Alltag und Sport: NEM- und Medikamentenmissbrauch
2009 Martin Nolte: Gutachten:
Einnahme verbotener Stoffe im organisierten Sport
>>> Einnahme verbotener Stoffe im organisierten Sport
Gutachten erstattet von Prof. Dr. jur. Martin Nolte im Auftrag des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB).
I. Problemstellung
Seit Jahren weist die World Health Organisation (WHO) auf eine beängstigende Zunahme des Medikamentenmissbrauchs hin. Damit verbunden sind enorme Gefahren für Volksgesundheit und Volkswirtschaft. Die Bekämpfung des Medikamentenmissbrauchs ist daher eine öffentliche Aufgabe; ihre Erfüllung liegt im Interesse der Allgemeinheit. Sie gehört zu den Grundanliegen einer verantwortungsvollen Gesundheitspolitik. Infolge grundrechtlicher Schutzpflichten obliegt die Bekämpfung des Medikamentenmissbrauchs zunächst dem Staat.
Aufgrund demokratischer Legitimation ist der parlamentarische Gesetzgeber gefragt – ihn trifft eine Primärverantwortung. Diese nimmt er wahr: Das Thema des Medikamentenmissbrauchs wurde im Deutschen Bundestag behandelt. Medikamentenmissbrauch ist jedoch kein Thema des Staates allein. Denn er zeigt sich in allen gesellschaftlichen Bereichen. Das größte gesellschaftliche Subsystem ist der organisierte Sport in Deutschland. Dessen Dachorganisation, der Deutsche Olympische Sportbund, betrachtet den zunehmenden Medikamentenmissbrauch innerhalb des Sports deshalb mit Sorge. Besonderes Augenmerk legt der Sport auf die Verteidigung seiner ethischmoralischen Werte. Darauf gründet der DOSB sein außerordentliches Engagement gegen Doping als Einnahme verbotener Stoffe zur künstlichen Leistungssteigerung. Der Staat wahrt diese Autonomie. Er richtet seine Maßnahmen nur gegen Rahmenhandlungen des Dopings zum Schutze der Volksgesundheit, des Vermögens Anderer oder des ordnungsgemäßen Arzneimittelverkehrs.
Vor diesem Hintergrund besteht eine komplexe Gemengelage mit zahlreichen Schnittmengen: Beim Medikamentenmissbrauch geht es um die Primärverantwortung des Staates und die Sekundärverantwortung des Sports. Beim Doping besteht eine Primärverantwortung des Sports, die von einer Sekundärverantwortung des Staates flankiert wird. Begriffliche, inhaltliche und personelle Abgrenzungsprobleme sowie multidisziplinäre Fragen nach aktuellen und zukünftigen Steuerungsmöglichkeiten sind die Folge. Diese veranlassten den Deutschen Olympischen Sportbund, vertreten durch seinen Direktor für Leistungssport Herrn Dr. Ulf Tippelt, dazu, den Unterzeichner um Anfertigung einer Argumentationshilfe zum Thema „Einnahme verbotener Stoffe im organisierten Sport“ zu bitten. Dieser Bitte ist der Unterzeichner durch Beantwortung der nachfolgenden Fragen sehr gerne nachgekommen.
II. Zu begutachtende Fragen im Überblick
1. Frage: Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um von organisiertem Sport sprechen zu können?
2. Frage: Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um von Medikamentenmissbrauch sprechen zu können?
3. Frage: Wann ist von Leistungssteigerung durch die Einnahme pharmazeutischer Produkte zu sprechen?
4. Frage: Ist eine Unterscheidung zwischen der Einnahme von frei verkäuflichen, apothekenpflichtigen und verschreibungspflichtigen Präparaten möglich? Nach welchen Kriterien werden diese voneinander abgegrenzt?
5. Frage: Welche Vorschriften existieren zur Deklarierung von Nahrungsergänzungsmitteln? Welche Kriterien werden vor Marktzulassung von Nahrungsergänzungsmitteln zur Beurteilung angelegt?
6. Frage: Kann von Doping gesprochen werden, wenn ein Sportler nicht an Wettkämpfen teilnimmt? Ab welchem Wettkampfniveau (1. Dimension: Schüler – Jugendliche – offene Klasse – Senioren; 2. Dimension: kommunal – regional – national – international) kann von Doping gesprochen werden?
7. Frage: Gelten bei breitensportlichen Veranstaltungen wie Volksläufen, 24h-Schwimmen, Altherren-Turnieren etc. der Nationale Anti-Doping Code oder vergleichbare Regelwerke der Verbände? Ist folglich ggf. von Medikamentenmissbrauch oder Doping bei solchen Veranstaltungen zu sprechen?
8. Frage: Gelten der Nationale Anti-Doping Code oder vergleichbare Regelwerke der Verbände für Vereinsmitglieder, wenn diese im vereinseigenen Fitnessstudio trainieren? Ist folglich ggf. von Medikamentenmissbrauch oder Doping zu sprechen?
9. Frage: Gibt es Unterschiede zwischen Pferdesport und Humansport bezogen auf die Abgrenzung zwischen Medikamentenmissbrauch und Doping?
10. Frage: Wie ist die ärztlich nicht verordnete Einnahme apotheken- und/oder verschreibungspflichtiger Substanzen im organisierten Sport juristisch zu bewerten?
11. Frage: Wie kann Medikamentenmissbrauch juristisch geahndet werden? Welche Unterschiede bestehen für Minderjährige und Volljährige?
12. Frage: Wie kann die illegale Ab- und Weitergabe verschreibungspflichtiger Medikamente geahndet werden? Welche Unterschiede bestehen für Minderjährige und Volljährige?
13. Frage: Welche Vorkehrungen in Satzungen, Vereins-, Verbands- und Veranstaltungsregelwerken können getroffen werden, um sowohl Medikamentenmissbrauch wie Doping verhindern zu können?
14. Frage: Welche gesetzlichen Regelungen sind existent oder notwendig, um Medikamentmissbrauch verhindern zu können?