlerinnen, darunter auch Medaillengewinenrinnen, gedopt gewesen seien. 1992 enthüllten V. Simon und A. Jennings, dass es 1983 ein von dem USOC veranstaltetes Trainingsprogramm für Athleten gab, dass diese angeblich mit dem Kontrollablauf bekannt machen sollte, aber dazu diente, zu zeigen, wie man positive Kontrollen vermeiden konnte.

Olympische Spiele 1988 Calgary und Seoul

Die Dopingliste des IOC wurde gegenüber 1984 verschärft. Jetzt sind Bluttransfusionen und Wachstumshormone sowie Medikamente, die der Dopingverschleierung wie Diuretika dienen, verboten. Explizit aufgeführt werden auch Betrugsmethoden wie das Abliefern von Fremdurin.

1988 wurden in Calgary 492 Dopingkontrollen durchgeführt. Der polnische Eishockeyspieler Jaroslav Morawiecki wurde als einziger Athlet positiv auf anabole Steroide getestet.

Während der Spiele in Seoul gab es sieben Dopingfälle. So wurde der australische Fünfkämpfer Alexander Watson wegen Koffein-Missbrauchs während der Wettbewerbe ausgeschlossen. Auch fünf Gewichtheber waren betroffen. Zwei Bulgaren wurde ein Diuretikum, einem Spanier eine Stimulanz und zwei Ungarn anabole Steroide nachgewiesen. Damit wurde die lange Dopingtradition des Gewichthebens fortgesetzt. Dem IOC platzte der Kragen und rs drohte dem Verband ernsthaft mit dem Ausschluss aus der olympischen Familie.

Abgeordneter Baum (FDP) 1988:
„Ich habe gelesen. daß das Olympische Komitee jetzt in Calgary seine Medizinische Kommission versammelt hat. Dort ist ein Moralkodex verabschiedet worden, weil es, wie es heißt, im Vorfeld der Olympischen Spiele eine gewisse Anzahl von Zwischenfällen im Bereich des Doping gegeben hat. Also man versucht hier festen Boden unter den Füßen zu bekommen.“

der Spiegel, 27.08.1990: Urin aus dem Bierkühler

Doch die Disqualifikation des kanadischen Supersprinters Ben Johnson nach dessen Sieg über 100m stellte alle bislang bekannten Dopingskandale in den Schatten. Die weltweite Aufmerksamkeit war riesig. Plötzlich ließ sich das Anabolika-Problem nicht mehr klein halten. In den anschließenden Untersuchungen wurde zudem deutlich, dass es sich hier nicht um einen Einzeltäter handelte, sondern Arzt Jamie Astaphan und Trainer Charlie Francis seit Jahren ein Dopingprogramm verfolgt hatten.

Erstaunen rief das Verhalten des kanadischen Sprinters Mark McKoy, der von denselben Leuten trainiert wurde wie Johnson, hervor. Nach der Disqualifikation Johnsons verließ er Seoul, er sei deprimiert von den Vorfällen gewesen. Dafür wurde McKoy später für zwei Jahre gesperrt.

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>>> der Dubin-Report Charlie Francis: „Ein paar Monate hatten die Sportler Angst, und Edwin Moses meinte, die Dopingzeiten seien vorbei, weil die Athleten wieder magerer würden. Aber in der letzten Woche wurden zwei US-Weltrekordler wegen Anabolikamißbrauchs erwischt: der Kugelstoßer Randy Barnes und 400-Meter-Läufer Butch Reynolds. … Man muß als Anti-Doping-Verfechter gelten, um ungestört dopen zu können. Wären wir in Seoul nicht geschnappt worden, wären Ben und ich heute die eifrigsten und überzeugendsten Kämpfer gegen die bösen Drogen.“

Für Aufregung, zumindest in London, sorgte die Aussage von Arnold Beckett, der im britischen Fernsehen enthüllte, das Linford Christie sowohl nach dem 100m als auch nach dem 200m Lauf positiv auf Ephedrin getestet worden war. Die medizinische Kommission hatte Christie jedoch frei gesprochen, angeblich sei die Menge unterhalb einer bestimmten Grenze gewesen, nach de Mondenard war so eine Grenze aber nicht bekannt bzw. wenn es sie doch gab, hätte das Laboratorium die Proben nicht als positiv melden müssen.

Im Vorfeld der Spiele wurden einige Sportler positiv getestet und daraufhin nicht nominiert: der US-amerikanische Radfahrer Steve Hegg wegen einer positiven Probe auf Koffein, die US-amerikanische Schwimmerin Angel Myers, ein schwedischer und vier kanadische Gewichtheber aufgrund von Anabolika. Der Dubin-Report enthüllte wenig später, dass das gesamte kanadische Gewichtheber-Team manipuliert hatte (der Spiegel, 27.8.1990, Urin aus dem Bierkühler).

Nach den Spielen untersuchte Manfred Donike in Köln 1600 Urinproben der Spiele mit einer von ihm seit Langem favorisierten Methode, die gegenwärtig wieder Aufschwung erfährt. Er legte Steroidprofile an, mit deren Hilfe er zu dem Schluss kam, dass 5 % der Athleten, ca. 50 männliche Sportler, in Seoul im Vorfeld der Spiele gedopt aber die anabolen Steroide rechtzeitig abgesetzt hatten, damit sich keine positiven Befunde ergaben. M. Donike dementierte aber später, er habe nie Zahlen genannt, was wiederum bestritten wurde (der Spiegel, 26.6.1989: Barer Unsinn).

Trainerin Pat Connolly, schätzte laut Dubin Report den Anteil der gedopten Frauen auf 40 % und spricht von vielen Gerüchten und Unterstellungen.

In der bereits genannten australischen Studie werden folgende Zahlen für diesen Zeitrahmen genannt: Insgesamt würden 70% der australischen Sportler, die an internationalen Wettkämpfen teilnähmen, sich dopen. In Seoul seien 25% der australischen Sportler gedopt gewesen.

Wenige Jahre später wurde zudem bekannt, dass der schweizer Olympiateilnehmer und Weltmeister im Kugelstoßen Werner Günthör ebenso wie beiden deutschen Kugelstoßer Claus-Dieter Föhrenbach und Kalman Konya in Seoul gedopt waren (s.o.).

der Spiegel, 30.6.1985:
„Aus einem US-Trainingslager im Olympiajahr 1984 wurde inzwischen eine Frankensteinsche Szene bekannt: In einem Zimmer des Motels Ramada Inn in Carson (Kalifornien) ruhten im Doppelbett ein Bahnradler und ein Verwandter. Ein Arzt kontrollierte die Bluttransfusion an den Athleten.
Sieben Olympiastarter nahmen nacheinander Blut auf, John Beckman von seiner Frau. Vier, darunter Steve Hegg und Leonard Nitz, erkämpften in Los Angeles Medaillen. Drei behandelte Fahrer brachen ein. Mark Whitehead klagte: „Ich wurde krank und ruinierte mich für die Olympischen Spiele.“

der Spiegel, 15.5.1988:
„Wohin dieser Weg führen kann, zeigte sich schon vor vier Jahren in Los Angeles beim Modernen Fünfkampf. Vor dem Schießen stopfen sich ganze Nationalteams mit Betablockern voll. Die treffsicheren Patienten hatten allesamt ärztliche Atteste für passende Gebrechen vorgelegt. Der Verband akzeptierte, die Dopingschützen durften die Medaillen ganz legal ausschießen.“

NZZ, 19.5.1984:
„Robert Kerr kam als aktiver Rugbyspieler bereits vor knapp zwanzig Jahren mit anabolen Steroiden in Berührung. Zwölf Jahre lang verwendete er das Schweizer Produkt «Dianabol», ungünstige Neben- oder Nachwirkungen will er keine festgestellt haben. Daraus zieht er den Schluss, dass bel massvoller und medizinisch vorgeschriebener Anwendung der Steroide keinerlei negative Auswirkungen zu befürchten seien. Eine imposante Anzahl von Sportlern, darunter Olympia-Athleten aus über einem Dutzend Ländern und Weltrekordinhaber, hat Kerr Vertrauen geschenkt – nicht zuletzt deshalb, weil unter Anleitung des kalifornischen Arztes die entsprechenden Dopingtests anstandslos passiert wurden, in Caracas und anderswo. Wer allerdings glaube, anabole Steroide auf eigene Faust verwenden zu müssen, gefährde die eigene Gesundheit aufs schwerste, betont Dr. Kerr. Zahlreiche Sportler, vor allem in Kraft-Disziplinen (Gewichtheber, Kugelstößer, Diskus- und Hammerwerfer), wollen die Stärkung der Muskulatur nicht geduldig abwarten sondern schlucken Präparate in grossen Mengen. Dass dabei Nierenschäden und andere Nebenwirkungen auftreten, sei so nahelirgend wie die Entstehung von Magengeschwuren bei ungezügeltem Gebrauch von Aspirin, meint Kerr.“

Thomas Hunt, 2011:
Der amerikanische Sport stand unter hohem politischem Druck (Roanld Reagan). Einerseits sollte offiziell nicht gedopt werden, andererseits mussten sie im Interesse der ‚freien‘ Welt gewinnen, insbesondere gegenüber der Sowjetunion.
Mike Fraysse, US Cycling Federation, verantwortlich für das Blutdoping-Programm: „We’ve been looking into this stuff for years and years and years. We weren’t gonna fall behind the Russians or East Germans any more.“

Monika 2011, Ergänzungen