Doping: die Rollen der Ärzte

Die Rolle der Ärzte im Dopingkomplex:
Analysen, Meinungen, Studien


Thomas Bach, DOSB-Präsident, auf dem 40. Sportärztekongress in Köln, Oktober 2007 (WZ, 2.10.2007):
„Der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) forderte die Sportmediziner in Köln auf, ihr Wissen nicht zur Unterstützung des Dopings im Sport zu missbrauchen, weil sie damit „die Basis ihrer eigenen Tätigkeit mit Füßen treten“. … „Wir mussten auf internationaler und nationaler Ebene feststellen, dass Ärzte Doping mit erschreckenden, abstoßenden und mafiösen Methoden geradezu orchestrieren. Doping ist aber weder mit dem Arztberuf noch mit dem Sport vereinbar.“


ANALYSEN, ARTIKEL, STELLUNGNAHMEN:

 

STUDIEN ZU ÄRZTEN UND DOPING

– 603 Sportmediziner aus 30 Ländern, die im Umfeld von Hochleistungssportlern arbeiten, hatten sich an einer online-Befragung/Studie zu ihrer Verschreibungspraxis von Corticosteroiden und ihren Kenntnissen der entsprechenden WADA-Vorschriften beteiligt. 85% von ihnen wandten die Mittel regelmäßig in sehr unterschiedlicher Weise an, aber nur 25 % von ihnen wussten über die genauen Vorschriften Bescheid. 5.3.2020:
bjsm: Glucocorticoid prescribing habits of sports medicine physicians working in high-performance sport: a 30-nation survey

– Mischa Kläber beschreibt in seiner empirischen Studie, Grundlage einer Dissertation zu Doping im Freizeit- und Breitensport (veröffentlicht 2010), dass ohne Ärzte wenig läuft. Sie sind fester Bestandteil dieser Dopingszene. Besonders schwierig scheint es nicht zu sein, Ärzte zu finden, die den Medikamentenmissbrauch unterstützen. Die Argumentation ist dieselbe, die man aus dem Profisport seit Jahrzehnten kennt.
>>> Mischa Kläber: Medikamentenmissbrauch im Freizeit- und Breitensport, S. 18 – 23
>>> Interview mit M. Kläber, 8.10.2009

– Eine Befragung von Ärzten an der TU München Ende 2004 ergab, dass 61 der antwortenden Mediziner in ihrem Praxisalltag mit Dopingfragen konfrontiert wurden.

„Vordergründig wollten die Athleten über Doping informiert und aufgeklärt werden. Das Interesse galt dabei häufig der Frage nach einer Konformität von Medikamenten mit der Doping-Liste, dicht gefolgt von Fragen zu Nahrungsergänzungsmitteln und Schutzmaßnahmen. In geringer, jedoch bereits alarmierender Anzahl wurde auch nach Leistungssteigerungen durch verbotene Medikamente, Nebenwirkungen des Dopings beziehungsweise Missbrauchsmöglichkeiten und Bezugsquellen gefragt. Die konkreten Nachfragen bezogen sich sowohl auf den Leistungs- als auch auf den Freizeitsport sowie auf das Bodybuilding.“

Und dies vor dem Hintergrund, dass das Thema Doping in der ärztlichen Ausbildung kaum berücksichtigt wurde (und wird?)
2006 Michna, Pabst: Dopingprävention aus Sicht der Sportmedizin!

– „Umfrage weist auf Defizite in der Ausbildung hin.
Doping aus ärztlicher Sicht: In einer groß angelegten schriftlichen Umfrage (2 667 Ärzte) gaben 61 Prozent der antwortenden Sportmediziner (Rücklauf: n = 472) an, im Rahmen ihrer ärztlichen Tätigkeit von Sportlern bereits allgemein auf das Thema Doping angesprochen worden zu sein, was auf ein Dopingproblem im ärztlichen Alltag hinweist.* Vordergründig wollten die Athleten über Doping informiert und aufgeklärt werden….“ Ärzteblatt 2005
2005 Ärzte zu wenig informiert

-Mangelhaftes Wissen zur Dopingproblematik zeigte eine Französische Studie. Eine Befragung von Allgemeinmedizinern im Jahr 2002, durchgeführt von P. Laure, erbrachte als Ergebnis, dass deren Wissen über Doping mangelhaft war. Eine effektive Dopingprävention wäre so nicht möglich. 89% der Ärzte sahen das selbst so, sie seien zwar zum Thema Prävention gefordert, aber nicht hinreichend informiert. Immerhin 37% der Ärzte wurden schon zu Dopingmitteln befragt, 11% um eine Verschreibung gebeten.
2003 General practitioners and doping in sport: attitudes and experience

wenig Scheu vor medikamentöser Nachhilfe:
1985: Eine Studie an einer französischen Universität erbrachte, dass 48 % der Pharmazie- und 42% der Medizinstudenten während ihrer Examen zu ‚Dopingmitteln‘ griffen.
(Sport&Vie, 7./8.2002)

Giselher Spitzer:

„Nahezu vergessen ist, dass Spitzensportler in der DDR einem Verbot der freien Arztwahl unterlagen. Ein Vorfall aus dem Jahre 1985 macht deutlich, dass die Mediziner generell mehr dem Leistungsauftrag des Sports verpflichtet waren als denen, die sich ihnen anvertrauten. Blutspenden von Elite-Ruderern für Nicaragua wiesen nach Meinung des Roten Kreuzes so gefährliche Blutwerte auf, dass sie nicht zu gebrauchen waren. Statt nun darauf hinzuwirken, dass sich die Blutwerte der Ruderer durch den Verzicht auf Doping bessern, befahlen DTSB-Präsident Manfred Ewald und seine Führung nur, Blutspenden von Leistungssportlern zu verbieten.

In solche Rollenkonflikte konnten Mediziner, Trainer und Wissenschaftler nicht nur in der DDR geraten. Aus diesen Beispielen des politisch fundierten Berufssports der DDR lässt sich lernen, dass jede Verpflichtung gegenüber anderen als den Betreuten eine Gefahr birgt. Dies kann im Fußball der Fall sein, wo Vereine Ärzte beschäftigen, die ihre Spieler fit spritzen für Einsätze oder Transfers. Das kann im Radsport geschehen, wo Teamärzte die Fahrer schneller machen sollen und resistent gegen Dopingkontrollen.“ (FAZ, 27.12.1999)

>>> Interview mit Sportmediziner Perikles Simon

Welche Möglichkeiten bestehen Ärzte wegen Dopings zu belangen? Prof. Dr. Ulrich Haas, Universität Zürich, fasste die Lage zusammen:
>>> HAAS: Sportarzt und Doping, Schweizerische Zeitschrift für «Sportmedizin und Sporttraumatologie» 57 (1), 19–22, 2009

Stellungnahme der Zentralen Kommission zur Wahrung ethischer Grundsätze in der Medizin und ihren Grenzgebieten (Zentrale Ethikkommission) bei der Bundesärztekammer zu
>>> Doping und ärztliche Ethik