Fußball und Doping: Deutschland (BRD)

Fußball: Doping-Affairen in Deutschland (BRD)

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Wie gehabt…

DFB 2013: Bekenntnis ohne Wenn und Aber:
„Gerade während der vergangenen Jahrzehnte wurde der Sport insgesamt, besonders aber der Radsport und die Leichtathletik, von immer neuen Doping-Skandalen erschüttert. Immer mehr Geld war zu gewinnen, immer stärker die Wirkung der Spritze – und immer häufiger erlagen auch Spitzensportler der Versuchung.

Der Fußball ist eine der wenigen Ausnahmen. Jährlich führt die FIFA weltweit über 20.000 Dopingkontrollen durch, wobei die Quote der positiven Proben bei rund einem halben Prozentpunkt liegt.“

Prof. Winfried Kindermann, langjähriger DFB-Teamarzt wurde 2006 nach den ersten Gerüchten, wonach Fußballer zu den Klienten des Dopingarztes Eufemiano Fuentes gehört haben sollen, zu seiner Einschätzung der Dopinghäufigkeit und -anfälligkeit im Fußball befragt. Kindermann bestätigt, dass Doping im Fußball durchaus Sinn machen kann, insbesondere mit EPO. Er sieht allerdings kein Teamdoping gegeben, eher nur bei einzelnen Spielern, die sich heimlich einen Vorteil verschaffen möchten.

„Es gibt sicherlich dopingträchtigere Sportarten. Aber mit der richtigen Substanz können natürlich auch Fußballer ihre Leistung steigern. Wenn man etwa Anabolika schluckt, um Muskeln aufzubauen, kann das auf Kosten der Beweglichkeit gehen. Aber es gibt ein Präparat, das viel Sinn machen würde – und das ist Epo. Es ist das Turbomittel zur Steigerung der Ausdauer. Außerdem ist Epo schwerer nachzuweisen als etwa Stimulanzien. … Doping findet in kleinen, verschwiegenen Zirkeln statt, da weiß der Teamarzt möglicherweise gar nichts davon. Einzelne Spieler machen das, außerhalb des Trainingsgeländes, niemals die ganze Mannschaft. … Zunehmende Kommerzialisierung, die steigende Anzahl von Wettkämpfen und wachsender öffentlicher Druck führen zu Doping. Wenn ein Spieler der Belastung nicht mehr gewachsen ist, dann macht er sich natürlich Gedanken, wie er seine Defizite ausgleichen kann.“

Kindermann geht noch weiter und antwortet auf die Frage, warum ‚Fußball-Gewaltige‘ gerne den Anschein erwecken, Doping gäbe es im Fußball nicht:

Das ist eine alte Denkweise, die aber langsam ausstirbt. Überall wo Spitzensport betrieben wird, versuchen manche zu manipulieren. Der Mensch ist so. Ich betrachte daher auch die in Mode gekommenen Nahrungsergänzungsmittel wie Kreatin skeptisch. Das ganze Gerede darüber fördert für mich nur die Dopingmentalität.“ (der Spiegel, 11.12.2006)

Theo Zwanziger, damaliger DFB-Präsident, teilte diese Meinung anscheinend nicht. Wenige Monate später stimmte er in den bekannten Refrain ein:

So „ist der Fußball als Mannschaftssport nicht so anfällig, weil er komplexer ist als andere Sportarten, in denen es allein auf Ausdauer oder Sprintfähigkeit ankommt“…. Er sei aber nicht so beunruhigt, weil die seit 1988 im deutschen Fußball praktizierten Dopingkontrollen relativ wenige Verstöße gezeigt hätten.“ (Focus, 18.6.2007)

Prof. Tim Meyer, DFB-Mediziner, sah es vor der EM 2008 genauso:

„Ich zähle den Fußball aber unter Dopinggesichtspunkten nicht zu den höchstgefährdeten Sportarten. Die leistungsbestimmenden Faktoren sind zahlreich und die sportliche Leistungsfähigkeit ist daher nicht ganz so leicht zu beeinflussen wie in einfacher strukturierten Sportarten. Selbst wenn man einen Fußballprofi ausdauernder oder schneller durch Doping machte, wäre das zwar ein Vorteil, der aber nicht so gravierend ins Gewicht fiele wie in reinen Ausdauer- und Schnellkraftsportarten. Beim Fußball fiele daher vermutlich eine Kosten-Nutzen-Abwägung für jemanden, der Doping in Erwägung zieht, nicht so toll aus. Kontrollen sind zwar nie perfekt, aber in einer zunehmenden Zahl vorhanden, so dass den Fußballprofis das Risiko des Karriereendes droht, wenn sie dopen. Der leistungssteigernde Effekt, den man erzielen kann, ist weitaus weniger gesichert als im Radsport, wenn man Epo nimmt. Ich sehe aber beim Fußball durchaus Gefahren im Umfeld von Profis – also da, wo der Vereinsarzt etwas gar nicht mitbekommt. Diese Gefahren werden natürlich noch gesteigert durch hohe Verdienstmöglichkeiten, einsatzabhängige Bezahlung und lange Rekonvaleszenzzeiten, in denen der Frust wächst. Da darf man nicht naiv sein.“ (FAZ, 24.5.2008)

Wilhelm Schänzer, Dopinganalytiker an der Sporthochschule Köln, sieht im Weltfußball und in der deutschen Szene ebenfalls wenig Grund zur Sorge. Vor allem nachdem 2015 der DFB auch die Wettkampfkontrollen an die NADA abgegeben hat, sieht er den Fußball auf gutem Weg. Ausschließen möchte er jedoch nichts. Zumal die verschiedenen Möglichkeiten der Leistungsbeeinflussung und der Manipulation im Fußball durchaus sinnvoll sein können.

„Die Nationale Anti-Doping-Agentur stuft Fußball als eine Sportart mit mittlerem Dopingrisiko ein – anders als etwa Leichtathletik, Gewichtheben oder Schwimmen. Ein Fußballer kann durch Doping ja weder seine Technik noch das Mannschaftsspiel verbessern. Allerdings ist im Fußball auch eine optimale Kondition wichtig, genauso wie gute Kraft- und Schnellkraftwerte. Da kann der eine oder andere Kicker schon auf die Idee kommen, mit bestimmten Mitteln seine Leistung zu verbessern.“ (die Zeit, 5.3.2009, dpa, 3.3.2015, sportschau.de, 10.8.2015)

Professor Perikles Simon attestierte dem Fußball zwar eine hohe Wirksamkeit von Dopingsubstanzen, sieht dass Doping in weiten Teilen betreff Leistungssteigerung sehr sinnvoll sein kann, nimmt aber an, dass im deutschen Fußball die Zahl der dopenden Spieler bei ca, 6-7 % liegen könnte. (SWR, 18.3.2015)

Trotz aller Äußerungen, die die geringe Dopinganfälligkeit im Fußball hervorheben, geriet die Kontrolldichte im deutschen Fußball in die Kritik. Regelmäßig im Wettkampf und vor allem im Training werden nur wenige Topspieler kontrolliert. Die Mehrheit der Profis hat selten damit zu rechnen. Daniel Drepper rechnete 2010 hoch:

„Im Fußball für die laut DFB 1200 Spieler der ersten beiden Ligen inklusive der Kontrollen der Nationalspieler 500 Trainingskontrollen. Wobei sicherlich ein Großteil auf die 50 Männer- und Frauen-Nationalspieler entfällt, viel bleibt da für die restlichen Spieler nicht übrig. Ich überschlage grob, dass ein durchschnittlicher Fußball-Profi statistisch gesehen in Deutschland alle vier Jahre im Training kontrolliert wird.“ (D. Drepper, 9.12.2010)

Im Januar 2012 nannte er neue Zahlen. Danach kamen 2011 auf 5000 Spieler 1659 Urinkontrollen, die direkt nach den Spielen genommen wurden wobei die erste Liga häufiger getestet wurde als die darunter liegenden. Trainingskontrollen werden von der NADA durchgeführt.

„121 Mal hat sie die 50 Männer- und Frauennationalspieler in der vergangenen Saison im Training kontrolliert. Die etwa 1150 übrigen Spieler der ersten beiden Bundesligen bekamen im Training 379 Mal von der NADA Besuch. Jeder dieser Profis wird also auch im Training durchschnittlich alle drei Jahre kontrolliert. Für Profis unterhalb der zweiten Liga gibt es überhaupt keine Trainingskontrollen.“

Persönliche whereabout-Meldungen mussten nur 50 Nationalspieler abgeben, alle anderen wurden im Rahmen der Mannschaft gemeldet. Nationalspieler müssen allerdings noch gelegentliche Kontrollen durch die FIFA gewärtigen (D. Drepper, 24.1.2012) .

Tim Meyer nahm das gelassen, die Nationalmannschaft sei ausreichend kontrolliert doch auch generell sieht er wenig Anlass etwas zu ändern:

„Generell habe ich ziemliche Zweifel, dass wir eine größere Dopingsicherheit erzielen, wenn wir das Geld für Kontrollen vervielfachen.“ (Tagesspiegel, 11.1.2011)

Nicht berücksichtigt wird bei dieser Argumentation die Frage, wie kann es sein, dass Sportler, insbesondere Fußballspieler Verletzungen häufig in Rekordzeit ausheilen. Fitspritzen ist seit Jahrzehnten ein gängiger Begriff für dieses Phänomen. Das wird, so scheint es, oft hingenommen, wenn auch misstrauisch, aber selten erfährt die Öffentlichkeit etwas über die Mittel, die eingesetzt werden. Auch hierfür gelten Dopingbestimmungen. Stefan Matschiner, der seine umfangreichen Dopingerfahrungen als Sportler und Sportmanager freimütig offenbarte, erklärte dazu in Richtung Fußball am 5.7.2011 in Bayern3:

„Ich habe ja auch Fußballer betreut und wir wissen auch was Fuentes in Spanien gemacht hat und ich weiß auch, was ein Teamarzt eines bayrischen Fußballvereins über die Jahre hinweg jetzt auf die Füße oder auf die Beine gestellt hat. … In dem Fall z.B., man wundert sich oft, … und das war in der Vergangenheit auch so, warum kann ein Fußballer mit einem Muskelfaserriss, der bei Otto Normalverbraucher erst nach sechs Wochen ausgeheilt ist, wie kann der nach 14 Tagen oder nach 3 Wochen voll im Saft am Fußballfeld stehn. Ja, du spritzt einfach dort, wo die Muskelfaser gerissen ist, eine ganz geringe Menge Testosteron hin. Ist alles Doping, ist alles verboten. Nur in den 80er 90er Jahren alles kein Problem. … (Bayern3, 5.7.2011)

2013 kam es dann nach langen Verhandlungen zu einer Einigung zwischen DFB, DFL und NADA bezüglich Blutkontrollen in der Bundesliga ab der Saison 2013/2014. Die absolute Zahl der Kontrollen bleibe gleich, 15 % davon werde nun aber für Blutkontrollen aufgewendet. Man wolle glaubwürdig bleiben (sid, 17.7.2013). Die damit verbundene geringe absolute Zahl von lediglich 75 Blutkontrollen auf 1000 Sportler brachte dem DFB schnell heftige Kritik ein, so dass der verband sich genötigt sah, zu verkünden, er werde alles noch einmal überdenken.

Heiko Striegel, Vereinsarzt des VFB Stuttgart und Antidoping-Beauftragter des LSB Baden Württemberg unterstützte letztlich das Kontrollprogramm des DFB. In einem Interview mit dem Deutschlandfunk am 25.8.2013 spricht er davon, dass er die Einführung von Blutprofilen kritisch sieht. Und geringere Wettkampfkontrollen im Vergleich zu anderen Sportarten würden durch die vielen Wettkampfkontrollen – so gut wie jede Woche Wettkämpfe – ausgeglichen. Allerdings befürwortet er nicht nur Spieler des Nationalkaders in das ADAMS-System aufzunehmen und damit Trainingskontrollen zu Hause zu ermöglichen. Offen blieben in diesem Interview aber Fragen wie: warum der Dauerspielbetrieb Spieler vom Doping abhalten sollte und weshalb angesichts der kurzen Nachweiszeiten der wichtigsten Dopingmittel, die zudem überwiegend in Trainingszeiten zum Einsatz kommen, Trainingskontrollen mit Wettkampfkontrollen gleichgesetzt werden. (dradio: „Eine der am häufigsten kontrollierten Sportarten“, 25.8.2013)

Am 3.3.2015 fasste der DFB sein Kontrollprogramm wie folgt zusammen: DFB: 2.200 Doping-Kontrollen pro Saison. Ab der Saison 2015/2016 übernahm die NADA die Wettkampfkontrollen in der Bundesliga, der 2. Bundesliga, der 3. Liga sowie in den Frauen- und Junioren-Bundesligen und im DFB-Pokal. Die Trainingskontrollen obliegen der Agentur bei der deutschen Frauen- und Männer-Nationalmannschaft sowie in der 1. und 2. Bundesliga (Stand März 2015). Betroffen sind in der Bundesliga 1200 Spieler. (SWR, 18.3.)

Wie hoch ist die Dopingrate tatsächlich? Es gibt in den letzten Jahren kaum positive Fälle im deutschen Fußball.

Es bleibt viel Spekulation, viel Verdacht, belastbare Zahlen fehlen. Doch eine Befragung unter deutschen, schwedischen und spanischen Profifußballern verschiedener Ligen 2014 erbrachte eine Dopingwahrscheinlichkeit zwischen 9,8 und 35,1 Prozent. In der vom ehemaligen Fußballprofi Lotfi El Bousidi durchgeführte Studie an der FernUniversität Hagen, veröffentlicht im Juli 2016, wurden folgendes fest gehalten:

„Zwischen 14 und 28,8 Prozent der befragten Deutschen waren im Befragungsjahr gedopt. In Schweden waren 14,5, in Spanien 31,3 Prozent der Befragten gedopt.“ … „Die meisten haben die Augen geschlossen und etwas genommen, was ihnen Ärzte ihrer Arbeitgeber gespritzt oder zum Schlucken gegeben haben. Besser nichts Genaues wissen…“ … „Er fragte die Teilnehmer auch: Würden Sie gefährliche Präparate nehmen, wenn Sie sicher sind dass Sie nicht erwischt werden? Die gesamte Befragung erfolgte anonym. Lotfi El Bousidi: „Viele sagten: ‚Ja, das würde ich, wenn ich meine Leistungen dadurch erheblich steigern könnte.‘

Auch wenn diese Untersuchung nicht repräsentativ ist, entsprechen diese Zahlen Studienergebnissen aus anderen Sportarten. (DLF: „Ich will einen Denkanstoß geben“, 17.7.2016)

frühe Experimente mit Sauerstoff

Erik Eggers:
Es gibt schon Berichte aus den 30er Jahren, wo deutsche Nationalspieler angeblich sogenannte Wunderpillen geschluckt haben, es gab auch Fußballer, die in Zeitschriften damit geworben hatten schon in den 30er Jahren. Das waren Aufputschmittel, und das waren hormonelle Präparate, die damals ja auch schon ausprobiert wurden, und es gibt auch schon Berichte für den englischen Fußball Ende der 30er Jahre, dass solche Dinge dort probiert worden sind.

Doping oder nicht? Mit Sauerstoffgaben wurde schon Anfang des 19. Jahrhunderts experimentiert. 1932 wurden das gute Abschneiden der japanischen Schwimmer bei den Olympischen Spielen mit Sauerstoff in Verbindung gebracht. Im Zusammenhang mit Fußball wird diese Methode in den 40er Jahren erwähnt. Anfangs der 50er Jahre nahm das Interesse an dieser Methode schnell zu, das Einatmen reinen Oxygens machte Karriere. Aus Südamerika brachten die Portugiesen die Methode nach Europa, die Spanier folgten und wenig später hingen auch die Spieler der Frankfurter Eintracht am Inhalationsgerät.

„Vereinsarzt Dr. Runzheimer lieh sich das Gerät aus einem Krankenhaus und ließ seine Elf am 16. November in der Halbzeitpause des Spiels gegen die Offenbacher Kickers zwei, drei Minuten lang inhalieren. Die Wirkung war erstaunlich. Sei es, daß die Frankfurter von Haus aus skeptischer waren als die Südländer, sei es, daß man ihnen die wohltätige Wirkung nicht überzeugend genug in die Köpfe gehämmert hatte – jedenfalls gerieten sie in einen fürchterlichen Ansturm des Gegners, den sie nur mit großem Dusel überstanden. Bald allerdings gewöhnten sich auch die Frankfurter an die Oxygen-Flasche und schluckten brav, bis der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hellhörig wurde und mißbilligte.

International und national wurde kontrovers diskutiert, ob mit den Sauerstoffgaben überhaupt eine Leistungsverbesserung möglich sei. Dabei kam auch die Frage auf, ob es sich dabei um verbotenes Doping handle. Es wäre in Deutschland durchaus möglich gewesen eine entsprechende Einordnung nach der seit 1952 gültigen Definition des DSB und der deutschen Sportärzte vorzunehmen: „Die Einnahme eines jeden Medikaments – ob es wirksam ist oder nicht – mit der Absicht der Leistungssteigerung während des Wettkampfes ist als Doping zu bezeichnen.“ (der Spiegel, 19.05.1954: Sauerstoff-Stürmer)

Mit der Zeit schwanden die skeptischen Stimmen.

„Die Fachpresse wie die Pariser l’Équipe und der Münchener Sport-Kurier forderten die Fußballfunktionäre indes dazu auf, dem Leistungsvermögen mit Sauerstoff nachzuhelfen. Und auch der DFB und sein Bundestrainer Sepp Herberger wollten so kurz vor Beginn der 5. Fußballweltmeisterschaft womöglich entscheidende Wettbewerbsvorteile nicht klaglos hinnehmen. DFB-Pressesprecher Carl Koppehel erklärte:

„Wenn wir in die Schweiz fahren und die anderen werden mit Sauerstoff aufgepumpt, weiß ich nicht, ob wir es nicht doch ebenso machen sollten.“
Diese Mentalität, es nämlich dem Gegner, der mit verbotenen Mitteln arbeitete notfalls gleich zu tun, beeinflusste offenbar das Handeln in der Schweiz. Schon im Trainingslager experimentierte die Nationalmannschaft laut Horst Eckel mit reinem Sauerstoff. Und als Stürmer Helmut Rahn vorzeitig von einer Südamerikareise seines Clubs Rot-Weiß Essen zurückkehrte und von den dortigen Dopingpraktiken berichtete, reagierte der DFB sofort, wie sich Dr. Franz Loogen im Jahr 2003 präzise erinnerte. Erst daraufhin nämlich habe Herberger ebenfalls leistungssteigernde Präparate spritzen lassen wollen.“ (Deutschlandfunk, Sportgespräch 3.12.2006, weitgehend beruhend auf dem obigen Spiegel-Artikel)

früher Amphetaminversuch im Fußball

Der verbreitete Amphetaminmissbrauch im Sport, wie er bereits für die frühen Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts beschrieben ist, machte auch vor dem Fußball nicht halt, weder national noch international.

Erik Eggers zitiert in ‚Doping in Deutschland, 1950-1972′ aus der Dissertation des Mediziners Heinz-Adolf Heper Leistungssteigerung durch chemische Hilfsmittel im Sport‘ aus dem Jahr 1949. Heper selbst gehörte als aktiver Fußballer dem Oberligisten 1. SC Göttingen 05 an. U.a. beschrieb Heper einen Pervitin-Feldversuch an Fußballsportlern, mit hoher Wahrscheinlichkeit beim 1. FC Göttingen. Neben einigen negativen Wirkungen habe sich das Amphetamin bei einmaliger Gabe günstig auf die Leistung ausgewirkt. Heper warnte in Folge aber vor dem Konsum von Amphetaminen und anderen Dopingmitteln. (s.a. SZ, 6.10.2011)

WM 1954 verhängnisvolle Injektionen

Am 4. Juli 1954 wird deutsche Fußballgeschichte geschrieben, in der letzten Minute siegt die deutsche Elf und wird Weltmeister, das ‚Wunder von Bern‘ ist geschehen, ein Mythos ist geboren.

Doch bereits 1954 tauchten Gerüchte auf, das deutsche Team hätte heimlich nachgeholfen.

In Sportgespräch des Deutschlandfunks vom 3.12.2006 wird die Geschichte wie folgt dargestellt:

„Und als Stürmer Helmut Rahn vorzeitig von einer Südamerikareise seines Clubs Rot-Weiß Essen zurückkehrte und von den dortigen Dopingpraktiken berichtete, reagierte der DFB sofort, bis sich Dr. Franz Loogen im Jahr 2003 präzise erinnerte. Erst daraufhin nämlich habe Herberger ebenfalls leistungssteigernde Präparate spritzen lassen wollen. Als er sich mit einer entsprechenden Bitte an Dr. Loogen wandte, lehnte der Arzt den Einsatz in der Schweiz ab, wie er sich in einem Hintergrundgespräch mit Rechercheuren einer ZDF-Dokumentation erinnerte. „Ich mache keine Sauereien. Es war nämlich schon anfangs der 50er Jahre schon einiges möglich was hartes Doping betrifft.“

Erst als sich Herberger kurz vor der WM erneut an Loogen wandte, sagte der Arzt zu, konnte aber aus Zeitgründen nur wenige Spritzen auftreiben. Um diese zu sterilisieren packte Loogen in seiner Not jenen Abkocher ein, den er 1941 als Kriegsandenken aus einer zerschossenen Arztpraxis vor Leningrad mitgebracht hatte. Was dann in Spietz, dem Standort der bundesdeutschen Nationalmannschaft zwischen den WM-Spielen geschah, darüber haben die gefragten Zeitzeugen weitgehend einmütig berichtet.

Der Fürther Fußballer Herbert Ehrhardt erinnerte sich 2003 an vorbereitende Vorträge Loogens.

„Wenn Ratten diese Vitamine gespritzt bekommen, dann können diese länger im Wasser schwimmen“, habe Loogen berichtet. Die Resonanz war geteilt. Spieler wie Fritz Walter, Otmar Walter, Helmut Rahn, Werner Liebrich, Werner Kohlmeyer, Heinz Kubsch, Max Morlock, Toni Tureg, Josef Posipal und Karl Mai seien, berichtete Loogen im Jahr 2003, total verrückt von den Injektionen, die vom Arzt und von Deuser gesetzt wurden.

Andere Spieler protestierten gegen den Spritzeneinsatz. Torhüter Heinrich Kwiatkowski etwa, verweigerte sich.
„Ich war gegen jede Tablette und gegen jede Spritze. Ich habe Kraft genug gehabt, ich war gegen jedes Aufputschmittel.“

Abenteuerlich mutet die Geschichte an, die Loogen den ZDF-Rechercheuren über die Pause des Endspiels vom 4. Juli 1954 in Bern erzählt. Danach habe Herberger ihn aufgefordert Eckel eine Spritze direkt in den Bluterguss zu setzen. Der Mannschaftsarzt lehnte das ab.

Was tatsächlich in den Spritzen war, war schon im Herbst 1954 nicht mehr feststellbar. Irritierend ist aber dieses Mosaik aus Seltsamkeiten. So stellte 1954 mit Prof. Schwengler ein Arzt die Unbedenklichkeitsbescheinigung aus, der in der gleichen Klinik wie Dr. Loogen arbeitete. Grundsätzlich verdächtig bleibt ebenfalls, dass die Injektionen in der Schweiz den Charakter eines konspirativen Vorgangs besaßen. Zudem wurde Vitamin C auch 1954 üblicherweise oral eingenommen. Es sei nicht einzusehen, warum dererlei Präparate injiziert würden, schrieb deshalb der Mannheimer Chefarzt Professor Hahn im November 1954 in einem vertraulichen Brief an Sepp Herberger. Für die These, dass damals nicht Vitamin C sondern vielmehr Aufputschmittel wie Pervitin verabreicht wurden, spricht nicht nur die aus heutiger Perspektive erschreckende Naivität mit der Herberger sich auf diesem Feld bewegte, sondern auch die enge Verbindung vieler Akteure zum Miltär. Im zweiten Weltkrieg waren Spieler wie Fritz Walter bei der Fliegerstaffel der Roten Jäger untergekommen, wo einer der berühmtesten Flieger der Luftwaffe Hermann Graf gemeinsam mit Herberger Nationalspieler wie Fritz Walter vor dem Fronteinsatz schützte. Auch dem Münchner Medizinstudenten Franz Loogen war das Aufputschmittel Pervitin, das unter seinesgleichen den Status einer Wunderdroge besaß, bestens bekannt. Loogen musste auch über den massenhaften Einsatz des Pervitins als Angsthemmer im Heer, Luftwaffe und Kriegsmarine wissen. Und er hatte sicherlich auch noch in bester Erinnerung, wie die Temmler-Werke im zweiten Weltkrieg das Pervitin vorwiegend verarbeitete, nämlich in Kombination mit Traubenzucker.“

Siehe hierzu auch Erik Eggers „Die Helden von Bern – alle gedopt?“

Die Akte Purczeld, 27.3.2015

1957 untermauerte der ungarische Kapitän Ferenc Puskas den weiter schwelenden Verdacht und erzählte von Spritzen, die er in der deutschen Kabine gesehen habe und von seinem Dopingvermutungen.

Amphetamine wurden nach dem Krieg im Leistungssport europaweit, auch im Fußball, eingesetzt. Puskas Äußerungen stießen jedoch nicht auf viel Gehör, aber für eine Strafe reichte es: der DFB erteilte dem Ungarn in Deutschland Stadionverbot, das erst 1964 aufgehoben wurde. 2004 bestätigte der Berner Platzwart Walter Broennimann Puskas Aussage, ‚er habe nach dem Finale beim Putzen leere Ampullen unter Wasserablaufgittern gefunden.‘ Er habe sie der Schweizer Lebensmittelfirma Wander zur Analyse gegeben und sei um absolutes Stillschweigen gebeten worden.

Das Setzen von Spritzen musste nach den Äußerungen Puskas 1957 zugegeben werden. Mannschaftsarzt Dr. Loogen habe auf Wunsch flüssigen Traubenzucker verabreicht. Loogen spricht 2004 von Vitamin C. Doch der Amphetamin-Verdacht hielt sich hartnäckig.

J.-P. de Mondenard, 2010:
1995 lebten von den elf ungarischen Spielern des WM-Finales 1954 nur noch fünf. Sechs Spieler waren im Durchschnittsalter von 55 1/2 Jahren gestorben: drei an einem Herzinfarkt, einer an Krebs, einer an einem Hirnschlag. Was könnten die Gründe sein? Entweder waren die ungarischen Spieler noch weit intensiver ‚geladen‘ als die Deutschen oder dieser Hochleistungsfußball war besonders gesundheitsschädlich.

Die Spritzen hatten schwere gesundheitliche Schäden zur Folge. 8 Spieler der WM-Mannschaft, darunter Fritz Walter, Helmut Rahn, Heinz Kubsch und Max Morlock, erkrankten an Hepatitis, 5 der Spieler bereits 1954. Mit hoher Wahrscheinlichkeit war daran eine infizierte Spritze schuld, der Abkochapparat Loogens hatte nicht die notwendige Temperatur erreichen können. Die Erkrankung wurde bereits 1954 öffentlich diskutiert, zumindest in Frankreich. Der ‚Miroir-Sprint‘ berichtete darüber im November und stellte auch die Frage, ob die Deutschen gedopt gewesen seien. Dies wurde in demselben Artikel sogleich verneint, schließlich sei das im Fußball sinnlos. Im Januar 1955 wird in ‚Sport-Sélection‘ erwähnt, dass die Gelbsucht auch in Deutschland mit Doping in Zusammenhang gebracht werde.

Die Mehrzahl der erkrankten Spieler traten gemeinsam eine vom DFB bezahlte Kur in Bad Mergentheim an und wurden geheilt. Richard Hermann vom FSV Frankfurt stellt sich keiner Untersuchung, er stirbt 8 Jahre nach der WM an einer Leberzirrhose. Als bekannt wird, dass Trainer Sepp Herberger sich um die Witwe und die Söhne des Spielers kümmerte, tritt der DFB auf den Plan und bittet ihn, das zu unterlassen, ‚keine Aktion aus der Angelegenheit zu machen, damit kein Präzedenzfall geschaffen wird‘. Einige Jahre danach erhält die Familie vom DFB 3 000 DM. 1984 stirbt Werner Liebrich aus Kaiserslautern an Leberversagen, das auf eine Hepatitis C zurück zuführen ist. Laut Aussage des behandelnden Arztes kommt für die Infektion nur die Zeit um die WM 1954 infrage. Die zum Zeitpunkt des Todes veröffentlichte Todesursache lautete jedoch zuerst Herzversagen, erst lange Zeit später wurde die Wahrheit bekannt. (ZDF-History, Die Geheimnisse des deutschen Fußballs, 30.5.2010)

Ein Beweis für Doping mit Amphetaminen liegt bis heute nicht vor. Als 2004 in einer Sendung des ARD-Magazins „Report“ die Geschichte vorgestellt wurde, hagelte es Dementis und auch viele Kommentare taten sich schwer damit, ‚das Wunder von Bern‘ zu hinterfragen. Eine infizierte Spritze war nicht zu leugnen, aber mit Amphetaminen? (RP-online, 31.3.2004) DFB-Präsident Gerhard Meyer-Vorfelder schäumte:

„Man kann kein Jubiläum feiern, ohne dass negative Sachen ausgegraben werden. Ich gehe davon aus, dass alles rechtens war.“

Ephedrin WM 1966

1966 informierte Mihailo Andrejevic, Vorsitzender des Medizinischen Komitees der Fifa, seinen deutschen Arztkollegen Max Danz, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, über drei positive Ephedrin-Proben während der Fußball-WM in England:

Wir hatten nur zum Schluss bei der deutschen Mannschaft bei drei Spielern sehr feine Zeichen von der Einnahme eines gewissen Ephedrinmittels gegen Schnupfen entdeckt.“

Diesen Brief fanden 2011 Historiker der Berliner Humboldt-Universität. Sanktionen gab es nicht (der Spiegel, 1.10.2011). Siehe hierzu auch zu den ersten Dopingkontrollen bei einer Fußball-WM der Spiegel, 18.7.1966: Giftig ohne Gift. Bundestrainer Schön erklärte damals:

„Wir haben nichts dagegen, daß unsere Spieler untersucht werden … Wir haben nichts zu verbergen.“ Die Deutschen seien „giftig“ genug – ohne Gift.

Arnold Beckett, Direktor des Drogenkontrollcenters des Chelsea-Colleges schrieb 1980 über diese Dopingkontrollen und Beobachtungen während der Weltmeisterschaften 1966:

„Während der WM 1966, die in England stattfand, stellte man allgemein fest, dass es aufgrund der durchgeführten Dopingkontrollen viel weniger Aggressivität als erwartet gab. Eine weitere bemerkenswerte Beobachtung war: gewisse der älteren Spieler spielten nur über kurze Zeit und man vermutete, dass sie ohne Doping nicht mehr in der Lage waren gut zu spielen. Es gab insgesamt nur drei positive Fälle während der WM aber aus Zeugenaussagen ergab sich, dass diese Personen Nasentropfen gegen Schnupfen genommen hatten, denn ab dieser Zeit war es möglich im Sport verbotene Substanzen auch in Medikamenten, die in Form von Tropfen eingenommen wurden, festzustellen.“ (A. Beckett, 1980, nach de Mondenard in Les Dopés du Foot, 2012, S. 178)

Das Bekanntwerden dieser Ephedrin-Fälle 2011 veranlasste den DFB ein Gutachten in Auftrag zu geben, das klären sollte, ob Doping vorlag. Ergebnis: es war kein Doping. Erik Eggers, Mitautor des Forschungsprojektes ‚Doping in Deutschland‘ widerspricht dem jedoch (WAZ, 2.11.2012, s.a. Eggers in ‚Doping in Deutschland‘, S. 74ff).

Nils Niemeyer, ein Forschungskollege bei dem Projekt von der Universität Münster, gibt jedoch dem DFB recht. Es habe weder eine ‚konspirative‘ Verschleierung vorgelegen noch ein Dopingverstoß (sport1, 9.8.2013). Siehe hierzu auch den Bericht im Guardian vom 12.6.2014 mit dem Beckett-WM-Report von 1966.

der Einsatz von Captagon

„Im Juli 1979 kehrte der Däne Per Roentved der Bundesliga den Rücken, mit 194 Einsätzen für Werder Bremen. Kaum weg, publizierte er seine Insider-Kenntnisse der Bundesliga in seinem Buch „Die Kehrseite“. In Dänemark war die Erstauflage (10.000) schnell vergriffen, in Deutschland herrschte Aufregung. Leseprobe: „Ich weiß, dass einige Spieler von Werder Bremen sich ständig dopen. Ich glaube aber, dass sie diese Mittel nicht von unserem Vereinsarzt bekamen, sondern aus anderen Quellen.“ „(die Welt, 24.8.2011)

Captagon (Fenetyllin) ist ein Amphetaminderivat, das auch zum Dopen verwandt wurde. Vor allem im europäischen Fußball scheint das Stimulanz häufig eingesetzt worden zu sein (s.a. Kurier, Werner Kriess, 20.4.2015). So auch im deutschen Fußball. De Mondenard (2010) erwähnt, dass vier Spieler von Bayern München 1976 ihren Trainer Dettmar Cramer beschuldigt hätten, ihnen Captagon gegeben zu haben. Er zitiert auch Dr. Manfred Donike, der sagte, er wisse, dass Bayern München Captagon anwende (nach France Football, 2.2.1979). Das bestätigte auch Dr. Gerhard Raab (Duisburg), der während eines Seminars im November 1979 ebenfalls angab, dass bei den Bayern Captagon zum Einsatz gekommen sei ebenso wie Inhalationen von Ephedrin und die Gabe von Codein in Form von Sirup (nach Le Figaro, 1.4.1980).

Im Juni 2007 erklärte der frühere Bundesligatrainer Peter Neururer in der Sport Bild, dass Ende der 80er Jahre Captagon weit verbreitet gewesen sei.

„“Es ist mir bekannt, dass früher Captagon genommen worden ist. Viele Spieler waren verrückt danach“, sagte Neururer der Sport Bild: „Das war überall bekannt und wurde praktiziert. Bis zu 50 Prozent haben das konsumiert. Nicht nur in der zweiten Liga.“““

Schnell wurde dementiert, Doping im Fußball sei sinnlos. Doch Neururer blieb dabei:

„“Man sieht den Spielern den Konsum von Captagon an. Die Augen stehen anders. Der Spieler wird nicht mehr müde und neigt auf dem Platz zu Überreaktionen. Das war ein kompletter Wahnsinn, der da gemacht wurde.“ Auch Ephedrine seien zum Einsatz gekommen. (SZ, 13.6.2007)

Weitere Spieler meldeten sich. Nationaltorhüter Jens Lehmann konnte sich erinnern, Ex-Profi Günter Schlipper, Schalke 04, gab ihm recht und auch die Trainer Benno Möhlmann und Hans-Werner Moors stellten sich hinter Neururer. Schon in den 70er Jahren kam Captagon zum Einsatz. Moors erzählte selbst das Mittel eingenommen zu haben.

„„Das wurde uns damals zum Teil von offizieller Stelle als Multivitamin-Pille angeboten. Auch von Trainer Rudi Faßnacht, das ist kein Geheimnis“, sagte Moors, der zwischen 1974 und 1980 für Münster und Arminia Bielefeld 154 Zweitliga-Spiele sowie für Bielefeld 34 Bundesliga-Partien bestritt: „Es hieß: Probiert das mal, ihr braucht Vitamine. Es wird aus der damaligen Zeit viele, viele Spieler geben, die es probiert haben, ohne dass man von systematischem Doping sprechen kann. Denn die Spieler haben schnell gemerkt, dass es ihnen nichts bringt.“

Laut Möhlmann sei Captagon überall Thema gewesen, doch wäre eher von Spielern genommen worden, die nicht so gut gewesen seien und vor einem Spiel eine Nacht durchgemacht hätten. Ende der 80er Jahre sei die Substanz nicht mehr aktuell gewesen. (die Welt, 15.6.2007)

Uwe Nester berichtete, dass auch bei Eintracht Braunschweig gedopt wurde. Trainer Uli Maslo habe ihm 1980 gedrängt, sich Spritzen mit Captagon geben zu lassen. Nester erhielt Unterstützung:

„Die Teamärzte des heutigen Regionalliga-Klubs bestätigen, dass die Einnahme des Wachmachers wie offensichtlich bei vielen Fußballvereinen früher auch bei Eintracht Braunschweig gang und gäbe war. „Captagon hat damals fast jeder genommen, der ein bisschen müde war“, sagt Dr. Peter Harms, der in den 70er- und 80er-Jahren für die Blau-Gelben zuständig war. Darüber sei auch offen gesprochen worden. Kollege Dr. Jürgen Stumm, der seit den 80er-Jahren die Fußballer betreut, redet nicht drumherum: „Es gab Spieler bei uns, die Captagon genommen haben.“ (newsclick, 18.6.2007)

DFB-Chefmediziner Professor Wilfried Kindermann hingegen forderte Konsequenzen für Trainer Neururer, sollte er Behauptungen aufgestellt haben, die er nicht beweisen könne. (Reviersport, 15.6.2007, der Spiegel, 16.6.2007)

Bekannt sollte dies aber alles schon gewesen sein. Bereits 1970 und 1994 wurde in der Presse über den Einsatz von Captagon im Fußball berichtet. Auch Toni Schumacher (s.u.) hatte schon seine Erfahrungen beschrieben. 1994 zitiert der Focus aus Edwin Kleins Buch ‚Rote Karte für den DFB‘ worin auch der ehemalige Bundesligaspieler Peter Geyer (Tennis Borussia Berlin, Borussia Dortmund, Eintracht Braunschweig) zu Wort kommt. Bereits mit 19 Jahren sei er mit Captagon in Berührung gekommen und habe es jahrelang regelmäßig konsumiert.

„Peter Geyer zufolge lagen die Pillen nur so rum. Man ging an den Schrank und bediente sich. Ärzte und Masseure hätten die Pillen besorgt. Er habe ein bis zwei vor jedem Spiel genommen, andere sechs bis acht, eine Dosis, die beängstigend ist. In den sogenannten englischen Wochen, wenn zwei Begegnungen auf dem Programm stehen, habe es Probleme gegeben, weil die Spieler nach der Einnahme von Captagon zwei Nächte nicht richtig schlafen konnten. Dann fiel die Leistung in den Keller.“

Dr. Armin Langhorst, bis 1989 Arzt bei Borussia Dortmund, ergänzte, dass der für Borussia spielende Sergej Gorlukowitsch die Dopingmittel aus Rußland mit nach Deutschland gebracht hätte und die Ware bei den Teamkameraden des Weißrussen heiß begeht gewesen sei. (Focus, 21.2.1994, s.a.u.) Geyer bestätigte nach der FOCUS-Veröffentlichung in einer Sendung von SternTV von RTL seine Captagon-Erfahrungen. Dem schloss sich Rolf Grünther an, ehemals Spieler bei Preußen Münster, Alemannia Aachen und dem TSV 1860 München und später Trainer beim VfL Osnabrück, Hannover 96 und Alemannia Aachen. Er habe in den siebziger Jahren ‚das Zeug genommen, so wie ich einen Becher Mineralwasser getrunken habe.‘

„Hier habe ich Vitamine für Euch. Nehmt das, das hilft Euch, davon geht Ihr schön ab.“ Mit diesen Worten hatte ein früherer in München tätiger Trainer die weißen Tabletten vor Punktespielen an die Spieler verteilt.“ (SZ, 10.3.1994)

Erik Eggers (Doping in Deutschland, Bd 1) erwähnt einen Zeitzeugen, der in einem Gespräch berichtet hatte, dass 1961 Trainer Max Merkel von Borussia Dortmund seine Spieler zum Amphetamin-Konsum aufgefordert habe.

Und 1970 hatte Dr. Dirk Clasing behauptet,

„die meisten deutschen Fußball-Lizenz- und Vertragsspieler nähmen zur Steigerung ihrer Leistung Dopingmittel wie Captagon und Dradol.“ (Hamburger Abendblatt, 20.10.1970)

Dafür bekam er allerdings heftige Kritik zu hören.

„Der Münsteraner Arzt ist bis jetzt die Beweise für seine massiven Vorwürfe schuldig geblieben und vertritt dafür die merkwürdige These, ‚die Beweislast liege.bei den Bundesligavereinen. Kein Wunder, daß dort die Entrüstung „total“ ist. Dr. Gösmann, Präsident des Deutschen Fußballbundes (DFB), Rechtsanwalt in Osnabrück, hat Dr. Ciasing bereits ein Gerichtsverfahren wegen Verleumdung angedroht, über das in dieser Woche mit dem Vorstand des Bundesligaausschusses sowie Helmut Schön, Professor Dr. Schoberth, Ordinarius für Orthopädie und ärztlicher Betreuer der Nationalmannschaft und DFB-Masseur Erich Deuser beraten werden soll. … Aber auch aus den Reihen der Kollegen Dr. Clasings kam mehr Tadel als Unterstützung, denn es fehlt vorläufig nicht, nur an Beweisen, sondern das Beispiel Fußball war als Zielscheibe für Dopingvergehen recht unglücklich gewählt. Nicht, weil die Fußballer Engel wären und aus moralischer Überzeugung nur himmlischen Nektar, aber beileibe keine aufputschenden Drogen zu sich nähmen, sondern deshalb, weil sich das Fußballspiel nach seiner ganzen Belastungsart mit vielen Intervallen und infolge seiner ständig wechselnden Szenerie, die eine ständig wechselnde Beanspruchung der Sinnesorgane und des Nervensystems bedingt, für Doping relativ schlecht eignet.“ (die Zeit, 30.10.1970)

Der DFB setzte Dirk Clasing eine Widerrufsfrist von 5 Tagen, die dieser jedoch verstreichen ließ ohne dass eine Klage folgte. Die entsprechenden DFB-Akten blieben für das Team des Forschungsprojektes ‚Doping in Deutschland‘ jedoch unter Verschluss. Eggers hält fest, dass durch die frühen Vorkommnisse, der Fußball mit seinen Verbänden und Funktionären schon früh über Doping in den eigenen Reihen informiert gewesen sei.

Im August 2013 sah sich der deutsche Fußball erneut mit seiner Captagon-Dopingvergangenheit konfrontiert. Im Zuge der Diskussion um die Ergebnisse der Studie ‚Doping in Deutschland von 1949 bis bis 2007‘ * werden ehemalige Fußballer nach ihren Erfahrungen mit Doping befragt. Viel Konkretes wurde nicht genannt, doch der ehemalige Bundesliga- und Zweitligaspieler Dieter Schatzschneider machte keinen Hehl daraus, dass in den 1980er Jahren in seinen Fußballkreisen recht großzügig mit Captagon umgegangen wurde.

„Ich hab das da erlebt, dass viele Spieler das damalige Captagon genommen haben. … Ich hab nur gesehen, dass viele meiner Spielkameraden das genommen haben. Ich weiß nicht mal, ob das überhaupt eine Wirkung hatte oder ob vielleicht die Wirkung erst nach dem Spiel statt gefunden hat. … Wenn mich einer fragt, ob früher Captagon genommen wurde, und das ist ja wohl ein Dopingmittel, dann kann ich das mit einem klaren Ja beantworten. … In gewissen Kreisen der Spieler war das ganz normal, dass da Tabletten rumgereicht wurden. … Ich bin vor allem vor den Spielen immer Zeuge dabei gewesen, würde aber nie Namen und Vereine nennen, ich glaube das gehört sich nicht. … Also ich glaube schon, dass das stark verbreitet war. … da bin ich mir ganz sicher, dass die gewusst haben, das das ein leistungssteigerndes Mittel ist, wurde halt verteilt … manchmal haben Ärzte das durch die Gegend geschmissen, ich sag das mal so ein bisschen lässig. Aber völlig normal, die hatten das halt und die haben das auch regelmäßig genommen. … Jeder konnte es nehmen oder es nicht nehmen, wie er wollte oder nicht, es wurde nicht medizinisch begleitet. …“ (NDR, 22.8.2013)

* In der Studie selbst steht kaum etwas zu dem Captagon-Missbrauch im Deutschen Fußball. In der offiziellen Kurzversion wird nichts erwähnt. In der offiziellen Langversion ist in Zusammenhang mit den fehlenden Kontrollen im Fußball zu lesen, dass Captagon 1987 noch öffentlich ein Thema war durch Äußerungen bekannter Personen darunter Beckenbauer und Schumacher.

Armin Klümper und Anabolika

Zitat Gerhard Steines, 5.3.2015:
„Keul berichtet mir später süffisant von einem Freiburger Bundesliga-Fußballtorwart, der wegen einer Anabolika-Spritze Klümpers eine längere »Verletzungspause« einlegen musste.“

Anfang März 2015 gab Andreas Singler, Mitglied der Evaluierungskommission Freiburger Sportmedizin, erste Ergebnisse zu ihren Erkenntnissen über Arzt Armin Klümper bekannt. Zum ersten mal könne bewiesen werden, dass Klümper in den 1970er und Anfang der 1980er Jahre Fußballclubs großzügig mit Anabolika behandelt hatte. Betroffen waren der Bundesligaverein VFB Stuttgart und der Zweitligist SC Freiburg.

… ist nunmehr erstmals der sichere Befund möglich, dass Anabolikadoping auch im Profifußball eine signifikante Rolle spielte, nämlich beim Bundesligaverein VfB Stuttgart sowie – wenn auch nur punktuell nachweisbar – beim damaligen Zweitligaklub SC Freiburg zum Ende der 1970er und zu Beginn der 1980er Jahre. Dabei kam jeweils das Anabolikum Megagrisevit zum Einsatz, das auch von der von Klümper behandelten, 1987 verstorbenen Leichtathletin Birgit Dressel zeitweise eingenommen wurde.

Damit erscheint der Nachweis möglich, dass Doping in der BRD keineswegs nur der individuellen Verantwortung einzelner Sportler überstellt war, sondern dass es über einzelne Sportverbände oder Sportvereine mitunter zentral organisiert und finanziert wurde. … (Kurzgutachten und Folgeartikel)

Dieser Kurzbericht löste einen medialen Sturm aus, der in der Frage gipfelte, Doping im Fußball, was bringt das? Die bekannte Antwort „NICHTS!“ wurde aus dem Fußball selbst erneut gebetsmühlenartig wiederholt. Allerdings wurde sie von Dopingexperten rundum widerlegt.

Die Vorwürfe den VfB Stuttgart und den SC Freiburg betreffend, wurden durch Journalisten präzisiert, die die alten Akten der Staatsanwaltschaft Freiburg sichteten. Danach wurde Klümper jahrelang als Vereinsarzt des SC Freiburg geführt, genauere Angaben über Anabolikaanwendungen liegen jedoch nicht vor, lediglich eine Megagrisevit-Lieferung ist belegt. Konkreter sind die Unterlagen den VfB Stuttgart betreffend. Dokumentiert sind regelmäßige Medikamentenlieferungen und vom Verein bezahlte Rechnungen, die auch das Anabolikum Megagrisevit mit einbeziehen. Es ist die Rede von Rechnungen über mehr als 117.000.- DM. Megagrisevit gilt allerdings als nur schwach dopingwirksames Steroid (Badische Zeitung, 11.4.2015). Die Verantwortlichen des Vereins, einschließlich des Präsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder scheinen informiert gewesen zu sein. Der Verdacht liegt nahe, dass die Kenntnis auch in politischen Kreisen vorhanden war, dass die Praxis auf breiter Basis unterstützt wurde.

Heute wollte niemand etwas darüber wissen, allerdings räumte Vereinsmediziner Dr. Alois Hornung ein, dass Sportler aus rein medizinischen Gründen mit den Anabolika behandelt worden sein könnten. Der gesamte VfB-Kader war in den Jahren 1976 bis 1982 von Klümper behandelt worden. Im Übrigen seien so Hornung, Fußballer aus der ganzen Republik, einschließlich des FC Bayern München zu Klümper gepilgert. (Stuttg. Nachrichten, 10.3.2015, Bad. Zeitung, 13.3.2015)

Am 28.4.2017 veröffentlichte Andreas Singler die Endversion des Gutachtens:

A. Singler: „Systematische Manipulationen im Radsport und Fußball“ (ergänzt im April 2017)

Zitate aus dem Kapitel „Manipulationen und Doping im Fußball: Anabolika und andere nicht indizierten Behandlungen beim VfB Stuttgart und beim SC Freiburg“, S 45ff:

VFB Stuttgart:Die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft im Betrugsverfahren gegen Armin Klümper, zusammengetragen von der Sonderkommission „Ärzte/ Apotheker“, beweisen nämlich erstmals Doping im Fußball mit anabolen Steroiden. Betroffen davon sind konkret zwei Profivereine aus Baden-Württemberg im beweisbaren Zeitraum zwischen 1978 und 1980. Es handelt sich dabei um den VfB Stuttgart und den SC Freiburg. Teilweise trägt dieses Anabolikadoping systematische Züge, auf jeden Fall steht es inVerbindung mit sehr viel umfangreicheren Medikationen ohne medizinische Indikation und ist daher eingebettet in komplexere systematische Manipulationen.

Zu identifizieren ist hier allerdings nicht, welche Sportler in die systematischen Manipulationen involviert waren. Identifiziert werden kann hier jedoch erstmalig jene Struktur des Anabolikadopings und anderer ärztlich unethischer Manipulationen mit medizinisch nicht indizierten Pharmaka, von der anzunehmen ist, dass sie einzelne Spieler auch erreicht hat. Offen bleibt daher, welche Spieler konkret betroffen waren – eine Frage, die für die Arbeit der Evaluierungskommission allerdings ohnehin nicht im Vordergrund steht.

Darüber hinaus ist angesichts hoher Ausgaben der Vereine für die medizinische Unterstützung der Profis von einer pharmakologischen Kultur zu sprechen, die nicht mit Erkrankungen oder Verletzungen der Fußballspieler begründet werden kann. Zur Anwendung kamen dabei neben vielen anderen, ausdrücklich nicht für erkrankte Spieler gedachte, Maßnahmen auch eindeutig im Sport nicht indizierte anabole Steroide. …

SC Freiburg: In Bezug auf den SC Freiburg ist eine Anabolikalieferung aus dem Jahr 1979 verbürgt. Darüber hinaus werfen die damaligen Ermittlungen beim SC Freiburg ein bedenkliches Licht auf eine Praxis hochumfänglicher Medikationen ohne erkennbare medizinische Indikationsstellung, die nach damaligen Vereinsangaben ausdrücklich auf gesunde Spieler ausgerichtet war (Abschnitt 4.2.1). Damit waren sie, da medizinisch nicht indiziert, ärztlicherseits als Dopinghandlungen zu klassifizieren. …

Ähnlich wie beim VfB Stuttgart oder auch beim Bund Deutscher Radfahrer gab es beim SC Freiburg einen eigenen Ärzteposten im Haushalt, der ein für einen damaligen Zweitligaverein beträchtliches Volumen aufzuweisen hatte. Nach einem LKA-Aktenvermerk vom 27. September 1984 zur Befragung des damaligen Geschäftsführers des Vereins wurden Medikamente meist durch den Masseur beschafft und dann dem Verein in Rechnung gestellt. Ob auch auf diesem Wege Dopingmittel die Profimannschaft des SC Freiburg über die offenbar standardisierte Auffüllung des Medikamentenkoffers hinaus erreicht haben, ist unklar. Alleine die nach Zeugenaussage gängige Praxis der finanziellen Abwicklung von zusätzlichen Medikamentenbeschaffungen über ein „Massageinstitut“ lädt zu Spekulationen geradezu ein …

Stellt man in Rechnung, dass Medikamente beim SC Freiburg nur dann vom Verein bezahlt werden konnten, wenn sie nicht für die Behandlung von Erkrankungen gedacht waren oder allenfalls für die Erstbehandlung bei leichten Blessuren, dann vermag die – wenn auch nur punktuell aufzufindende Erwähnung von Megagrisevit – keinen anderen Schluss zuzulassen als die Annahme, dass dieses Anabolikum gezielt zur Leistungssteigerung im weitesten Sinne zum Einsatz gebracht werden sollte. …

Zu Beginn der 1990er Jahre hatte der SC Freiburg einen Dopingfall mit Anabolika zu verzeichnen. Dieser Fall betraf den ehemaligen Ersatztorhüter der SC-Profis und scheint sich ohne Wissen von Trainer oder Klubfunktionären ereignet zu haben. Der Spieler wurde daraufhin entlassen, der Fall durch den Verein selbst etwa zwei Jahre später öffentlich gemacht. Insofern ist es durchaus denkbar, dass hier ein Profi auf eigene Faust eine Dopingmaßnahme mit dem Ziel der Leistungssteigerung vorgenommen hat bzw. an sich hat vornehmen lassen. …


1987 Toni Schumacher packt aus
Toni Schumacher, 17.6.2010:
„Herr Schumacher, Sie waren der Erste, der freimütig bekannte, gedopt zu haben. Warum sind Sie damit an die Öffentlichkeit gegangen? Es gab bei uns Amateurspieler, die auf dem Spielfeld tot umfielen, dann hieß es: Herzversagen. Aber da war mehr. Ich dachte, das darf nicht wahr sein! Was geht hier vor sich? Das war meine Motivation, das Buch zu schreiben.“

1987 erscheint Toni Schumachers Buch ‚Anpfiff – Enthüllungen über den deutschen Fußball‘. Darin schildert er die ärztliche Versorgung der Nationalmannschaft 1986 in Mexico. Er spricht von einer ärztlichen Überversorgung mit Nebenwirkungen wie Durchfall.

„Jeden Mittag schluckten wir zu unserem Elekrtrolytgesöff haufenweise Tabletten: Eisen, Magnesium, Vitamin B in Höchstdosis, Vitamin E, ein paar Hormönchen für die Höhenanpassung…“ … „Außer den Pillen hagelte es Spritzen. Professor Liesen (mehr Info) selbst hat davon 3 000 gespritzt. Da war alles mögliche drin: Pflanzenextrakte zur Stärkung des körpereigenen Abwehrsystems, die Vitamine C und B 12 in hohen Dosen, Bienenhonigextrakt, um Herz und Kreislauf zu stützen, Kälberblutextrakt [Actovegin] gegen die Folgen der Höhenluft. Und dazu noch Vitamin-E-Tabletten. … Die vermaledeite Schlaftablettenschluckerei lehnte ich noch energischer ab.“

Siehe hierzu auch der Spiegel, 9.5.2005 über jahrzehntelangen Medikamentenmissbrauch im Fußball und gesundheitliche Folgen.

„Auch in der Fußballwelt gibt es Doping – natürlich totgeschwiegen, klammheimlich, ein Tabu.“

Beliebt seien Hustensäfte mit Ephedrin gewesen und Captagon. Schumacher gesteht 1984 nach der EM in Paris das Aufputschmittel während des Trainings ausprobiert zu haben. Die Wirkung sei ihm von Ärzten beschrieben worden, er wollte aber wissen, wieweit er seine Leistungsgrenze hinaus schieben, wie lange er sich überfordern könnte.

Er beschreibt sich nicht als Einzelfall.

„Der Vorstand sprach wieder mal von einem ‚Schicksalsspiel‘, wieder einmal ging es angeblich um das Überleben eines Vereins. Einige Kölner Mitspieler probierten das Zeug aus. Querbeet und wahllos schluckten wir Hustensäfte, die die höchsten Dosen an Ephedrin enthalten. Die saftgestärkten Kollegen flitzten wie Teufel über den Rasen. Wir haben gewonnen, aber in welchem Zustand. Nach tagelanger, qualvoller Erschöpfung beschlossen wir: nie wieder!

Meiner Kölner Freunde und ich sind aber absolut nicht die einzigen, die der Dopingversuchung nicht widerstehen konnten. In der Bundesliga hat Doping seit langem Tradition.

Als ganz junger Spieler war ich früher „Chauffeur“ vieler bewährter Fußballstars des 1. FC. Mit meinem kleinen R 5 habe ich oft ein halbes Dutzend unserer großen Spieler zu einem Kölner Arzt gebracht. Bei dem holten sie sich vor wichtigen Spielen ihre Pillen und Spritzen. … Einige von ihnen konnten sich ohne diese Spezial-Hochform-Pillen eine Fortsetzung ihrer Karriere gar nicht mehr vorstellen. Pillen und Leistung – das war für sie zu einer Gleichung geworden, die aus ihrem Leben nicht mehr wegzudenken war.

Ein wichtiges Detail: Dieser Arzt betreute berühmte Sportler zu einem Zeitpunkt, als Doping Schlagzeilen machte [1976/1977]. Ich nehme an, daß zu diesen Spezialmixturen Anabolika, Amphetamine und diverse andere Aufputschmittel gehörten. Damals wie heute.

Es gab Nationalspieler, die waren im Umgang mit der „Stärkungschemie“ regelrecht Weltmeister. Unter ihnen ein Münchener Spieler, den wir als „wandelnde Apotheke“ [Anm.: Jupp Kapellmann] zu bezeichnen pflegten.“ (Schumacher, Anpfiff, S. 109ff)

Toni Schumacher wurde nach diesen Enthüllungen aus der Nationalmannschaft entlassen und der 1. FC Köln löste den Vertrag auf.

Der DFB führte danach Wettkampfkontrollen ein. Doch bereits 1972 soll Prof. Hans Schoberth, Mannschaftsarzt des DFB, für das Spieljahr 1973/74 die Einführung von Kontrollen in der Bundesliga gefordert haben. Auf einer Tagung in Bad Wiessee 1979 soll der DFB dann die Einführung von Kontrollen beschlossen haben, doch der Beschluss wurde nicht umgesetzt, im Gegenteil zu der langjährigen Praxis anderer europäischer Länder, die zumindest gelegentlich nachprüften. „In der Schweiz, wo seit 1980 kontrolliert wird, werden Dopingsünder für ein Sechstel der Saison gesperrt. Doping-Kontrollen gibt es auch in England, Belgien und Italien, regelmäßig bei den Endturnieren der Welt- und Europameisterschaft.“ (sid, 24.2.1987)

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch,

dass ein Fußballverband eine Dopingtagung für Journalisten abhält, ist bis zum heutigen Tage ein überaus seltenes Ereignis. Der Vollständigkeit sei erwähnt, dass Klümpers bevorzugter Ansprechpartner innerhalb der Landesregierung, der damalige Finanz-Staatssekretär Gerhard Mayer-Vorfelder war, seit 1968 Vorstandsmitglied des Württembergischen Fußball-Verbandes und seit 1975 Präsident des Fußball-Bundesliga-Vereins VfB Stuttgart. 1993 sollte sich Mayer-Vorfelder zur Verabreichung bestimmter Dopingmittel bekennen, sofern sie von Spielern innerhalb des Rehabilitationsprozesses eingenommen würden (siehe Focus, 21.03.1994). Dem Reglement des Internationalen Olympischen Komitees gemäß stellte eine solche Medikation, etwa mit anabolen Substanzen, zum damaligen Zeitpunkt aber bereits seit langem Doping dar. Nicht auszuschließen ist, dass Mayer-Vorfelder seine Haltung zum Dopingproblem von Klümper „gelernt“ hatte, für den Dopingreglements häufiger kein Hindernis für problematische, sportrechtlich verbotene Medikationen darstellten. (Gutachten Armin Klümper und das bundesdeutsche Dopingproblem, S. 232)

Toni Schuhmacher spricht von bekannten Sportärzten, die Fußballer betreuten. Einige der berühmtesten und beliebtesten deutschen Sportärzte zählten zu ihren Klienten Sportler aus den verschiedensten Sparten, auch aus dem Fußball. Einige dieser Mediziner werden heute mit Doping in Verbindung gebracht ebenso wie ganze Sportarten und viele Sportler. Erstaunlicherweise sind darunter aber keine Fußballer zu finden. Ist das glaubhaft? Beispiele sind hier nachzulesen: Der Freitag, 9.6.2010: Bringt im Fußball nichts, Der Doc sagt du und hört zu

Der Kicker führte nach Schuhmachers Enthüllungen im Februar 1987 bei allen Bundesligaprofis eine Befragung durch, er wollte wissen, was an den Dopingvorwürfen dran sei.

„216 antworteten, 31 sagten aus, dass in der Bundesliga gedopt werde. „Natürlich wird gedopt, Captagon genommen“, sagte Hans-Günter Neues, der frühere Kapitän des 1. FC Kaiserslautern. Sein Mannschaftskollege Erhard Hofeditz erklärte: „Ich habe mehrere Spieler erlebt, die sich ab und zu durch einen Schub geholfen haben.““ (Kicker, 18.6.2007)

Experimentalmedizin:
Dr. Müller-Wohlfarth:
„There were also doubters in the 1970s, when the up-and-coming Muller-Wohlfahrt was brought in from Berlin. „I was very young, and they expected big success,“ he recalls. „This was a world of superstars. [Bayern Munich] was the European champion three times in a row. It was [Franz] Beckenbauer, [Gerd] Muller, [Sepp] Maier, [Hans-Georg] Schwarzenbeck. They were my patients. I was very young. I had to be successful. „By this, I invented or tried therapies which didn’t exist until then. It was one needle [of homeopathic medicines], it was two, three, four. The thinking behind it was to look for the function and to listen to the patient. What does he say? Did it hurt? No effect? He says, ‚What you did last time that was very good.‘ So we write down every time what we do, so I repeat it and then maybe even a little more. So by this I develop a treatment as you saw it now. This is standard. And this works.“

„He skeptics want research that validates the healing powers of Actovegin and the other medicines dispensed from Muller-Wohlfahrt’s syringes. They want to read a well-crafted medical journal article, something more substantial than Muller-Wohlfahrt’s earlier writing attempts, such as „Injured … What Now? How to Handle Sports Injuries.“
(espn, 15.12.2011)

Erwähnt sei, dass Actovegin als Verschleierungsmittel genutzt wird:
Prof. Sörgel:
„Ob es tatsächlich bei Muskelverletzungen eine Verbesserung verursacht, das kann überhaupt nicht gesagt werden. Es gibt ja auch keinerlei klinische Studien dazu. Wenn Sportler Actovegin infundieren, dann dient das praktisch immer zur Maskierung eines Dopingmittels, in der Regel dann des Blutdopings.“
Grit Hartmann, 18.12.2011)

Paul Breitner, stellt sich in einem Spiegel-Interview hinter Toni Schumacher und widerspricht Berti Vogts, der Schumacher als Netzbeschmutzer schalt. Breitner:

„Das kann der Berti nicht ernst gemeint haben, denn er muß sich im Verlauf seiner langen Karriere mit dem Problem Doping beschäftigt haben. Das ist nun mal ein Thema in der Bundesliga – bei allen. Entweder die Profis machen es selbst, oder sie bemerken es bei Mitspielern und Gegnern.“

Er gab zu, anlässlich seines eigenen Buches darüber nachgedacht zu haben Dopingpraktiken und Namen zu nennen, er habe einmal konkret begonnen, etwas zum Thema zu schreiben.

Ich habe sogar schon Bänder besprochen und bin dabei einen Schritt weitergegangen als Toni Schumacher. Ich habe Namen genannt, mir dann aber überlegt: Damit treibst du Leute möglicherweise in eine ausweglose Situation.

Über die Handlung Beckenbauers, der Toni Schumacher als Kapitän der Nationalelf abgesetzt und von einem Lehrgang ausgeladen hatte, urteilte er

„Franz Beckenbauer war in einer schwierigen Situation: Er weiß, der Toni hat recht. Er mußte aber auch die Interessen des Deutschen Fußball-Bundes berücksichtigen. Denn so wie beim Skandal mittels Bestechung Spiele verschoben wurden, so ist Doping auch eine Art von Schiebung, die untersucht werden muß.“

Als überfällig bezeichnete er auch die Einführung von Dopingkontrollen im deutschen Fußball, allerdings genüge es nicht nur die erste Bundesliga einzubeziehen, die zweite und die Amateurligen würde es gemacht wie bei den ‚ganz Großen‘. (der Spiegel, 2.3.1987)

Auch Pierre Littbarski soll 1987 Captagon-Konsum zugegeben haben. France-Football vom 10.3.1987 zitiert ihn wie folgt:

„Alle meine Warnlampen leuchteten rot auf. Ich kam mir vor wie ein völlig überdrehender Rennfahrer Ich wusste, dass ich davon sterben konnte.“ (de Mondenard, 1991)

Der Sportinformationsdienst (sid) zitierte am 26.11.1985 Manfred Donike mit einer Äußerung von der NOK-Generalversammlung:

„Donike ist überzeugt, daß in der Bundesrepuhlik auch in den Mannschaftssportarten gedopt wird. Der Deutsche Handball-Bund (DHB) führt Kontrollen aber ebensowenig durch wie der Deutsche Hockey-Bund (DHB), der Deutsche Basketball-Bund (DBB) und der Deutsche Volleyball-Verband (DVV); vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) ganz zu schweigen. Der DFB hat bis heute nicht eine einzige der zahlreichen Anfragen von Donike ‚ beantwortet ….“

Sportarzt Dr. Klaus Steinbach bestätigte im Spiegel vom 26.10.1987 den häufigen Griff nach Medikamenten:

„SPIEGEL: Toni Schumacher hat behauptet, daß in der Bundesliga etwa mit Captagon oder Ephedrin gedopt werde. Wie sind Ihre Erfahrungen?
STEINBACH: Zu mir sind Spieler gekommen, die sagten: „Hör mal Doc ich hab“ so “n Durchhänger, haste nicht was, was mich so richtig anmacht, wo ich so richtig die Sau rauslassen kann?“

SPIEGEL: Was haben Sie geantwortet?
STEINBACH: Ja, bist du denn wahnsinnig, du kannst dir doch nicht jeden Samstag die Dinger reinschmeißen, welche Vorstellung hast du denn von deinem Beruf?

SPIEGEL: Wie waren die Reaktionen?
STEINBACH: Ich bin mir nicht sicher, ob ich die Spieler überzeugt habe. Wenn der Deutsche Fußball-Bund einmal Kontrollen einführen sollte die ich übrigens für dringend notwendig halte, dann rauscht“s in der Bundesliga. Es gibt reichlich Spieler, die mit Aufputschmitteln ihre mangelhafte körperliche Verfassung kaschieren.“

Franz Beckenbauer erklärte gegenüber der Welt am 8.3.1987:

„Doping – das ist ein Kaugummi-Thema, das schon 20 Jahre in die Länge gezogen wird. Aber beim DFB wurde jetzt eine Kommission gebildet. Sie soll bis zum 20. Juni dieses Jahres einen Erfahrungsbericht erarbeiten. Ich gehe davon aus, es gibt schon im nächsten Jahr Stichproben in der Bundesliga, damit das Gerede endlich vom Tisch kommt. Ich habe DFB-Präsident Neuberger gesagt, Doping sei mehr ein Thema für die UEFA. In Europacupspielen laufe etwas. Ich habe es früher selbst beobachtet. …
Kann sein, daß im Kampf um die [Bundesliga-Meisterschaft oder gegen den Abstieg heimlich von Spielern etwas genommen wird. Doch was ist Doping? Bei uns wird Doping doch sofort mit Drogen und Lebensgefahr gleichgesetzt. Vielleicht wirkt eine Captagon-Tablette leistungssteigernd aber sie ist doch nicht gefährlich. Der Weltmeister Tom Simpson, der tot vom Rennrad gefallen ist, hatte 20 oder 25 Captagon geschluckt.

In Schweden existiert eine spezielle „Doping-Polizei“, die allerdings nicht nach Spielen, sondern in erster Linie zum Training erscheint. In Österreich ist die Bundessport-Organisation für die Untersuchungen in allen Sportarten verantwortlich. Nationalspieler Herbert Prohaska gab nach Schumachers Enthüllungen zu, ebenfalls Captagon eingenommen zu haben. (sid, 27.2.1987)

Dr. Liesen nennt 2011 multiple Erfolgsgründe im Hintergund des WM-Erfolges 1990:

SPIEGEL: 1990 wurde die Nationalelf Weltmeister. Auch dank Ihrer ärztlichen Kunst und Trainingssteuerung?
Liesen: Da musste ich gar nicht mehr viel bewegen. Als wir vom Viertelfinalspiel ins Quartier zurückkamen, gab es eine Mannschaftsbesprechung. Franz sagte: „Jetzt wollen wir es packen und den Titel holen. Einer weiß ganz genau, wie wir das am besten hinkriegen. Und der sagt uns ab heute, wann und in welchem Umfang wir trainieren.“ Dann rief er mich und sagte: „Der macht das, und ihr habt alle zu gehorchen.“ So war Franz.

SPIEGEL: Wieso ließ Ihnen Beckenbauer so viel Freiheit?
Liesen: Er hielt mich für kompetent. Er holte mich oft auf dem Trainingsplatz zu sich und sagte: „Guck den mal genau an. Ich brauch den in zwei Tagen. Sieh zu, dass der wirklich fit ist.“ (der Spiegel, 31.10.2011)

Weitere Zitate:

FAZ, 17.6.2007: „Schumacher … nannte zwar keine Namen. Aber für den DFB wäre es nicht schwer gewesen, die „wandelnde Apotheke“ aus München, einen Nationalspieler mit medizinischen Kenntnissen und dem Hang zu Selbstversuchen, zu identifizieren. Und damit weitere Mechanismen des Dopings im Fußball zu erkennen und entsprechend zu handeln. Nach hartem Ringen gibt es inzwischen Wettkampf- und Trainingskontrollen in der Bundesliga.“

Paul Breitner, 1.6.2007: „Der Fußballer, der glaubt, er könne mit Doping dafür sorgen, dass er seinen Stammplatz behält, dass er zu einem Sieg beiträgt oder mehr Kohle verdient – warum soll der nicht Doping nehmen? Die Motivation zu dopen ist beim Fußballer genauso groß wie beim Radfahrer.“ … „Ich habe genügend Spiele mitgemacht, in denen ich Spieler vor mir hatte, denen der Schaum aus dem Mund gelaufen ist. Die haben gar nicht geradeaus schauen können, die haben ums Eck geschaut.“

Jose Toure schreibt über das Halbfinale im Europapokal der Pokalsieger 1984:
„Nach dem Spiel, beim Trikottausch, habe ich ihre [Kempes, Bonhof] Gesichter gesehen. Die Augen traten aus den Höhlen, sie hatten Schaum auf den Lippen, sahen aus wie Monster. Hinter vorgehaltener Hand hieß es, daß einige Teams ihre Erfolge nicht nur ihrem tollen Spiel, sondern auch der Sportmedizin verdanken.“ Bonhof: „Ich habe nie in meiner Karriere Tabletten oder Pillen zum Zweck des Dopings genommen oder mich spritzen lassen.“ Toure gab zu, während seiner Karriere selbst gedopt zu haben. (die Welt, 23.2.1995)

Experiment Bluttransfusionen

In den 70er Jahren waren Eigen- und Fremdbluttransfusionen noch nicht verboten, doch es wurde schon länger damit experimentiert. (mehr Infos). Ziel im Sport war eindeutig die Leistungsverbesserung. 1977 während der Sachverständigen-Anhörung im Sportausschuss des Deutschen Bundestages wurden diese Transfusionen diskutiert. Man sprach von Eigenblutinjektionen, Eigenblutrücktransfusionen, von Blutdoping. DFB-Mediziner Prof. Hollmann:

„Bezüglich der Eigenblutrücktransfusion nimmt man dem betreffenden Sportler etwa 1 bis 1-2 Liter Blut ab, läßt ihn anschließend ca. vier Wlochen weitertrainieren, dann hat sich das Blut regeneriert, dann wird ihm ein Konzentrat des abgenommenen Blutes in Form der roten Blutkörperchen zurückinfundiert, woran anschließend bei durchschnittlich leistungsfähigen Menschen die Spitzenleistungsfähigkeit im Schnitt um annähernd 10 Prozent steigt, die submaximale Ausdauerleistungsfähigkeit etwas über 20 Prozent. Die Werte liegen entsprechend wesentlich niedriger bei Spitzensportlern. Sicherlich sind sie aber in der Lage, über die Reihenfolge bei vorderen Plätzen zu entscheiden. (Abg. Schirmer (SPD): Ist das nachprüfbar?) – Ja, wir haben das sehr eingehend untersucht, aber nachweisbar, ob das gemacht wurde, ist es nicht.“ (S. 6/123)

FRANZ BECKENBAUER

Diese Methode der Leistungssteigerung war zu jener Zeit bei Radsportlern, Leichtathleten und wohl auch bei Fußballern nicht unbekannt, sofern Franz Beckenbauer und Jupp Kapellmann keine Ausnahmen waren. Beckenbauer hat 1977 dem Magazin Stern gegenüber zugegeben, damit auf Top-Niveau zu bleiben.

„In München beschränken wir uns im Wesentlichen auf natürliche Methoden. Doch was mich persönlich betrifft, habe ich eine besondere Methode, um auf Top-Niveau: die Injektion mit meinem eigenen Blut. Mehrmals im Monat entnimmt mir mein Freund Manfred Köhnlechner aus dem Arm Blut, das er mir wieder in den Hintern spritzt. Damit wird eine künstliche Entzündung hervorgerufen. Damit erhöhen sich weißen und roten Blutkörperchen sowie die Widerstandskräfte des Organismus.“ (zitiert nach l’Équipe, 21.5.1977)

Thomas Kistner zitiert den deutschen Topspieler noch weitergehend:

„»Medizinisch ist heute in der Bundesliga praktisch noch alles erlaubt, was den Spieler zu Höchst- und Dauerleistung treibt. Es wird gespritzt und geschluckt … Natürlich wäre es unsinnig, vor jedem Spiel zu dopen. Der folgende Leistungsabfall ist viel zu groß. Aber was machen Trainer und Manager vor entscheidenden Spielen, etwa im Europacup, wo es um Millionen geht – wenn man glaubt, dass die anderen nicht nur Vitaminpillen schlucken? … Es ist längst an der Zeit, dass sich der Internationale Fußballbund nicht nur bei der Weltmeisterschaft um das Problem Doping kümmert .« (Kistner, BZDV 24.8.2007)

Jiri Dvorak, FIFA, 4.7.2006:
„Rational wäre Eigenblut-Doping im Fußball nicht begreifbar“…Im Fußball sei Blutdoping allein schon aus organisatorischen Gründen nur sehr schwer durchführbar. „Wenn ich nur die vier WM-Halbfinalisten sehe, sagt mir mein gesunder Menschenverstand, daß es technisch nicht machbar ist“, erklärte Dvorak. Für Fußballer, die 49 Wochen im Jahr von Spiel zu Spiel eilten, sei das ebenso aufwendige wie gefährliche Eigenblutdoping gar nicht praktikabel.“

HANS-JOSEF ‚JUPP‘ KAPELLMANN

Hans-Josef „Jupp“ Kapellmann, aktiv bis 1981, wird am 3.11.1987 in der französischen Zeitschrift ‚But‘ zu Doping zitiert. Er soll der von Toni Schumacher erwähnte experimentierfreudige Spieler gewesen sein. Kapellmann gibt die Anwendung von Bluttransfusionen und von anabolen Steroide zu. Er schätzte, dass sich ca. 18% der (Profi)Fußballpieler in Deutschland und sonstwo auf der Welt regelmäßig dopen.

„Ich selbst praktizierte ‚Blutdoping‘. Für mich ist das aber kein Doping. Das ist mein Blut, allein mein Blut ohne sonstige Zusätze. Und überhaupt, das sage ich als Mediziner [Kapellmann ist Orthopäde], ich mache mit meinem Körper was ich will!… Der Spieler hatte sich an den Arzt um Hilfe gewandt. Ich war oft verwundet, zu Beginn des Winters oft erkältet. Mit Hilfe eines Freundes, Mediziner wie ich, der das selbst schon versucht hatte, wollte ich meine Widerstandskräfte erhöhen.. Und wahrhaftig, ich habe es so empfunden… ich war nicht mehr so anfällig wie früher! Ich bin nicht gegen Anabolika, wenn die Verletzung schwer ist. Das ist Therapie und die Anabolika sind hilfreich. Besonders für Sportler, denn sie verkürzen die Zeit der Heilung. Ich habe übrigens welche genommen, wenn ich verletzt war.“ (De Mondenard, Dictionnaire, S. 1117)

11freunde, 19.12.2019:

Ihr Spitzname lautete »Die Apotheke«.
Überall, wo viel Geld im Spiel ist, wird mit allen Mitteln versucht, die körperliche Leistungskraft zu verbessern. Im Radsport wurde das bewiesen, warum sollte es beim Fußball anders sein? Die Frage ist nur, wie man Kreativität und Genauigkeit steigern will. Es stimmt, dass gewisse Faktoren im Fußball medikamentös nicht beeinflussbar sind. Aber wenn ich stetig im Kraftraum bin und gleichzeitig Anabolika nehme, dann lässt sich ein enormer Muskelzuwachs verzeichnen.

Haben Sie es auch genommen?
Ja. Ich habe dadurch ja keine mentale Leistungsminderung erlitten. Was natürlich auch beliebt war, sind Stimulanzien, um die Angst in den Griff zu bekommen. Und vor den großen Spielen ging die Apotheke umher. Wie gesagt, im Landesmeisterfinale waren es die Briten.

Die FAZ am 17.10.1991 über Prof. Wilfried Kindermann, seit 1990 Fußball-Verbandsarzt:

„Die Vorstellung, daß sich die Profis am Ball so wie die Profis auf der Laufbahn erst mit Anabolika stark fühlen, enthält für Kindermann nicht einmal Spurenelemente der Realität. Der Mediziner glaubt nicht an die leistungssteigernde Effektivität anaboler Stimulanzien für den komplexen, unberechenbaren Mannschaftssport Fußball.“

1992 Prolintan – erster Dopingfall im DFB?

1994 wird in der „Jahresstatistik 1993 des Beauftragten für Doping-Analytik“ von Manfred Donike, Kölner Instituts für Biochemie, ein positiver Fall im deutschen Fußball erwähnt, der bereits im Jahr 1992 mit der A-Probe nachgewiesen worden war. Es handelte sich um das Stimulanz Prolintan. Auf Nachfrage des Magazins Focus zeigte man sich beim DFB überrascht, von einem Dopingfall wisse man nichts. Laut Donike sei der Befund der positiven A-Probe umgehend an den DFB gemeldet worden, dieser habe keine B-Probe verlangt, somit sei das Analyseergebnis von Seiten des Verbands anerkannt worden. (Focus, 7.2.1994)

Wenig später wird bekannt, dass der betroffene Spieler Thomas Möller von Eintracht Braunschweig war, positiv getestet wurde dieser am 26. September 1992 nach dem Spiel gegen den SC Freiburg. Eintracht-Präsident Harald Tenzer bestätigte dies.

Der Spieler, Thomas Möller von Eintracht Braunschweig, hatte vor dem Spiel wegen einer Gehirnerschütterung das Medikament Katovit (Prolintan) und ein Mittel mit der verbotenen Substanz Etilefrin (Dihydergot) zur Kreislaufstabilisierung eingenommen. Mannschaftsarzt Jürgen Stumm erklärte, dies vor dem Spiel dem Dopingkontrolleur DFB-Arzt Eike van Alste mitgeteilt zu haben. (Focus, 28.2.1994)

Die Nichtberücksichtigung der positiven Probe wurde seitens des DFB mit ‚Kommunikationsstörungen‘ zwischen DFB und Donike erklärt. Manfred Donike habe die beanstandete Probe nur „als Nachsatz in einem allgemeingehaltenen Bericht“ weitergeleitet“ – was Donike bestritt. (Focus, 14.2.1994)

Der DFB sah keinen Anlass für weitere Schritte, da die Eintracht das Spiel verloren habe, eine Frage der Spielwertung stellt sich damit nicht“, erklärte DFBPressesprecher Wolfgang Niersbach.“ (dpa, 8.2.1994, Anm. zur dpa-Meldung: die Nichtanforderung der B-Probe war kein Verfahrensfehler sondern bedeutet Anerkennung der A-Probe)

1992 Clenbuterol-Einsatz beim VFB-Stuttgart?
Diskussion um Anabolika-Freigabe

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Christoph Daum:
„Sie werden sich wundern – ja. Wir setzen Clenbuterol ein, um die Muskulatur bei verletzten Spielern schneller zu stabilisieren. Wir setzen das Mittel natürlich rechtzeitig wieder ab. Der Springstein dagegen muß ein Vollidiot sein. Bei uns hat das mit Doping aber nichts zu tun, wie ich überhaupt glaube, daß in der Bundesliga nicht gedopt wird.“Wirklich nicht?
„Nein. Meine Spieler hängen zwar vorm Anpfiff 20 Minuten am Tropf, aber sie bekommen lediglich Mineralien und Elektrolyte.“ (Bild, 13.8.1992)

Das Kälbermastmittel Clenbuterol war seit Juli 1992 in aller Munde. Die Sprinterinnen Katrin Krabbe, Grit Breuer und Manuela Derr waren darauf positiv getestet worden. Bekannt war, dass die Substanz, enthalten in Asthmamitteln, aufgrund seiner anabolen Wirkung als Dopingmittel geeignet war. Die Affaire um die Sprinterinnen, kurz Krabbe-Affaire genannt, schlug hohe Wellen und zog sich jahrelang hin. Das Problem war, dass das Mittel nicht auf der Dopingliste stand, aber Insidern als Dopingmittel bekannt war und auch von vielen, darunter auch dem DLV als Dopingmittel angesehen wurde.

Nach Bekanntwerden der positiven Proben der Läuferinnen bekannte Christoph Daum, Trainer des VFB Stuttgart, offen, dass Clenbuterol beim VFB zur Rehabilitation von verletzten Sportlern eingesetzt wurde. Das habe aber mit Doping nichts zu tun (FR, 14.8.1992).

Schnell wurde dementiert, auch Daum nahm seine Äußerungen zurück. Es wäre kein Clenbuterol im Einsatz, er habe Clenbuterol mit Anabolika verwechselt, die üblicherweise während der Rehabiliotation von Langzeit-Verletzten zur Anwendung kämen, gedopt werde auf gar keinen Fall. Die BILD stellte das bald klar und frug „Will man Christoph Daum mit Gewalt einen Skandal anhängen?“

Die Erwähnung Daums der regelmäßigen Infusionen, die seine Spieler vor den Einsätzen erhielten, fand in der öffentlichen Diskussione wenig Echo, wurde nicht hinterfragt.

Während die Wogen noch nicht geglättet waren, preschte VFB-Präsident Mayer-Vorfelder (zugleich Kultusminister von Baden-Württemberg und Vorsitzender des Spielausschusses des DFB) vor und forderte einen geregelten Einsatz von Anabolika.

„Darf ein langzeitverletzter Spieler in der Rehabilitation seine körperliche Leistungsfähigkeit, die durch üblichen, bei Verletzungen normalen Muskelschwund beeinträchtigt wird, auch mit anabolen Präparaten wieder aufbauen, die auf der Dopingliste stehen, wenn er sie vor Beginn der Trainingsphase absetzt, so daß kein Wettbewerbsvorteil entsteht?“ „Für einen verletzten Spieler können keine anderen Maßstäbe gelten wie für den Nichtsportler.“

Offen blieben dabei die Fragen, wann die Rehabilitationszeit beendet ist, wer das bestimmt und wie zu bewerten ist, das Anabolika nur in Verbindung mit Training die gewünschte Muskelkaft hervorbringen.

der Spiegel, 19/2005:
„Für [Karl-Heinz] Förster indes war Klümper ein Mann, „bei dem man immer das Gefühl hatte, egal was ist, der hilft dir schon“. Einmal im Monat, an seinem freien Tag, setzte sich der VfB-Vorstopper in seinen Mercedes und fuhr von Schwarzach im Odenwald nach Freiburg. Dort ließ er sich eine „Spritzenkur“ verpassen, „fünf, sechs Injektionen mit knorpelaufbauenden Mitteln, und wenn eine Entzündung drin war, natürlich auch mit Cortison“. … „Die Zahl der Spritzen mit cortisonhaltigen Präparaten oder mit Kälberblut, Actovegin etwa, die Klümper ihm über die Jahre hinweg in die Gelenke stach, hat Förster nie gezählt. Es müssen weit über tausend gewesen sein.“

Meyer-Vorfelder stellte sich damit hinter einige Sportmediziner, insbesondere hinter Armin Klümper, der z. B. für die Spieler des VFB Stuttgart und des SC Freiburg Ablaufstelle war. Klümper hatte zugegeben, Anabolika bei Verletzungen einzusetzen und meinte, dass seine von ihm behandelten Spieler z. B. bei einem Muskelfaserriss nur acht Tage aussetzen müssten.

„Die lachen nur darüber, daß andernorts deshalb acht Wochen und länger pausiert werden muß.“ Auch Vereinsarzt Edgar Stumpf hatte erklärt, dass beim VFB Stuttgart „im therapeutischen Bereich bei Langzeitverletzten […], bei Leistungs- wie auch bei Nichtsportlern, nach operativen Eingriffen mit längerer Ruhigstellung und damit verbundener Muskelverschmächtigung zur Wiederherstellung des muskulären Zustandes selbstverständlich ein Anabolikum verordnet“ werde (FAZ, 15.8.1992). Verbandsarzt Hollmann war 1991 vorsichtiger indem er gemeinte hatte, dass „die Grenzen zum anabolen Doping in der Muskelaufbauphase bei verletzten Spielern schwer zu ziehen sei und angemerkt [hat], man könne, wenn man es richtig macht hier auf Muskelaufbaupräparate verzichten.“ (FAZ, 17.10.1991)

Die Diskussion um Doping im Fußball war wieder (für kurze Zeit) entbrannt. Josef-Otto Freudenreich schreibt in der Stuttgarter Zeitung:

„Doch allen Beteuerungen zum Trotz und der gebetsmühlenhaft vorgetragenen (falschen) Erkenntnis, daß Doping im Fußball nichts bringe, wird nach Meinung von Szene-Kennern eben auch im Spielbetrieb manipuliert, was die Knochen halten.“

Er zitiert Klaus Steinbach, Chefarzt einer Reha-Klinik und einst Mannschaftsarzt des FC Homburg:

„Es stinkt zum Himmel, wenn im Fußball behauptet wird, es werde nicht gedopt.“ „Ich setz mich auf keine Bundesligabank mehr, das kann ich mit meinem ärztlichen Eid nicht vereinbaren.“ Siehe dazu auch obiges Interview-Zitat von 1987.

Als ‚Alibikontrollen‘ bezeichnete Steinbach die durchgeführten Dopingtests. Per Zufallsprinzip bestimmt eine dreiköpfige Doping-Kommission, bei welchen Spielen kontrolliert wird. In der Saison 1991/1992 waren dies 5 %, dabei wurden aus jedem Team zwei Spieler ausgewählt. Insgesamt wurden so 188 oder 1,7 % getestet.

Die Stuttgarter Zeitung meint dazu ergänzend:

„Mit der Realität haben sie wenig bis nichts zu tun. Beispielsweise mit der Wirklichkeit jenes 14jährigen Jugendauswahlspielers, der vor wenigen Monaten bei einem Lehrgang an einer Münchner Sportschule aufgefallen war. Er könne nicht mithalten, hat er dem Trainer gestanden, weil ihm seine Tabletten ausgegangen seien. Der Sportmediziner Hans-Ulrich Jelitto hat sich die leere Schachtel angeschaut. Anabolika waren da einst drin.“ (Stuttgarter Zeitung, August 1992)

Die Diskussion führte zumindest dazu, dass der DFB begann über die Einführung von Trainingskontrollen nachzudenken. „Wir haben die Überlegung, unser Kontrollsystem auf die bestehenden Freiräume auszudehnen,“ so Justitiar Götz Eilers, der ansonsten anlässlich der Vorwürfe von Rufmord sprach (FR, 5.9.1992).

1994 Buch Edwin Klein: Manfred Ommer, ein Gespräch mit Bobby, 19 Jahre uvm.

Am 21. Februar 1994 erschien im Focus von Edwin Klein ein langer Bericht über Doping im Fußball. Es handelte sich um Vorab-Auszüge seines Buches ‚Rote Karte für den DFB‘.

Veröffentlicht werden Passagen eines Interviews mit einem 19jährigen Fußballspieler, der einen Vertrag mit einem Bundesligaclub unterzeichnet hat. Er bleibt anonym, nennt sich Bobby.

„Sie haben gesagt, daß Sie bereits mit dreizehn oder vierzehn mit Doping in Berührung gekommen sind.“
Bobby nickt. „Auf der Schule. Ich habe ein Gymnasium besucht. Nach der mittleren Refe war Schluß.“

„Was waren das für Substanzen?“
… Bobby: „Anmacher, also Zeug, das dich auf Touren bringt. Haben wir uns auf Partys reingeworfen.“

„Nehmen Sie immer noch Doping?“
… Bobby: „Ich kenne niemanden, der nicht in irgendeiner Form etwas nimmt. Viele Anabolika. Aber etliche der Spieler sind vorsichtig geworden. Die Muskulatur kann zu fest werden. So wie bei einem Torwart aus Köln. Fehlt die Geschmeidigkeit, dann nützt auch die Muskelmasse nichts.“ …
Ich habe mit einem Arzt gesprochen und mich beraten lassen.“ …

„Und was hat der gesagt?“
Bobby: „Du mußt wissen, was du willst. Da du dich dazu entschieden hast, ist es besser, wenn ich dir helfe, als daß du das Zeug wie wild reinwirfst. Also nicht mehr als drei Tabletten pro Tag. Einen Monat lang. Dann zwei Wochen Pause und wieder einen Monat. Dezember nichts, Januar drei am Tag, Mai und Juni nichts.“ … „Jetzt Primobolan. Anfangs Nerobol (ein ungarisches Anabolikum).“

Neben den Anabolen Steroiden nehmen er und alle, mit denen er zu tun hat, noch Aufputschmittel.

Weiter zitiert Klein Manfred Ommer. Der Präsident des FC Homburg und ehemaliger Leichtathlet, der immer sein Doping während seiner aktiven Sportlerzeit zugab, schätzt, dass in beiden Fußballligen ca. 50% der Spieler gedopt sind.

„Nun kommt es aber im Fußball noch zu einer besonderen Form von Doping, wie man sie in anderen Sportarten nicht kennt. Spieler gehen hin und nehmen während des Trainings Aufputschmittel, um mit Leistung zu glänzen, weil davon wiederum die Aufstellung für die Begegnung am Wochenende abhängt. Der Trainer sieht, wie gut der Betreffende ist, und setzt ihn auch ein. Dann die Partie, und niemand kann die Entscheidung des Trainers verstehen, denn der Profi läuft herum wie „Falschgeld“. In den Tagen zuvor hat er Muntermacher geschluckt, als Folge kann er in den beiden letzten Nächten nicht schlafen „und ist platt wie eine Briefmarke“, wie Ommer, Homburg, sich ausdrückt.“

Ommer erzählt einiges aus dem Nähkästchen. So auch wie ein gedopter Spieler vor einer eine Urinkontrolle bewahrt werden kann:

„Ich begrüße den Doc und frage: Na, Doc, wie geht´s? Alles in Ordnung, antwortet der und will dann von sich aus wissen: Wen nehmen wir denn heute raus aus der Mannschaft? Das ist ein Weg. Oder bevor ein gedopter Spieler ausgelost werden könnte, spricht unser Doc mit dem DFB-Doc und erklärt ihm, ein bestimmtes Medikament sei unbedingt im therapeutischen Sinne erforderlich gewesen. Dann nehmen wir einfach die betreffende Rückennummer aus dem Pott. So einfach ist das.““

Kontrollsystem des DFB

Obwohl der DFB dem Deutschen Sportbund angehörte und damit die >>> Grundsatzerklärung des DSB und NOK auch für den Fußball galt, hatte der Fußball bis 1988 versäumt sich ein Antidoping-Reglement zu geben in dem verbindliche Verbotslisten und ein Kontrollsystem festgelegt waren. Damit hatten deutsche Fußballer nichts zu befürchten und konnten letztlich tun was sie wollten, es durfte nur nicht bekannt werden, damit keine Diskussion aufbrach. Lediglich bei Spielen die unter der Regie der FIFA und UEFA (UEFA: seit 1980 bei Europameisterschaften und den Endspielen um die Europacups) standen, konnten deutsche Spieler Gefahr laufen kontrolliert zu werden. Italien, Frankreich und Großbritannien hatten dagegen bereits in den 1960er Jahren im Fußball Kontrollen eingeführt. Erst im Jahr 1988 übernahm der DFB die Dopingliste des IOC, schloss sich aber in Folge nicht dem unabhängigen Dopingkontrollsystem des DSB an, sondern baute sich sein eigenes auf, was in den späteren Jahren für viel Kritik sorgte, zumal die Kontrolldichte sehr gering war.

>>> Dopingbestimmungen des DFB 1989

RUND:
„Viele Verantwortliche erinnern sich mit einem Schmunzeln an den Dopingkontrollraum im Vereinsheim des FC St. Pauli. Noch zu Erstligazeiten Mitte der 90er Jahre musste der Spieler zur Urinabgabe in einen Kellerraum. Dieser hatte eine unverschlossene Hintertür. Theoretisch hätte also jeder vorbeikommende Fan oder Kiezgänger dort anstelle des Spielers Wasser lassen können. Typisch dafür, wie lax lange Zeit kontrolliert wurde.“

Erinnerungen von DFB-Schiedsrichters Bernd Heynemann an ein Oberliga-Spiel von RW Erfurt bei Chemie Halle Anfang der 90er Jahre:
„In Halle sind die Örtlichkeiten nicht so reich gesegnet. Das heißt, die Dusche von Erfurt und die der Schiedsrichter war eine. Und ein Spieler hat gesagt: ,Ich muss zum Doping und kriege nichts raus.’ Da hat der Schiedsrichter gesagt: ,Gib mal her! Dann mach ich ein paar Tropfen rein.’ Damit war das Ding erledigt.“ Und wie es dann so ist: Die Dopingprobe war positiv, das Ganze ging vors Sportgericht.“

Laut Edwin Klein waren noch 1993 die Antidopingbestimmungen des DFB nicht wie gesetzlich gefordert ordnungsgemäß in die Satzung des Verbandes aufgenommen. Auch die Dopingdefinition sei schwammig und ungenau gewesen. Damit sei der Sportler nicht in der Lage gewesen, wie von Experten gefordert, sich durch das ‚höchste Regelwerk des Verbandes‘ genau über Doping und dessen Ahndung zu informieren. (E. Klein, S. 248)

Zu den Kritikpunkten, denen sich der DFB im Umgang mit Kontrollen gegenüber sah, gehörte die weite Auslegung der Anwendung von Medikamenten und die damit verbundene Frage, ob eine ärztliche Verordnung genüge, den Dopingtatbestand auszuschalten. Edwin Klein schildert in seinem Buch entsprechende Fälle von Medikamentenmissbrauch und der Umgehung von Kontrollen, z. B.:

„Es gibt zwei Dopingwelten. Und der DFB biegt sich seine Welt je nach Situation zurecht. Bestes Beispiel dafür ist der seltsame „Dopingfall“ des Profifußballers Raimond Aumann. Zuerst wird er für ein Spiel gesperrt, weil er Tabletten gegen höllische Zahnschmerzen eingenommen hat, die aber leider, wie so viele Schmerztabletten, Dopingsubstanzen enthalten. Pikanterweise handelt es sich bei der Begegnung am 26. April 1993, bei der Aumann zuschauen soll, um den Mega-Hit Bremen gegen Bayern. Am Spieltag selbst tagt der DFB und kommt zu dem Ergebnis, der Bayern-Torwart Aumann dürfe nun doch antreten. Begründet wird die Kehrtwendung damit, daß der Einsatz des Mittels unter medizinischen Aspekten absolut notwendig gewesen sei. Außerdem würden nach Aussagen von Fachärzten die Substanzen innerhalb von sechs Stunden abgebaut.

Daraus ergibt sich erstens: Dopingsubstanzen sind im DFB dann erlaubt, wenn das Mittel aus medizinischer Sicht notwendig ist.

Und zweitens: Dopingsubstanzen sind dann erlaubt, wenn sie bereits nach sechs Stunden abgebaut werden. Bekanntlich dauert eine Begegnung mit Halbzeit etwas mehr als 100 Minuten, also keine zwei Stunden. Könnten jetzt alle Spieler das Aumann-Medikament bedenkenlos vor einem Spiel einnehmen?

Um ganz sicher zu gehen, brauchen sie ihre Urinabgabe nur um vier Stunden hinauszuzögern, bis das Medikament abgebaut ist. Da die Lizenzfußballer vor der Urinabgabe duschen und sich umziehen dürfen, könnten sie einfach ihre Blase entleeren und anschließend bedauern, über Stunden kein Wasser lassen zu können.“

der Spiegel, 9.5.2005 berichtete über die schweren Folgen des hohen Medikamenteneinsatzes im Fußball wobei deutlich wird, dass im Fußball auf die Dopingbestimmungen kaum Rücksicht genommen wurde:
„Außerdem sind viele der Mittel heute als Dopingsubstanzen geächtet, mit denen die Clubärzte dereinst munter hantierten. Beim 1. FC Köln etwa wurde den Spielern zur Muskelmast nach Verletzungen, aufgelöst in Wasser, das Medikament Megagrisevit gereicht – es enthält den anabolen Wirkstoff Clostebol.“
– doch anabole Steroide waren auch zur damaligen Zeit bereits geächtet.

Die Stuttgarter Zeitung griff am 5.3.1994 die Praxis der Medikamentenbehandlung und der Dopingkontrollen des DFB ebenfalls auf und weist auf das darin enthaltene Missbrauchspotential hin.

„In anderen Sportarten sind derartige Behandlungsmethoden ohne schwerwiegende Folgen für Sportler und Mediziner unvorstellbar. Ließe sich etwa ein Leichtathlet nach einer Verletzung mit Anabolika auf Vordermann bringen, hätte er eine vierjährige Sperre zu befürchten. So lauten die Statuten des Deutschen Sport-Bundes DSB), an die sich fast alle Sportverbände genauso halten, wie sie das unabhängige Netz von Kontrolleuren, das der DSB geknüpft hat, akzeptieren. Die Fußballer jedoch brechen aus der Phalanx des übrigen Sports aus. Selbstherrlich beauftragen die Verbandsherren eigene, regionale Dopingkontrolleure. Pro Spieltag losen die Funktionäre eine, höchstens zwei Begegnungen aus, bei denen jeweils zwei Spleler pro Mannschaft zur Urinprobe bestellt werden. „Ich werde wenige Tage vor dem Splel vom DFB benachrichtigt, daß eine Kontrolle stattfinden soll“, berichtet Dr. Pavel Dolezel, Arzt am Olympiastützpunkt Stuttgart und zuständiger DFB-Aufpasser für die Bundesliga Begegnungen im Stuttgarter Daimlerstadion. Kurz vor Anpfiff, spätestens aber in der Halbzeitpause informiere er einen Mannschaftsvertreter – meist den Manager oder Klubarzt von der bevorstehenden Dopingkontrolle. Die Vereinsfunktionäre nehmen dann im Überkreuzverfahren (Vertreter der Heimmannschaft zieht die Spieler des Gegners und umgekehrt) die Auslosung der betroffenen Spieler vor.

„Das ist wie beim Lottosplelen“, beschreibt VfB-Manager Dieter Hoeneß die Prozedur. Die Rückennummern aller eingesetzten Spieler seien auf Plastikplättchen gestanzt, die aus einem Samtsäckchen gezogen würden. Nach dem Gang auf die Toilette, bei dem der Kontrolleur ebenfalls anwesend ist, werden die mit Urin gefüllten Reagenzgläschen für die A- und B-Probe doppelt verplombt und anschließend per Kurierdienst nach Köln zu Professor Manfred Donike transportiert. Zwei Wochen später werden die Vereine vom DFB schließlich über die Ergebnisse informiert. Den Inhalt des Schreibens kennen die Bundesliga-Manager wahrscheinlich schon auswendig: „… und konnten keinen Befund feststellen“.

Daß an diesem Verfahren munter manipuliert werden könnte, indem beispielsweise die Rückennummern mancher Spieler nicht berücksichtigt werden und andere Ziffern statt dessen doppelt in der „Tombola“ auftauchen. hält Hoeneß für „unwahrscheinlich“. Auch Pavel Dolezel glaubt nicht an Ungereimtheiten im DFB-Verfahren: „Das System ist in Ordnung.““

Sonderstatus DFB?

Franz Beckenbauer:
„Wenn ich Schnupfen habe und als normaler Mensch in die Apotheke gehe, damit ich mit dem Medikemant wieder gesund werde, ist das doch normal. Aber als Fußballer darf ich das nicht, da diese Medikamente auf der Dopingliste stehen.“ Das sei sinnlos, zumal Fußball ein Sport sei, der das ganze Jahr betrieben werde. „Wenn es ein Fall ist, der der Gesundung des Spielers dienlich ist, dann nehm‘ ich das her. Was ist überhaupt Doping?“ Der Begriff müsse richtig definiert werden.“
(FAZ, 3.3.1994)

Der Focus veröffentlichte am 28.2.1994 einen zweitenTeil aus Kleins Buch (nicht online). Darin gerät Dopinganalytiker Manfred Donike ins Zwielicht. Gestand er dem DFB Sonderrechte entgegen den gültigen Dopingbestimmungen zu?

Bekannt war, wie oben mehrfach erwähnt (VFB Stuttgart, Prof. Kindermann), dass im Fußball Spieler bei Verletzungen mit verbotenen Medikamenten wie Anabolika behandelt wurden und dass damit leicht die Grenze zum Doping überschritten werden konnte. Klein zitiert u. a. Dr. Uli Mann, Mannschaftsarzt des HSV, und Dr. Schläfer, FC Homburg 08, die angeblich keine Behandlungsunterschiede zwischen Fußballern und Normalpatienten machen wollten.

1989 wurde der Lizenzspieler Ralf Weber von der Frankfurter Eintracht wegen der Einnahme ephedrinhaltiger Nasentropfen entsprechend den Dopingbestimmungen für ein Spiel nicht aufgestellt. Das rief Dr. Schläfer auf den Plan, er wollte von der Dopingkommission des DFB wissen, ob das so rechtens sei. Teil seiner Frage war auch der Fall eines Spielers, der wegen Unfruchtbarkeit mit Testosteron behandelt wurde dabei aber Spieleinsätze hatte. Schläfer hatte den Fall in Form eines Nachtrags seinem Brief angefügt. Die Kommission leitete den Brief ohne Zustimmung des Arztes an Prof. Donike weiter mit der Bitte um Auskunft. Donike ging in seiner Antwort aber ausdrücklich nicht auf den Testosteronfall ein. Warum nicht? Nur weil er das Attest des Arztes nicht hatte?

Donikes Antwortschreiben scheint noch aus anderen Gründen interessant. Er benennt einige ephedrinhaltige Medikamente, die verboten waren, andere Mittel jedoch, die ebenfalls verboten waren, lässt er außen vor. DFB-Chefjustitiar Goetz Eilers nutzt diese Angaben und gibt sie entsprechend an die Mannschaftsärzte und Vereine weiter. Im Klartext heißt dies, es wurden offiziell verbotene Medikamente von Seiten des DFB als zugelassen erklärt. Es stellte sich jetzt die Frage, handelte es sich hierbei um ein Versehen, um undeutliche Worte Donikes oder gestand dieser den Fußballern Sonderrechte zu?

Später reichte Schläfer einen weiteren Fall an Donike weiter, in dem einem Spieler das Anabolikum Proviron in hoher Dosierung fachärztlich verordnet wurde („Die Dosierung von 25 Milligramm pro Tag reicht allemal aus für einen Gewichtheber von Weltformat mit 100 kg Körpergewicht, um sich für Olympia vorzubereiten“). Auch hierauf antwortete Donike nicht.

Für Edwin Klein stellte sich die Situation so dar, da keine Antworten auf die Frage nach der Zulässigkeit der Anabolika-Gaben erfolgten, weder von Donike noch von Seiten des DFB, wurde wohl gut geheißen,

„dass Proviron oder Anabolika im Fußball zumindest dann von oben abgesegnet sind, wenn ein Urologe die Substanz verordnet.“ Eine Überprüfung der Fälle scheint es offenbar nicht gegeben zu haben. (FOCUS, 28.2.1994)

Edwin Klein erwähnt in seinem Buch auch, dass in den DFB-Durchführungsbestimmungen bezüglich der Kontrollanalytik bei Proben aus dem Fußball nicht alle Methoden zur Anwendung kamen, wie sie mittlerweile vom IOC für von ihm anerkannte Laboratorien, damit auch für das Kölner Labor, vorgeschrieben waren und in anderen Sportarten selbstverständlich waren: das betraf die Dünnschicht-Chromatographie und die Hochdruckflüssigkeitschromatographie, wodurch der Nachweis von Anabolika und Corticosteroide erschwert bis unmöglich wurde. Zu dieser Zeit, 1993, wurde von Seiten Manfred Donikes auf einem Sportärztekonkress und danach von Fußballfunktionären behauptet, Anabolika spielten im Fußball keine Rolle und damit gäbe es auch kein Doping. Edwin Klein meinte dazu:

„Um es noch einmal ganz deutlich zu sagen: Anabolika sind im Fußball deswegen bedeutungslos, weil man sie nach der vorgegebenen Screeningprozedur gar nicht finden kann. Selbststverständlich kann es dann auch keine positive Analyse und keinen positiven Dopingfall geben.“ (E. Klein, S. 289)

Der DFB erwirkte gegen einige Passagen dieser Veröffentlichung eine einstweilige Verfügung.

„Er darf nicht wiederholen, daß der vom DFB beauftragte Arzt Dr. Ernst Leutheusser bei der Auslosung der für die Dopingtests vorgesehenen Spieler bei einem Zweitligaspiel des FC Homburg manipuliert habe. Zudem muß der Autor die Behauptung unterlassen, daß im September 1992 auf einer ärztlichen Bescheinigung des FC Homburg, die an den DFB adressiert war, hinter dem Namen Thomale das aufputschende Mittel Captagon aufgeführt worden war.“ Gegen viel weitere Behauptungen wolle der DFB noch vorgehen. Zudem bestritt der frühere Bundesliga-Trainer Rudi Faßnacht die Darstellung von Klein, „er habe seine Spieler zur Einnahme von Captagon aufgefordert. Faßnacht bestätigte aber Captagon-Genuß in der Bundesliga. „Captagon war in den siebziger Jahren bei den Profis die Modetablette. Überall, wo ich gearbeitet habe, war das Zeug im Umlauf“, sagte Faßnacht der Kölner Tageszeitung „Express“.“ (dpa, 4.3.1994)

In anderen Sportarten wurde der Druck auf den DFB, der durch Kleins Buch verursacht wurde, nicht ungern gesehen. Der Alleingang in Sachen Dopingkontrolle war schon lange von Misstrauen begleitet worden. So meinte der Vorsitzende der Antidoping-Kommission des DSB Hans Evers „Ich fürchte, daß das Dopingthema im Fußball so lange nicht zur Ruhe kommt, bis sich der DFB uns angeschlossen hat.“

Er forderte, der DFB solle sich dem unabhängigen Kontrollsystem des DSB anschließen, wie es alle Mitgliedsverbände außer dem Fußball und dem Tennis gemacht hätten. (dpa, 5.3.1994) Dieser Forderung schloss sich Ferdi Tillmann (CDU), Vorsitzender des Sportausschusses des Deutschen Bundestages, an. Der sportpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Wilhelm Schmidt meinte gar

„wir haben dem DFB nie über den Weg getraut. Für mich ist klar, daß der Fußball ein wirksames System haben muß.“

Die anderen Verbände wären mit dem Druck ‚der öffentlichen Förderung‘ zu einer einheitlichen Linie gezwungen worden, doch gegenüber dem DFB sei man ‚weitgehend machtlos, da dieser finanziell unabhängig sei‘. (die Welt, 5.3.1994)

Dr. Heinz Birnesser, Universität Freiburg:
„Es soll keiner erzählen, Fußballer seien Saubermänner.“
„Er räumt ein, daß bei einem Torwart als sogenanntem „Kurzleister“, bei dem es auf die Sprungkraft ankommt, mit Anabolika etwas zu bewirken ist.“
„Generell hält er Anabolika im Fußball mit seinen speziellen Anforderungen für „völlig unsinnig.“ Unter einem Muskelberg würden Ausdauer und Koordination leiden“.
„Wo es um viel Geld geht, ist die Gefahr von Mißbrauch immer größer.“ (Badische Zeitung, 1.3.1994)


„Zu seiner Freude, so Digel [DLV-Präsident], habe sich Professor Wilfried Kindermann, leitender Arzt des Verbandes, auf einer Tagung mit mehr Konsequenz gegen Doping ausgesprochen. Er ist auch Chefarzt des Deutschen Fußball-Bundes, der in Sachen Doping aktuell in der Schußlinie steht und von Digel auch kritisiert wird: „Wir können uns eine derart naive Diskussion wie der DFB nicht erlauben.“ Der Präsident des DLV bezieht sich dabei auch auf Aussagen des Fußball-Bundes, Doping sei schon deswegen im Fußball nicht als wirksam anzusehen, weil jede Woche gespielt werde.“ (die Welt, 14.3.1994)

Die Diskussion um die Gabe von anabolen Steroiden zur schnelleren Heilung nach Verletzungen im Fußball und ob oder ab wann damit ein Dopingverstoß verbunden ist, erhielt weitere Nahrung durch den Fall des ehemaligen Zweitliga-Torwarts des SC Freiburg Gerd Sachs, der im Winter 1991/1992 Anabolika bekommen hatte. Bekannt wurde dies aber erst 1994. Sachs habe sie sich spritzen lassen um schnell wieder fit zu werden. Trainer Volker Finke meinte dazu, der Spieler habe ihn nicht darüber informiert. Als die Club-Verantwortlichen davon erfahren hätten, wäre Sachs sofort ‚aus dem Verkehr gezogen worden.‘

„Trotz dieses Vorfalls, der dem DFB nicht gemeldet wurde, sprach sich Finke gegen Trainingskontrollen im Training für die Zukunft aus: „Das hat keinen Zweck. Der Verein muß selbst aufpassen, Trainer und Vereinsarzt müssen zusammenarbeiten.“ (Badische Zeitung, ?; dpa, 1.3.1994) Aber es gelte: „Fußball eignet sich nicht für Doping, weil es 40 Saisonhöhepunkte gibt. Wer jeden Samstag ran muß, hat mit Doping keine Chance.“ (Badische Zeitung, 1.3.1994)

Diese flexiblen Auslegungen, wann beginnt das Doping, wann sind Anabolika noch medizinische Notwendigkeit, waren, wenn man so will, in der DFB-eigenen Dopingdefinition festgeschrieben.

„Die Anwendung von Substanzen und Maßnahmen vor oder während des Wettbewerbs, die geeignet sind, den physischen und psychischen Leistungsstand eines Spielers künstlich zu verbessern, oder der Versuch von Dritten, solche anzubieten oder jemanden zu deren Verwendung zu veranlassen, wird als Dopingvergehen angesehen.“ Wie weit reicht der Begriff ‚vor einem Wettbewerb‘ zurück? Weiter als vor dem Wettkampftag selbst? (E. Klein, S. 277)

Handlungsbedarf bezüglich Kontrollsystem?
ab 1.1.1995 erste Trainingskontrollen

Eines hatte die Veröffentlichung des Buches von Klein jedoch bewirkt, der deutsche Fußballbund und seine Funktionäre sahen sich gezwungen sich der Frage einer Intensivierung und Änderung des Kontrollsystems zu stellen. Hinzu kam, dass in dieselbe Zeit, in der der Trubel um Kleins Buch statt fand, Enthüllungen über Doping im DDR-Fußball bekannt wurden. Erste Reaktionen aus der DFB-Zentrale ließen zwar wenig Änderungswillen erkennen, es hieß man werde in Ruhe überlegen, aber zunächst einmal geschehe nichts, Panikreaktionen seien unangebracht. Schließlich sei der Fußball, so auch Manfred Donike, keine dopingintensive Sportart.

Verglichen mit anderen europäischen Ländern stand Deutschland 1993 in der absoluten Zahl der im Fußball vorgenommenen Kontrollen garnicht so schlecht da. Italien war unerreichter Spitzenreiter mit 4000 Proben, Deutschland folgte mit 500, Frankreich hatte 400, Griechenland 300, England 160 Portugal über 500 und Niederlande keine aufzuweisen. Italien war zudem das einzige Land mit Trainingskontrollen. (sid, 11.3.1994)

Akuten Handlungsbedarf sah aus den Reihen des Fußballs somit erst einmal kaum jemand. Der Vorsitzen des Liga-Ausschusses Gerhard Mayer-Vorfelder kündigte an, das Anti-Doping-System von Experten überprüfen lassen zu wollen. Allerdings wurden kurzfristig die Geldstrafen für Dopingvergehen verdoppelt von 50 000 auf 100 000 Mark. (die Welt, 21.3.1994)

Verbandsarzt Prof. Kindermann plädierte zwar für eine unabhängige Kontrollinstanz wie von Evers vorgeschlagen, sah auch für den Einsatz von Anabolika in der Rehabilitation keine Notwendigkeit, sprach sich aber gegen Trainingskontrollen aus.

„Anabolika muß ich, um einen Effekt zu erreichen, mindestens zwei bis drei Wochen in Folge einnehmen. Dazwischen liegt aber immer wieder ein Spiel, selbst in den Vorbereitungszeiten.“

Überhaupt hätten Fußballspieler genügend Muskeln, würde man die noch verstärken, nähme die Verletzungsgefahr zu und die Beweglichkeit ab. Und Stimulanzien wären im Training nicht sinnvoll, die Spieler würden im Spiel abbauen und der Trainer das bemerken.

„Ich finde, man braucht nicht auch noch der Dummheit hinterherzukontrollieren.“

Die Nationalmannschaft ist seiner Meinung nach sowieso sauber, er habe da ein gutes Gewissen, der Arzt merke bei der Medikamentenkontrolle, ‚ob die Spieler offen sind oder nicht‘. (sid, 9.3.1994) Der Arzt als Garant für Dopingfreiheit wird auch von Nationalspieler Thomas Helmer (Bayern München) hervorgehoben, der meinte, Doping sei angesichts der medizinischen Betreuung aller Fußball-Profiklubs kein aktuelles Thema.

Schon bei leichten Erkältungen seien Profis teilweise vertraglich verpflichtet, ihren Mannschaftsarzt aufzusuchen, bevor sie Medikamente einnehmen.“ (Sächsische Z., 9.3.1994).

Auch Manfred Donike war nicht unzufrieden mit der DFB-Praxis. Es sei eine ‚Optimierung zwischen Aufwand und Abchreckung‘. Im Vergleich zu anderen Sportarten würde sogar mehr kontrolliert. Trainingskontrollen seien aber unverzichtbar. Zum Nutzen des Dopings im Fußball wird er Anfang 1995 wie folgt zitiert:

„Man muß das differenzieren. Jeder Fußballer ist unterschiedlich veranlagt. Es gibt Untersuchungen aus anderen Ländern, die belegen, daß dort im Fußball früher erfolgreich gedopt wurde. Fußball ist im weitesten Sinn eine Kampfsportart. Hierbei können Doping-Mittel die Reaktionsfähigkeit erhöhen und als psychischer Wachmacher wirken.“ (SportBild, 8.2.1995)

Ab dem 1.1.1995 konnten in der ersten und zweiten Liga ’stichprobenartig‘ Trainingskontrollen durchgeführt werden.

„“Wir wollen uns dem allgemeinen Trend nicht verschließen und ein eindeutiges Bekenntnis ablegen: Doping darf nicht sein im Sport“, erklärte DFB-Präsident Egidius Braun zur Verschärfung der Kontrollen.“ (sid, 24.10.1994)

Vielleicht wurde der Sinneswandel etwas angestoßen durch den Dopingfall Diego Maradona, der in der Endrunde der WM 1994 mit einem positiven Test auf Ephedrin weltweit für großen Wirbel gesorgt hatte.

Nachdruck erhielt diese Entscheidung mit dem Dopingfall des Bochumer Stürmers Roland Wohlfarth. Er hatte laut eigener Angaben ohne Rücksprache mit seinem Mannschaftsarzt Dr. Schubert vom 28.12. 1994 bis 4.1.1995 den Appetitzügler ‚Recatol‘, der Norephedrin enthält, eingenommen. Am 5. Januar 1995 wurde anlässlich eines Spieles positiv getestet. Wohlfarth wurde für zwei Monate gesperrt.

Nach den Dopingermittlungen im italienischen Fußball ab 1998 forderte Verbandsarzt Kindermann verstärkte Trainingskontrollen und gab zu, dass es zwar Bestimmungen dafür gäbe, diese aber nicht eingehalten würden.

„Bundesliga, DFB-Pokal, Europacup, Länderspiele: Angesichts des randvollen Terminplans sieht auch Kindermann die Gefahr, daß „jemand zu unerlaubten Mitteln greift“. Schon „rein präventiv“ komme der Fußball deshalb, sagt er, „an Trainingskontrollen nicht mehr vorbei“. Diese seien zwar in den Statuten verankert, fänden aber in der Regel nicht statt. Vor allem vor Saisonbeginn und vor dem Rückrundenstart seien Trainingskontrollen sinnvoll. An den Spieltagen selbst, soviel weiß Kindermann als Vorsitzender der Antidopingkommission des DFB, würden genügend A- und B-Proben auf Stimulanzien oder Anabolika untersucht: 600 Stichproben pro Saison, die sich auf je zwei Spieler von vier Spieltag für Spieltag ausgelosten Mannschaften erstreckten. Auch noch Trainingskontrollen zwischen zwei Spieltage in einer „englischen Woche“ zu schalten, hält Kindermann für überflüssig. „Das wäre russisches Roulette. Wer da verbotene Substanzen einnähme, fiele am nächsten Spieltag auf.“

Auch das künstlich produzierte und noch nicht nachweisbare Hormon Epo könne im Fußball „eine Rolle spielen“, wenn auch längst nicht so wie in den klassischen Ausdauersportarten Rad, Skilanglauf und Langstreckenlauf. Daß Kindermann zumindest von der „Unschuld“ der von ihm medizinisch betreuten Nationalspieler überzeugt ist, versteht sich; einen Freifahrtschein indes stellt der Professor der inneren Medizin der Fußball-Profiszene nicht aus. „Ich halte die immer wieder gern gebrauchte Aussage, Doping im Fußball bringe nichts, für falsch.“ Zumal in Anbetracht einer Häufung von Dopingfällen im französischen, italienischen und englischen Fußball.“ (FAZ, 31.7.1999)

Kindermann stand mit seiner Forderung nach einem besseren Kontrollsystem nicht allein. FIFA-Chef Blatter hatte sich ähnlich geäußert und für EM 2000 Besserung gelobt. Auch deutsche Spieler und Trainer sollen sich ähnlich geäußert haben:

Zitat Matthias Sammer, DFB-Sportdirektor, 30.10.2011

Zitat aus einem Sportgespräch von Philipp May, Deutschlandfunk, mit Matthias Sammer, DFB-Sportdirektor, gesendet am 30.10.2011, >>> Sportgespräch: „Es gibt keinen Erfolg mit einer flachen Hierarchie“.

May: …es ist aber […] auffällig, dass mittlerweile eine unglaubliche Athletik im Spiel ist. Die Spieler laufen mittlerweile bis zu 13 Kilometer in der Spitze, größtenteils im Sprint. … Fakt ist tatsächlich auch, dass Doping mehr und mehr ein Faktor wird im Sport Fußball. Es ist ganz klar, dass jemand, der sich jetzt beispielsweise mit EPO dopen würde, einen Vorteil hätte, einfach weil er mehr laufen könnte. Warum hört man daraus im Fußball so wenig, warum ist man da im Fußball so defensiv, was das Thema Doping angeht?
Sammer: Weil ich glaube, dass es das nicht gibt, das ist unmöglich. Du hast in der Bundesliga die Nationalspieler, ich glaub, die müssen jeden Ort angeben, […] im Nachwuchsbereich ham wir das ja nicht, wo sie sich aufhalten. Sie können zu jeder Tages- und Nachtzeit würde ich sagen, kontrolliert werden. Du hast am Wochenende Bundesliga, da kannst du kontrolliert werden, du hast in der Woche Champions League, da kannst du kontrolliert werden, du kannst zu jeder Zeit kontrolliert werden und dementsprechend. Ich auch, ja selber, habe es ja erlebt als Trainer, als Spieler, Doping hat nie eine Rolle gespielt. Entweder ich bin den ganzen Tag blind durch die Gegend gelaufen oder ich war der einzige, der es vielleicht nicht bekommen hat, das ist doch lächerlich. Doping spielt im Fußball keine Rolle, weil die Kontrollmechanismen. Europameisterschaften 1996, ich bin in den ersten drei Spielen bin ich getestet worden. Ich bin in den ersten drei Spielen hintereinander 96 getestet worden und wenn sie wissen, dass regelmäßig Kontrollen stattfinden und sie dopen sich trotzdem, ja glauben Sie, dass ganz viele positiv getestet werden und der Fußball ist in der Lage, das unter den Tisch zu kehren, das ist doch Nonsense. (…) Im Fußball, von den Voraussetzungen, wie Sie gesagt haben, sich zu dopen, könnte dazu führen eine höhere Leistungsfähigkeit mit einem entsprechenden Training zu haben. Aber es ist schier unmöglich, weil die Kontrollmechanismen viel zu eng sind und deshalb macht es kein vernünftiger Mensch, kein vernünftiger Verein und kein vernünftiger Verband. Das ist so.

May: Aber Blutkontrollen z. B. wie im Radsport, die ja gerade viele Mittel, die jetzt im Sinne Ausdauer-/ Leistungsfähigkeit wirken, aufdecken würden, gibt es nicht. Im Radsport wird trotzdem wahrscheinlich gedopt. Müsste der DFB da vielleicht nicht einfach mit positivem Beispiel vorangehen und sagen jawohl wir führen flächendeckend Blutkontrollen z. B.
Sammer: Wenn dieses Thema in Fragen der Glaubwürdigkeit auf der Kippe stehen würde, gebe ich ihnen recht. Aber Sie konfrontieren mich mit etwas, was im Fußball völlig, völliger Nonsense ist, völlig absurd ist. Es spielt da wo ich, und wo ich mich auskenne und es ist in nicht ganz wenigen Bereichen, keine Rolle. Sowohl, ich war Spieler, ich war auch in der DDR Spieler, auch da hat es bei uns überhaupt keine Rolle gespielt, weil wir angefangen haben, als ich in den Männerbereich gekommen bin, auch regelmäßig Dopingkontrollen haben stattgefunden. Ich bin nie damit konfrontiert worden und jetzt kommen Sie mit ihrer Fragestellung, die ja nicht ganz unberechtigt ist und stellen den Fußball, weil man, sagen wir mal, eine Konstellation hat, wie sie sich darstellt, so in ein zwilichtiges Licht, weil vielleicht die Blutkontrolle fehlt. Ich sage Ihnen eins, wenn ich die Nation befriedigen kann, machen wir am nächsten Wochenende überall Blutkontrollen und Sie werden zu dem gleichen Ergebnis kommen, weil das Thema im Fußball keins ist.

2023 Sonderstatus DFB im Kontrollsystem der deutschen NADA

In der öffentlichen 33. Sitzung des Sportsausschusses des Deutschen Bundestages am 24. Mai 2023 wurde über den Jahresbericht 2022 der Nationalen Anti Doping Agentur Deutschland (NADA) diskutiert. Dabei ergaben sich kritische Nachfragen zu der Einbindung des DFB in das deutsche Kontrollsystem.

Zitate aus dem Protokoll der 33. Sitzung:

Abg. Christian Görke (DIE LINKE.) … Im Anti-Doping-Bericht seien 62 vom Bund geförderte Sportfachverbände aufgelistet. Er bitte um Auskunft, warum der Deutsche Fußball-Bund als größter Sportfachverband nicht einbezogen sei.

PStS Mahmut Özdemir (BMI) … Da der Deutsche Fußball-Bund keine Bundesförderung erhalte, werde er auch nicht im Rahmen des Anti-Doping-Berichts geprüft. Die NADA habe mit dem DFB allerdings eigene Förderverträge und direkte Vertragsbeziehung.

Abg. Tina Winklmann (Bündnis 90/Die Grünen) bittet die NADA um Auskunft, ob es Defizite bei der Zusammenarbeit mit dem DFB bei Anti-Doping-Maßnahmen gebe, insbesondere vor dem Hintergrund des aktuellen Dopingfalls eines Spielers das HSV. Außerdem bitte sie um Hinweise, welche Verbesserungen im Profifußball in Deutschland angebracht seien.

Dr. Lars Mortsiefer (NADA) erläutert, dass es mit Blick auf den DFB schwierig sei, vergleichbare Ergebnisse zu erzielen, da dieser sich nicht einem minutiösen, von mehreren Organisationen geprägten, professionalisierten System der Kontrolle unterziehe. Das Verfahren um den Spieler des HSV zeige, dass der DFB durch selbst generierte, eigenständig entschiedene Maßnahmen durchaus vom international und national bekannten Anti-Doping-Konzept abweiche. Beispielsweise habe sich der DFB beim Thema der Sanktionsbefugnis ein eigene Disziplinarverfahren und eigenes Know-how aufbauen müssen. Das sei aus Sicht der NADA weder zielführend noch richtig. 90 Prozent aller anderen Sportverbände hätten das Ergebnismanagement und das Sanktionsverfahren an die NADA übertragen und nutzten damit deren professionelle Strukturen, Know-how und Erfahrung. Dies tue der DFB nicht. Gleiches gelte für das Regelwerk, das im vorliegenden Fall dazu geführt habe, dass selbst Rechtsmittelüberprüfungsverfahren sich durchaus schwieriger gestaltet hätten als dies bei anderen Verbänden der Fall sei. Von daher gebe es sicher noch Nachbesserungsbedarf. Andererseits habe sich der DFB den umfassenden Präventionsmaßnahmen der NADA angeschlossen, dies sei löblich, denn der Fußball habe hier in der Tat eine Strahlkraft. Es gebe Studien und Erkenntnisse, dass es Defizite im Bereich des Schmerzmittelkonsums im Fußball gebe, von daher sei der Präventionsansatz ein richtiger. Hier stehe man in der Zusammenarbeit mit dem DFB am Anfang, andere Verbände seien hier schon weiter. Die NADA wünsche sich, dass der DFB mit seiner Strahlkraft sich den Anti-Doping-Themen stärker widme.

Abg. Tina Winklmann (Bündnis 90/Die Grünen) bittet um Erläuterungen, wie der DFB seine Sonderrolle begründe und warum er nicht auf die professionellen und erfolgreichen Strukturen der NADA zurückgreife.

Dr. Lars Mortsiefer (NADA) stellt klar, dass die NADA nur Argumente für ihre Strukturen und Konzepte liefern und einen Werkzeugkoffer zur Verfügung stellen könne. Zur Entscheidung des DFB müsse man letztendlich die Entscheidungsgremien und Entscheidungsträger dieses Verbandes befragen. Eine ähnliche Sonderrolle gebe es beispielsweise auch im Profiboxen, wo man über Jahre und Jahrzehnte eigene Strukturen aufgebaut habe. Die NADA stehe jederzeit für eine Zusammenarbeit zur Verfügung und reiche jedem Sportverband die Hand.

>>> Dopingfälle im deutschen Fußball

Monika