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2011/2012 Offene Briefe von Andreas Krieger an die IAAF betreff Streichung seiner Leistungen
>>> Heidi Krieger, DDR-Kugelstoßerin in den 1980er Jahren, wurde bereits mit 16 Jahren mit anabolen Steroiden gedopt und ist heute anerkanntes Dopingopfer. 1997 unterzog sie sich einer geschlechtsangleichenden Operation und lebt heute als Andreas Krieger. Mit viel Energie setzt er sich gemeinsam mit seiner Frau >>> Ute Krieger-Krause, ebenfalls anerkanntes Dopingopfer, für einen dopingfreien Sport ein.
Für Andreas Krieger haben seine Bestleistungen, die mit Hilfe leistungssteigernder Medikamente erreicht wurden, keinen Wert mehr.
Im Dezember 2011 wandte er sich mit einem Offenen Brief an den Internationalen Leichtathletikverband (die International Association of Athletics Federations (IAAF)) und verlangte die Streichung seines Namens aus allen Rekord- und Bestenlisten. Aktueller Anlass des Offenen Briefes war die neu eingeführte IAAF-Liste World Junior Indoor Records, auf der Heidi Krieger mit einem Rekord von 1984 aufgeführt war.
Andreas Krieger informierte den DLV über den Antrag und hoffte, dass sich nun auch der DLV gezwungen sähe, seinen Namen und die damit verbundenen Bestleistungen aus den verschiedenen Statistiken zu streichen. Der DLV, hier Dr. Clemens Prokop, reagierte jedoch erst einmal nur mit einer kurzen Mitteilung, er habe IAAF-Präsident Diack ersucht, dem Antrag auf Löschung des Rekords stattzugeben. Darüber wie der DLV mit der Angelegenheit umzugehen plant, wurde kein Wort verloren. Andreas Krieger ist jedoch bereit, sich notfalls juristischen Beistand zu holen.
Außer ihm haben bislang Ines Geipel und Gesine Tettenborn, geb. Walther, beide Leichtathletik sowie Petra Schneider, Schwimmen, die Streichung ihrer Namen aus Bestenlisten beantragt.
Der DLV war zumindest bereit die Namen durch Sternchen zu ersetzen, die Zeiten blieben erwähnt. Nach Meinung des DLV sei es ihm juristisch nicht möglich gewesen dopingbelastete Rekorde zu streichen. Dies wurde von anderer Seite bestritten zumal ein Gutachten vorliegt, wonach eine entsprechende Bereinigung der Rekordlisten sehr wohl möglich scheint (Gutachten Breucker/Wüterich, s.a. Links im Kasten).
Der Deutsche Schwimmverband (DSV) führt Petra Schneider weiterhin auf (DSV-Rekorde).
Am 30.9.2012 wiederholte Krieger gegenüber dem DLV seinen Wunsch, sein Name solle auch aus allen deutschen Bestenlisten gestrichen werden:
„Aus hinlänglich bekannten Gründen fordere ich den DLV auf, meine Leistungen und meinen Namen komplett aus den Bestenlisten des DLV zu streichen.“
Am 22.10.2012 teilte der DLV Heidi Krieger mit, ihr Name sei aus den Bestenlisten gestrichen worden, konkret handele es sich um ihre Bestleistung im Kugelstoßen von 1984.
Der IAAF antwortete Anfang Februar über den DLV und verlangte von Andreas Krieger noch Präzisierungen:
– wann Sie verbotene Substanzen während ihrer aktiven Laufbahn benutzt haben
– wie die Bezeichnung bzw. der/die Namen der verbotenen Substanz(en) lautet(en).
Der DLV hatte nach eigenen Angaben versucht die IAAF davon zu überzeugen, dass aufgrund des Offenen Briefes die Beantwortung dieser Fragen sich erübrigen sollte, doch vergebens.
Andreas antwortete am 27.2.2012 mit einem zweiten Offenen Brief.
Die IAAF reagierte und bot die Streichung des Juniorrekords von 1884 an, Andreas Krieger verlangt jedoch die Streichung seines Namens und aller Resultate aus den IAAF-Bestenlisten im Junioren- und Erwachsenenbereich.
>>> Andreas Krieger, 1. Offener Brief an die IAAF, 5.11.2011
>>> Andreas Krieger, 2. Offener Brief an die IAAF, 27.2.2012
1. OFFENER BRIEF AN DIE IAAF 5.12.2011
International Association of Athletics Federations
IAAF-Präsident Lamine Diack
17 rue Princesse Florestine
BP 359
MC98007 Monaco
Magdeburg, den 05/12/2011
Offener Brief
Sehr geehrter IAAF-Präsident Lamine Diack.
Mein Name ist Andreas Krieger (geboren als Heidi Krieger am 20. Juli 1965 in Berlin). Ich war Leistungssportlerin (Leichtathletik: Kugel/ Diskus) von 1979-1991 in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik. Heute bin ich ein nach dem Dopingopferhilfegesetz der Bundesrepublik Deutschland staatlich anerkanntes Dopingopfer.
Anlass meines heutigen Schreibens ist Ihr Vorhaben, dass Sie erstmals, wie mir mitgeteilt worden ist, ab 2012 für Junioren und Juniorinnen eine offizielle Hallen-Weltrekord-Liste zu führen und zu veröffentlichen.
Wenn es dazu kommt, wäre dies eine äußerst fragwürdige Rekordliste, als Orientierung für junge Sportler.
Ihnen dürfte ausreichend bekannt sein, dass viele dieser durch deutsche Sportler und Sportlerinnen erzielten Rekorde nur unter dem menschenverachtenden Zwangsdoping in der DDR entstanden sind.
Sportler wurden zu Höchstleistungen gedopt, meist ohne ihr Wissen. Ihnen wurden durch ihre Trainer bzw. Mediziner verschreibungspflichtige Medikamente bzw. Substanzen verabreicht, die ihre Körper langsam vergifteten.
Doping und die Forschung mit Dopingmitteln wurden zum Staatsplan in der ehemaligen DDR und Menschen zu Versuchskaninchen für die perfide Eitelkeit eines Staates gemacht.
Ebenso dürfte Ihnen auch nicht entgangen sein, dass es nach der Wiedervereinigung beider deutscher Staaten umfangreiche polizeiliche Ermittlungen, Gerichtsprozesse und rechtskräftige Verurteilungen von Doping-Tätern gab, mit denen genau dieses menschenverachtende Dopingsystem der DDR aufgedeckt und vor der Weltöffentlichkeit demaskiert wurde.
Trotz dieses wissenschaftlich und juristisch gesicherten Wissens konnten Sie sich nicht dazu entschließen, die unter Doping- Missbrauch erzielten Weiten und Zeiten aus denRekordlisten der IAAF zu entfernen.
Somit werden von Ihnen fatalerweise dopingverseuchte Weiten und Zeiten als eine erstrebenswerte Leistung dargestellt.
Diese Praxis wollen Sie jetzt auf den besonders sensiblen und zu schützenden Personenkreis der Junioren / Juniorinnen ausweiten.
Diese Botschaft ist grundlegend falsch, da mit der Anerkennung einer verseuchten Rekordliste die Dopingmentalität gefördert und nicht ihr entgegengewirkt wird. Schlimmstenfalls befördern Sie mit Ihrer verseuchten Rekordliste die Bereitschaft bei jungen Sportlern, mit unlauteren Mitteln zu arbeiten.
Damit verlieren nicht nur die Leichtathletik, sondern der organisierte Sport insgesamt und mit ihm auch die Sportverbände noch mehr an Glaubwürdigkeit.
Daher verstehe ich Ihre Beweggründe umso weniger, mit verlogenen Rekorden zu werben und gleichzeitig für einen dopingfreien Sport eintreten zu wollen.
Ich bitte Sie hiermit und fordere Sie dringend auf, mich aus sämtlichen Bestenlisten der IAAF im Kugelstoßen und Diskuswurf bei den Jugendlichen, Junioren und im Erwachsenenbereich komplett zu streichen.
Setzen Sie Ihrerseits ein Zeichen und vermerken Sie an dieser Stelle, dass meine Leistungen auf eigenen Wunsch aus den Bestenlisten gestrichen wurden, da sie unter Zwangsdoping in der DDR erzielt wurden.
Zugleich fordere ich Sie auf, Ihre Antidopingpolitik neu zu überdenken. Ich würde mir wünschen, dass Sie die Größe besäßen, einen konsequenten Neustart zu wagen.
Trennen Sie Sich von Dopingtrainern und Dopingärzten, denn sie schaden dem Sport mehr, als sie ihm nützen.
Sorgen Sie dafür, dass nicht mehr HÖHER gedopt, SCHNELLER Kasse gemacht
und WEITER betrogen wird.
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Krieger
2. OFFENER BRIEF AN DIE IAAF, 27.2.2012
Andreas Krieger
Faßlochsberg 10
39104 Magdeburg
Germany
International Association 01 Athlelics Federations
IAAF-Präsident Lamine Diack
17 rue Princesse Flofestine
BP359
MC98007 Monaco
Magdeburg, den 27/02/2012
Offener Brief
Sehr geehrter IAAF-Präsident Lamine Diack,
sehr geehrter IAAF-Generalsekretär Essar Gabriel,
ich nehme Bezug auf Ihr Antwortschreiben vom 31.01. 2012. Darin fragen Sie u.a. nach Erläuterungen meinerseits, welche verbotenen Dopingmittel und Substanzen ich als ehemaliger DDR Sportler benutzt haben soll.
Eine solche Formulierung weise ich mit allem Nachdruck zurück. Indem Sie das Wort ,benutzen‘ verwenden, impliziert dies, ich hätte bewusst, also mit Wissen und Absicht, Dopingmittel zur unerlaubten Leistungssteigerung verwendet.
Gegen eine solche Verkehrung der Tatsachen verwahre ich mich mit allen mir zu Gebote stehenden Mitteln. Eine solche, von Ihnen genutzte Formulierung muß als persönliche Herabwürdigung begriffen werden und als bewusste Beschädigung eines Athleten, der in seiner ganzen Sportkarriere, und darüber hinaus bis heute, für einen fairen dopingfreien Sport eingetreten ist.
Nehmen Sie endlich zur Kenntnis:
Ich bin innerhalb eines verbrecherischen staatlichen Dopinqsystems gedopt worden, ohne es zu wissen oder jemals darüber zu Athletenzeiten informiert worden zu sein.
Die IAAF als internationale olympische Föderation sowie der Deutsche Leichtathletik-Verband, die mit Dopingfragen aller Art befasst sind, kennen z. B. die vom Deutschen Bundestag in Auftrag gegebenen vorliegenden wissenschaftlichen Studien etwa des Bundesinstituts für Sportwissenschafl der Bundesrepublik Deutschland. Sie haben ebenso Kenntnis von den rechtskräftigen Urteilen diverser Gerichte der Bundesrepublik Deutschland bis hin zum Bundesgerichtshof, in denen der Straftatbestand vorsätzlicher Beihilfe zur Körperverletzung an Minderjährigen innerhalb des DDR-5porls festgestellt worden ist.
Ich gehöre zu denen, die als junge Sportler/innen durch DDR-Trainer und -5portmediziner mit illegalen Drogen vergiftet wurden. Meine diesbezüglichen Angaben sind durch die Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland überprüft und bestätigt worden.
Gemäß dem Doping-Opfer-Hilfe-Geselz der Bundesrepublik Deutschland vom 24.08.2002 bin ich staatlich anerkanntes Dopingopfer der ehemaligen DDR.
Im übrigen muss ich meine Verwunderung darüber ausdrücken, dass Sie bei eventuellen Fragen zu meinem Anliegen nicht die Kompetenz von Herrn Prof. Digel zu Rate ziehen, der Mitglied im IAAF-Council ist und als Deutscher die Problematik des staatlichen DDR-Dopings und die dazu – auch zu meiner Person – vorliegenden Dokumente sehr genau kennt.
Ich fordere Sie hiermit erneut auf: Streichen Sie meinen Namen und meine Resultate aus Ihren IAAF-Bestenlisten im Junioren- und Erwachsenenbereich. Bereinigen Sie die IAAF-Bestenlisten von dopingverseuchten Rekorden.
Kommen Sie Ihrer Verantwortung als großer olympischer Verband nach. Verhindern Sie, dass sich junge Sportler/innen an verseuchten Rekorden orientieren. Setzen Sie ein Zeichen für sauberen Sport und vermelden Sie an Stelle meines Namens, dass ich die von mir erzielten Resultate auf Grund von Zwangsdoping in der DDR habe streichen lassen.
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Krieger