Doping: Hamilton, Tyler – Radsport USA

Tyler Hamilton, Daniel Coyle:
THE SECRET RACE

Inside the Hidden World of the Tour de France: Doping, Cover-ups, and Winning at All Costs, 2012

Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte, 2012
2012

Jahrelang dopte Tyler Hamilton auf hohem Niveau, schwieg, leugnete und kämpfte schließlich gegen den positiven Befund des Fremdblutdopings an. Umsonst, das Sportgericht glaubte ihm nicht und sperrte ihn. Jahre später gibt Tyler sein Mauern auf und erzählt detailliert seine Dopinggeschichte. Eine Geschichte, die wesentlich dazu betragen sollte, Lance Armstrong endgültig vom Sockel zu stoßen. Tyler Hamiltons Bekenntnisse belasten jedoch auch andere Teams wie CSC und Phonak. Letztlich bestand das ganze Radsport-Doping-System mit den Insidern bekannten Personen, die in gewissem Maße auch austauschbar waren.

Doch wie glaubwürdig ist die Beichte eines notorischen Lügners und Betrügers? Eine Frage, die sich alle stellen mussten und müssen, die eine Kehrtwende vollzogen und gestanden oder gestehen werden.ylerHailtons Buch, das er mit Hilfe von Daniel Coyle verfasst hat, ist keine Biografie im herkömmlichen Sinn, denn sehr viel erfahren wir über ihn, seine Familie und sein Leben außerhalb des Radsports nicht. Selbst seine Sportlerkarriere wird überwiegend unter Dopinggesichtspunkten erzählt. So schildert er Rennverläufe, die für ihn wichtig waren, mit den entsprechenden Dopingunterstützungen im Vorfeld und im Verlauf und seinen damit verbundenen Erfahrungen. Für mich, die während dieser Jahre mit großer Begeisterung und Engagement das Geschehen verfolgte, aber dennoch nach dem Festina-Skandal begann den Dopingverdacht zu akzeptieren, wurden viele Episoden, Gespräche und Gefühle wieder lebendig und in ein klareres Licht getaucht, begleitet von einiger Wehmut.

Das Buch ist eine Doping-Biografie, nichts mehr und nichts weniger. Wer hierüber nichts wissen möchte, sollte das Buch lieber nicht lesen.
aus dem Inhalt
Als Tyler Hamilton Mitte der 1990er Jahre nach Europa kam, hatte er schnell begriffen, dass die fabelhaften Höchstleistungen anderer Fahrer wie z. B. des Tour de France-Gewinners von 1996 Bjarne Riis mit Doping einher gingen, Tyler nannte sie circus strongmen. Ohne EPO lief nichts. Es wurde nicht offen darüber gesprochen, doch untereinander gab es genug Andeutungen und Vermutungen. Tyler widerspricht zwar Prentice Steffen, dem damaligen US Postal Teamarzt, der später darüber berichtete Tyler und Marty Jamison hätten ihn 1996 um Dopingunterstützung gebeten, daran würde er sich nicht erinnern, doch Tyler bejaht, dass er und sein Kollege über die Leistungen im Peloton verwirrt waren und sich schnell Fragen stellten, wie diese zustande kommen konnten. Zumal die Teamleitung von ihnen Erfolge erwartete, die die Fahrer keinesfalls erbringen konnten. Er erwähnt, wie die beunruhigende Situation zunehmend in der Öffentlichkeit bekannt wurde und die UCI in Verantwortung für die Gesundheit der Fahrer gezwungen war, einzuschreiten. Die Antwort des Weltverbandes war die Einführung des Hämatokrit-Grenzwertes von 50 %, womit letztlich das EPO-Doping innerhalb eines bestimmten Rahmens von oben erlaubt wurde – das war allen klar, darüber gab es keine Zweifel. 1997 begann dann für Tyler unter Teamarzt Pedro Calaya das Doping. Es war sein drittes Profijahr und er hält fest, er hatte die Wahl, er hätte Nein sagen können, aber er sagte Ja, „I joined the brotherhood“. (Calaya wurde später von Armstrong durch del Moral ersetzt, der den Präparationsvorstellungen des Fahrers besser entsprach (David Walsh).)

Tyler beschreibt in Folge ausführlich sein Leben mit den Anwendungen, Vertuschungen, Lügen aber auch Selbstverständlichkeiten, er spricht von Verdächtigungen, die andere Fahrer betreffen, wie z.B. von PFC, künstlicher Blutersatz, das im Festina-Team angeblich 1997 zur Anwendung kam, oder dem Gerücht Ullrich habe in südafrikanischen Trainingslager 2001 Hemopure zur Verfügung. Er beschreibt die Energie, die Lance Armstrong aufbrachte um der beste der besten zu sein, auch im Doping, da er u.a. von der Vorstellung getrieben wurde, der Gegner habe immer noch etwas besseres zur Verfügung als er selbst. Hilfe brachte Arzt Michele Ferrari, dem Lance Armstrong fast blind vertraute und von dem er auch seine wichtigsten Fahrer und engsten Vertrauten betreuen ließ. Tyler gehörte einige Zeit dazu. Ergänzt wurde das System durch die Unterstützung Bruyneels, Teamarzt del Moral und Betreuer Pepe Marti. Nach der Festina-Affaire war öfters zu lesen, im Peloton habe ein Nachdenken eingesetzt, das EPO-Doping sei zurück gegangen zumal ab 2000 der neue EPO-Test Einhalt gebot. Zumindest im US Postal-Team war schnell Ersatz gefunden. Ferrari wusste mittels Bluttransfusionen und EPO-Mikrodosen zu helfen. Tyler spricht auch davon, dass Armstrong 2001 bei der Tour de Suisse positiv auf EPO getestet wurde, Lance aber nicht beunruhigt war, da ein Treffen angesetzt wäre mit den Verantwortlichen und somit alles geregelt sei. (Wie später bekannt wurde, spendete Armstrong später der UCI zweimal insgesamt 125 000.- Dollar für eine Bluttestmaschine die dem Lausanner Labor zur Verfügung gestellt wurde.)

Ab 2002 fuhr Tyler Hamilton für Bjarne Riis in dessen Team CSC-Tiscali. Auch hier ein ähnliches Szenario. Von Beginn an stand die ärztliche Betreuung in Verbindung mit einem Dopingprogramm. Es fehlte nur die gewohnte Rundumbetreuung, wie sie Tyler aus dem amerikanischen Team gewohnt war. Die Fahrer mussten sich nun selbst um das meiste kümmern, so dass er neben dem Training viel Aufwand für seine Besuche in Spanien und dem mit dem Doping verbundenen Versteckspiel betreiben musste. Dank seiner Frau ließ sich alles meistern, obwohl es stressig war. Riis bestand auf der Betreuung durch Luigi Cecchini, seinem verehrten eigenen Trainer aus den 90er Jahren, der nun für die Fahrer seines Teams für die Trainingsplanung und -überwachung zuständig war. Riis zwang Tyler nicht direkt zum Doping, empfahl aber nachdrücklich und reichte weiter an Eufemiano Fuentes, der die medikamentöse und dopingmethodische Betreuung übernahm, hier insbesondere die Organisation von Bluttransfusionen, die Riis dem Fahrer besonders nahe legte. So hatte der ehemalige Toursieger ein System installiert, das sich zwar öffentlich einigem Misstrauen ausgesetzt sah, aber dem nichts nachzuweisen war, denn Fuentes agierte weithin im Verborgenen. Cecchini selbst war zwar umstritten, aber es waren ihm nie Dopinghandlungen nachgewiesen worden. Auch Tyler nimmt Cecchini in Schutz, preist dessen überragende Trainingsbetreuung, lobt dessen menschlichen Qualitäten und erwähnt, dass er von ihm nie Doping angeboten bekommen habe. Im Gegenteil, der Mediziner warnte ihn vor all den Mitteln, die Fuentes Angebot ausmachten. Andererseits erwähnt er, dass ihm von Cecchini aufgetragen worden war, immer für einen angehobenen Hämatokrit zu sorgen. Tyler wusste, dass einige der Top-Fahrer, die von dem italienischen Arzt betreut wurden, gleichzeitig zu Fuentes Kunden gehörten wie Basso und Ullrich. Cecchini, von dem seit 2001 bekannt war, dass er Beziehungen zu Fuentes unterhielt (Vuelta: Casero versus Sevilla), wusste, so nehme ich an, sicherlich bestens über Fuentes Maßnahmen Bescheid und als guter Trainingswisssenschaftler und Arzt hatte er in seiner individuellen Betreuung das durchgeführte Doping mit einzubeziehen. Ist Cecchini nun ein Arzt mit sauberen Händen, wie Tyler ihn sieht, oder hält er mit seinem Tun und Lassen nicht das System am Laufen und macht sich mitschuldig? Diese Frage stelle Tyler in seinem Buch aber nicht.

2004 endete die erfolgreiche Radsportkarriere Tyler Hamiltons, nunmehr Topfahrer des Teams Phonak. Ihm wurde bei den Olympischen Sommerspielen in Athen sowie während der Vuelta a España Fremdblutdoping nachgewiesen. Bereits nach der Dauphiné Libéré war er von der UCI vorgeladen und verwarnt worden, da bei ihm auffällige Blutwerte festgestellt worden seien mit Hinweisen auf Fremdblut. Diese Verwarnung soll auf Anregung Lance Armstrongs geschehen sein, der sich maßlos über den Sieg Tylers am Mont Ventoux geärgert habe. Doch wie kam Fremdblut in Tylers Körper? Eine Erklärung hatte er nicht. Tyler berichtet auch von schweren gesundheitlichen Problemen während der Tour 2004 nach einer Bluttransfusion, bei der ihm ein Fuentes-Beutel durch Phonak-Ärzte verabreicht worden war. Für ihn war schnell klar, dass verdorbenes Blut die Ursache sein konnte. Bei Fuentes lief anscheinend einiges schief. Ob ihm der unsachgemäße Transport des Blutes angelastet werden kann, bleibt unklar, allerdings erwähnt Tyler Gerüchte, Jan Ullrich wäre es ebenso ergangen. Es spricht jedoch einiges dafür, dass die Verunreinigung der für die Transfusionen vorgesehenen Blutbestandteile mit Fremdblut auf unsauberes Arbeiten im spanischen Labor zurück gehen könnte.

Tyler Hamilton hatte sich entschlossen auf seiner Doping-Unschuld zu beharren. Mit riesigem finanziellen und zeitlichen Aufwand wurden Erklärungen für die Fremdblutbestandteile in seinem Körper gesucht. Er lernte immer besser zu lügen und zu täuschen, manches glaubte er mittlerweile selbst. Sogar einen Lügendetektortest bestand er. Vergeblich, er wurde für zwei Jahre gesperrt. Er hatte jegliche Glaubwürdigkeit verloren.

Nachdem Floyd Landis mit ähnlichem Werdegang beschlossen hatte, zu gestehen und die US Food and Drugs Administration (FDA) mit Jeff Novitzky umfangreiche Untersuchungen zu Lance Armstrong und dessen Teams aufgenommen hatte, musste sich Tyler Hamilton erneut entscheiden – endlich die Wahrheit sagen oder weiter lügen?

Jetzt entschloss er sich zu umfangreichen Aussagen. Das meiste dürfte in diesem Buch veröffentlicht sein.