Frankreich Doping Geschichte(n)
die französische Anti-Doping-Gesetzgebung – 1965 bis heute
>>> das aktuelle Gesetz, LOI n° 2021-194, letzte Änderung 23.2.2021
1965 erstes französisches Anti-Doping-Gesetz:
Loi n°65-412 du 1 juin 1965 TENDANT A LA REPRESSION DE L’USAGE DES STIMULANTS A L’OCCASION DES COMPETITIONS SPORTIVES. JORF du 2 juin 1965
veröffentlicht im Journal Officiel de la Republique francaises, n° 26.
Dem Gesetz zugeordnet war eine Liste der verbotenen Medikamente, s. Décret vom 10. Juni 1966. Anmerkung am Rande: 1968 wurde hier der international gebräuchliche Begriff ‚Doping‘ anstelle des französischen ‚dopage‘ übernommen.
Das Minsterium für Jugend und Sport gab 1968 zu dem Gesetz folgende Erläuterungen:
>>> Was ist Doping? / Quèst-ce que le doping? – Was ist Doping?
>>> Lutte sur le plan judiciaire et plan fédéral – Erläuterungen zum Gesetz
>>> Réponses à quelques problèmes de pratique – Praxisprobleme
Eine besondere Rolle im Antidopingkampf kam bereits 1965 den Mediznern zu. Im Zentrum der Diskussion standen vor allem die Fragen nach der ärztlichen Therapiefreiheit und des Arztgeheimnisses. Wo lagen die Grenzen? Diese Fragen wurden auch in den folgenden Jahrzehnten immer wieder diskutiert, auch kontrovers.
1977 Bilanz der Wirksamkeit des Gesetzes
1977 fällt die Bilanz über die Wirksamkeit des Gesetzes sehr negativ aus. Pierre Dumas, Chefmediziner des Französischen Radsportverbandes F.F.C. schreibt 1977 in ‚Le Dopage des sportifs‘, CUJUS 1979, es handele sich mittlerweile um ein kastriertes Gesetz. Die aktuellen juristischen Prozesse würden aufgrund der konsumierten Amphetamine nach dem Anti-Drogen/Rauschmittel-Gesetz durchgeführt. Das hätte den Vorteil, dass damit gegen die Lieferanten der Drogen ermittelt werden könne. Der Handel damit sei hoch profitabel.
Pour terminer et introduire plus directement les débats, je dirai un mot des dernieres histoires que nous avons eues. Les procés qui sont actuellement engagés ne sont pas fondés sur la loi de 1965 dont on parlera cet après-midi. Comme vous le savez sans doute, cette loi à été émasculée. Mais il se trouve que les stimulants, en particulier les amphétamines, sont au tableau B, ce qui nous a permis de demander et d’obtenir que les poursuites soient engagées en application de la loi sur les stupéfiants qui est efficace et qui nous permettra d’obtenir la poursuite et la condamnation des fournisseurs. Car c’est un «job » qui rapporte beaucoup. Une ampoule d’amphétamine valant a peu près dix francs se vend mille francs, voire deux mille francs si elle est rayée ou grattée. Moins on sait avec précision ce qu’elle contient, plus sa valeur augmente du point de vue de la psychologie du dopé!
Dr. M. Massé vom Rechtswissenschaftlichen Institut der Universität Poitiers, führt aus, dass bis 1977 aufgrund des französischen Antidoping-Gesetzes lediglich zweimal Prozesse stattgefunden hätten. Damit stünde die französische Praxis in Gegensatz zu der belgischen. Das belgische Antidoping-Gesetz, ebenfalls 1965 erlassen und inhaltlich vergleichbar, würde regelmäßig angewandt werden, zwischen 1968 und 1974 habe sich allein das belgische Cassationsgericht fünfmal mit Urteilen auf der Grundlage des Antidopinggesetzes befassen müssen.
In Frankreich wurden 1967 Gilbert Bellone und Michel Jacquemin angeklagt. Nach Libération vom 3.8.1998 waren 1966/1967 zwar 17 juristische Verfahren eingeleitet worden aber nur Gilbert Bellone musste sich einem Prozess stellen. Er war neben anderen nach der Tour de France-Etappe Royan-Bordeaux positiv getestet worden. Bellone wurde verurteilt aber 1969 zweimal frei gesprochen, zuletzt vom Berufungsgericht in Bordeaux. Er hatte angegeben mit den gefundenen Substanzen eine schwere Grippe behandelt zu haben.
Michel Jacquemin wurde nach der vorletzten Etappe der Tour de France 1967 zusammen mit seinen Teamkollegen René Bingelli und Herbert Wilde (die drei Erstplazierten) der belgischen Mannschaft B „Les Diables Rouges“ Amphetamine und Metylamphetamine nachgewiesen. Jacquemin wurde angeklagt. Er gab an, von dem Pfleger der Mannschaft Depauw Maurits Vitaminspritzen erhalten zu haben. Der Pfleger leugnete dies und bestritt zudem, den Fahrer mit den Vitamin-Ampullen beliefert zu haben, die in dessen Gepäck gefunden worden waren. Er habe seinen Fahrern lediglich vor den Rennen Vitamin C-Tabletten gegeben. Jacquemin wurde frei gesprochen, da ihm nicht nachgewiesen werden konnte, absichtlich gedopt zu haben.
>>> das Urteil vom 24.12.1969 des Tribunal correctionnel de Versailles
Nach Libération wurden bis 1989 keine weiteren Sportler wegen Dopings angeklagt.
Die Doping-Prozesse, die in Frankreich nach 1967 stattfanden, wurden demnach nicht auf der Grundlage des Antidoping-Gesetzes durchgeführt, sondern nach dem Anti-Drogengesetz. Eine Auflistung der Prozesse und Affairen ist >>> hier auf doping-archiv.de einzusehen.
Am 29. Oktober 1975 wurde ein erstes französisches Gesetz zum Sport verabschiedet, das Gesetz „Mazeaud“ (développement de l’éducation physique et du sport). Darin und in Verbindung mit weiteren Regierungserlassen werden den einzelnen Sportverbänden Auflagen gemacht dahingehend, dass sie nun selbst verstärkt verantwortlich sind für Dopingkontrollen und deren Sanktionen, insbesondere aber, dass deren eigene sportrechtlichen Regelungen nach französischem Recht vereinheitlicht werden mussten, so dass nicht mehr jeder Verband machen konnte, was er wollte. Die Verbände wurden nun stärker in die Pflicht genommen, ihnen wurde mehr Verantwortung übertragen. Unter anderem sollten sich die Sportler von den Verbänden organisierten medizinischen Kontrollen unterwerfen (>>> Geschichte der franz. Langzeituntersuchungen für Sportler, den Suivi Longitudinal). Professor François Alaphilippe, Universität Limoges, meinte zu den Verordnungen von 1977, es könne der Eindruck entstehen, als ob der Gesetzgeber seinen eigenen Strafgesetzregelungen misstraute.
Das Kontrollreglement unter dem Gesetz von 1965 sieht 1979 wie folgt aus:
1989 1. Änderung des französischen Anti-Doping-Gesetzes, Loi Bambuck
>>> das Gesetz vom 28. Juni 1989, erste Fassung
Die wichtigsten Neuerungen:
Unter 3.1.1. wird nun auch Doping im Training erfasst. Verboten ist nun auch die Anwendung, Verabreichung und die Anstiftung zur Anwendung durch das Umfeld des Sportlers. Die Ärzte sind daher verpflichtet die Sportler zu informieren, wenn sie aus ärztlichen Gründen verbotene Medikamente verschreiben oder verbotenen Methoden anwenden.
Unter 3.1.2. wird die Pflicht zur Doping-Prävention fest geschrieben. Verlangt werden
– eine Informations-Kampagne an Schulen,
– Weiterbildungs-/ Aufklärungsprogramme für Ausbilder, Lehrer, Trainer und Sportmediziner,
– ein Forschungsprogramm über die kurz- und langfristigen Nebeneffekte von Doping-Substanzen sowie über die Präparierung/ Vorbereitung von Hochleistungs-Athleten,
– die gesetzliche Fortschreibung eines speziellen medizinischen Begleitprogrammes für Hochleistungsathleten, mit Hilfe dessen die Sportler systematisch medizinisch überwacht werden können sowie die Schaffung der dafür notwendigen Infrastruktur (le suivi médical longitudinal). (Zur Geschichte dieses Programmes, dessen Anfänge in den 1960er Jahren liegen, siehe N. MENNETREY, 1999-2000.)
Unter 3.1.3 wird die Schaffung einer nationalen Kommission zum Kampf gegen Doping eingerichtet. Sie setzt sich zu gleichen Teilen zusammen aus Regierungsvertretern, Sportfunktionären, Spitzenathleten und Experten, insbes. in Antidoping-Fragen. Die Kommission soll dem Sportministerium zuarbeiten. Sie kann auch aktiv werden, wenn ihrer Meinung nach Verbände ungenügende Sanktionen ergriffen haben oder überhaupt nicht aktiv wurden.
Prof. Christophe Brissonneau fasst das Gesetz von 1989 zusammen:
>>> La loi du 28 juin 1989 met des flous avec le rééquilibrage hormonal
LES DISPOSITIONS INSTAUREES PAR LA LOI DU 28 JUIN 1989
1999 2. Änderung des französischen Antidoping-Gesetzes, Loi Buffet
>>> Anti-Doping-Gesetz vom 23. März 1999
2006 3. Änderung des Französischen Anti-Doping-Gesetzes, Loi Lamour
>>> loi n°2006-405 vom 5. April 2006
Die Entwicklungen / Änderungen des Gesetzes ab 1965 sind >>> hier dokumentiert.