Cofidis 1999 – Drogenbericht
Auszug aus dem FAZ-Artikel: „Leistungen jenseits des Menschenmöglichen“, 3.4.2004:
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Die französische Sport-Tageszeitung „L’Equipe“ zitierte am Freitag aus einer Publikation des Wissenschaftlers Seznec, in der dieser 1999 über gravierende Suchtprobleme in einem anonym belassenen Profiteam berichtet. Das Blatt macht angesichts der Ermittlungen gegen die französische Mannschaft Cofidis nun bekannt, daß die Arbeit auf Recherchen in genau diesem Team basierte. Am Donnerstag wurde formell Anklage auch gegen die Cofidis-Fahrer Cedric Vasseur und Mederic Clain wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz erhoben; ihr am 14. Januar in Untersuchungshaft genommener Betreuer Boguslaw Madejak soll auf freien Fuß gesetzt werden.
Das Gefühl der Allmacht
In seiner wissenschaftlichen Arbeit beschreibt Seznec, daß Radprofis von Cofidis sich im Hotel am Abend zwischen zwei Etappen mit hohen Dosen des Beruhigungsmittels Stilnox berauschten: „Die Suchtprobleme entstanden im Laufe dieser Saison 1999 . . . ursprünglich aus einer gestörten Haltung.“ Rennfahrer des Teams besuchten – auch während Etappenfahrten – Nachtclubs und Prostituierte, konsumierten Viagra, Alkohol und vermutlich weitere Drogen. Neulingen im Team würden, als Initiationsritus, ohne ihr Wissen Medikamente ins Essen gemischt. „L’Equipe“ ergänzt den Bericht um den Hinweis, daß Stilnox im vergangenen Herbst von Cofidis-Fahrern zerrieben, mit Ephedrin gemischt und geschnupft worden sei wie Kokain. Mehrere Fahrer hätten im Rausch in der achten Etage eines Hotels von einem Balkon auf den anderen klettern wollen.
Die Verantwortlichen des Teams – damals die selben wie heute – hatten den Wissenschaftler um die Untersuchung gebeten, da sie Unfälle ihrer Fahrer im Rausch befürchteten. Seznec bescheinigte ihnen, ein schlechtes Krisenmanagement und das Fehlen einer wirkungsvollen Autorität; dies habe bei den Fahrern das Gefühl von Allmacht bewirkt. Die Teamleitung habe lediglich schriftlich über die Schädlichkeit des Produktes informiert. „L’Equipe“ überschrieb den Artikel mit dem Satz: „Cofidis wußte, daß es krank ist.“
Der Psychologe beschreibt, in der Mannschaft seien sich „ein Leader, der mißbräuchlich Drogen einnahm, mit einer womöglich gestörten Persönlichkeit, die Provokation, Manipulation und Perversion verband, und ein verletzliches Team“ begegnet. Der Mannschaftskapitän habe die Doppeldeutigkeit genutzt, daß er Substanzen einnahm, sich anormal verhielt und die Fähigkeit hatte, sportliche Resultate zu erzielen. „Er hat ein Vorbild dargestellt und andere Rennfahrer zu sich hingezogen“. „L’Equipe“ schreibt nicht, daß in jener Saison der Belgier Frank Vandenbroucke Kapitän des Teams Cofidis war; er gewann damals den Klassiker Lüttich – Bastogne – Lüttich und zählt zu den Favoriten der am Sonntag stattfindenden Flandern-Rundfahrt.
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Cyclingnews.com berichtet am 2.4.2004: „History of trouble at Cofidis“
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The 1999 analysis of the riders was written by Dr. Jean-Christophe Seznec, a sports psychiatrist at the Bicêtre hospital in France and published originally in the Annales médico-psychologiques. In his report he outlined a variety of observations of drug use and dependency, though the focus on Stilnox as a common thread was aimed more at the behavioural traits of the riders as the drug does not feature on the UCI’s list of banned substances and is not thought to be a enhance athletic performance. Its hypnotic effect, however, is of concern particularly for the riders‘ safety, as it has prompted disorientation and a dangerous fearlessness, such as passing from one hotel room to another by way of an eighth story balcony.
Seznec described the drug’s effect, when taken in heavy doses, as hypnotic and intoxicating, also prompting „antisocial“ behaviour among its users, including riders slipping out of hotels during stage races to spend the night with a mistress or prostitute (returning early the next morning before the next stage), using other drugs such as Viagra or drinking alcohol, ‚hazing‘ new team members by mixing drugs in their food, etc. The doctor expressed concern that professional athletes are among the most susceptible to chemical dependency, due to a variety of cultural and biological factors.
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„The harsh reality caused loss of cohesiveness in the group and provoked values that put each person in a defensive, and somewhat depressive state… The team management doesn’t have the stature to handle a crisis like that.“
Seznec further implies that Cofidis‘ management did not do enough to control the situation, of which it was apparently aware.
„The crisis wasn’t dealt with, and it was allowed to grow,“ he said. „The absence of an effective authority gave the riders a feeling of power. The only action taken by the management was to send the riders a letter explaining the danger of the drug.“