Deutsche Ärzte und Doping
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Ernst Jakob
Dr. Ernst Jakob gehörte von 1983 bis 1997 zum Team von Prof. Joseph Keul (Promotion bei Keul) in Freiburg. Seit 1997 leitet er als Ärztlicher Direktor das Sportkrankenhauses Hellersen bei Lüdenscheid.
Seit 1984 war er Verbandsarzt Ski nordisch des Deutschen Skiverbandes, seit 1988 Olympia-Arzt und verantwortlicher Arzt bei Nordischen- und Biathlon-Weltmeisterschaften. Er war Teamarzt der Radteams Coast, Bianchi und Gerolsteiner.
1988 wurde eine Testosteron-Studie vorgestellt, die von einer Forschergruppe um Prof. Joseph Keul mit öffentlichen Geldern durchgeführt wurde, „Testosteronapplikation und Leistungsfähigkeit bei Skilangläufern“. Ernst Jakob war einer Autoren, auch Manfred Donike gehörte dazu. Ein Ergebnis der Studie war angeblich, dass kein Einfluss auf die Leistung festgestellt werden konnte, allerdings wurden gleichzeitig erhebliche methodische Mängel beschrieben, durch die das Ergebnis relativiert wurde. Jakob meinte 2007,
„das Ergebnis unserer Studie zeigte keinen Wirksamkeitsnachweis von Testosteron auf die Leistungsfähigkeit. Auch wenn es positive Testosteronfälle gibt, die auf eine Wirksamkeit hindeuten, weil die Betroffenen das Präparat sonst nicht eingenommen hätten, bleibe ich bei der Richtigkeit unseres Studienergebnisses“ (SZ, 28.5.2007). Singler/Treutlein meinten 2000: „Aufmerksame Leser der Untersuchung könnten jedoch auch ganz andere Schlussfolgerungen ziehen, nämlich dass höherer Dosierungen für einen Regenarationseffekt notwenig wären und dass Testosterondoping in anderen Trainingsphasen als ausgerechnet dem ‚lockeren Aufgalopp‘ zum Vorbereitungsbeginn durchaus Sinn machen könnte.“ (1)
Im Jahr 2009 prüften Experten die Ergebnisse einer Dissertation, die im Rahmen dieser Studie angefertigt wurde. Fazit:
„„Anabol androgene Steroide erhöhen die Ausdauerleistung von Athleten durch eine gesteigerte Bildung von roten Blutkörperchen“, sagt der Testosteronexperte Dr. Luitpold Kistler, „das steht sowohl in der Doktorarbeit als auch in der Literatur. Daran gibt es keinen Zweifel. Man kann auch sagen, dass Testosteron die Regeneration eines Sportlers durch eine bessere Reparatur stark beanspruchter Muskulatur steigert.““ (FAZ, 2.2.2009)
Diese Studie (zusammengesetzt aus mehreren Teilstudien), in der Testosteron an Athleten gegeben wurde, war damals nicht die einzige. Sie waren genehmigt, geprüft und politisch gewollt. Sie wurden allerdings heftig kritisiert, nach dem sie öffentlich bekannt wurden. (dradio, 22.2.2009, 4:47) Die Dopingsituation jener Zeit, die geprägt war durch den Wettlauf der politischen Systeme und hohen Anabolikamissbrauch auf beiden Seiten, schuf ein Klima, in dem die entsprechende Forschung durchaus als Dopingforschung betrachtet werden kann. Die an den Studien Beteiligten müssen sich daher auch heute noch nach mehr als 20 Jahren kritischen Fragen stellen. Dr. Jakob gehört dazu. Die Süddeutsche Zeitung schrieb z.B. in ihrer Ausgabe vom 26./27.10.1991, dass Sportmediziner Jakob noch 1991 die Injektion des Dopingmittels Testosteron vehement verteidigte:
„Es gibt nirgendwo in der Fachliteratur Gegenanzeigen, daß das körpereigene Testosteron bei erwachsenen Männern Nachteile bewirkt,“ sogar eine Freigabe halte er für medizinisch unbedenklich. (>>> s.a. hier)
>>> Testosteronforschung 1985-1990
Jakob wurde später nie Doping nachgewiesen, doch seine Nähe zu schwer dopingbelasteten Sportarten wie Langlauf und Radsport machte ihn angreifbar, zumal einige Vorfälle in den Sportteams Jakobs Wissen über praktiziertes Doping, wenn nicht Mitwirkung nahe legten. Im Radsport war Jakob Teamarzt von Bianchi, Coast, Phonak, Astana uns Gerolsteiner.
Im Jahr 2006 erregte Jakob als DSV-Arzt Aufsehen, als er die erhöhten Hämoglobin-Werte von Evi Sachenbacher während der Olympischen Spiele mit einer genetischen Disposition rechtfertigte und kurzfristig eine Ausnahmegenehmigung für die Athletin verlangte. Die vorgelegten, über längere Zeit gemessenen Werte, ließen jedoch nach Bengt Saltin keine Hinweise erkennen, die solch eine Ausnahme gerechtfertigt hätten. Das bestätigte auch der Internationale Schiedsgerichtshof CAS. Etliche Experten vermuteten Blutmanipulationen, anders ließe sich der innerhalb kurzer Zeit erheblich angestiegene Hämoglobinwert nicht erklären, zumal diese erhöhten Werte immer vor Olympischen Spielen auftauchten. Äußerungen Jakobs vor der Freiburger Untersuchungskommission lassen die Vermutung zu, dass auch er nicht von der genetischen Variante überzeugt war. Anno Hecker schreibt:
Jakob war in Turin bass erstaunt, dass Evi Sachenbacher-Stehle auch nach der verordneten Einnahme von viel Wasser (zur Verdünnung) einen so hohen Hämoglobinwert aufwies. So steht es in den Unterlagen. Was die Frage aufwirft, ob der Mediziner vor den Medien gegen seine Überzeugung argumentierte. (FAZ, 21.2.2014)
Die Angelegenheit endete letztendlich in einem Einvernehmen zwischen Saltin und Jakob. (SZ, 24.10.2006, SZ, 27.11.2006)
Dr. Ernst Jakob bestritt immer jegliche Nähe zum Doping und lehnt nach eigenen Aussagen entsprechende Leistungsmanipulationen vehement ab. Fragen gab es jedoch wieder in Zusammenhang mit der Affaire um die Freiburger Ärzte Schmid, Heinrich, Huber und Keul. Jakob arbeitete viele Jahre an der Universität Freiburg unter Prof. Keul. Kollegen von ihm waren Lothar Heinrich und Andreas Schmid, beide mittlerweile des Dopings überführt. Und Prof. Keul steht ebenso unter Verdacht.
2007, gefaxtes Cortison-Rezept für Schumacher:
Jakob hatte das Papier nach Spanien gefaxt, wo Schumacher die Vuelta, die Spanienrundfahrt abbrach, um sich auf die WM in Stuttgart vorzubereiten. Dafür verpassten ihm die Mediziner vor Ort schnell noch eine Kortisonspritze. Jakobs Ferndiagnose aus Deutschland: Achillessehne. Schumacher sagte aus: „Das Attest diente abgesprochen nur dazu, es bei Kontrollen in Deutschland zur Täuschung vorzuweisen.“
(Berl. Z., 5.8.2013)
Jokob gab hierzu an, er habe sich dabei auf die Diagnose der Teamärzte vor Ort verlassen.
Auch Jakobs ehemaliger Kollege an der Klinik Hellersen Holger Hüring musste sich wehren. Hüring war Teamarzt des mit Dopingfällen reich gesegneten Radteams Phonak und anschließend Chefmediziner des kasachischen Profi-Radrennstalls Astana. Das genügte dem deutsche Zehnkampf-Team nach den Geschehnissen um Alexandre Vinokourov die Zusammenarbeit mit Hüring zu beenden. (FAZ, 27.7.2007)
Im April 2013 eröffnete die Doping-Schwerpunktstaatsanwaltschaft Freiburg gegen Ernst Jakob und Mark Schmidt Ermittlungsverfahren nachdem beide ehemaligen Teamärzte des Rad-Teams Gerolsteiner von Stefan Schumacher und David Kopp im Prozess Holczer gegen Schumacher mit Doping in Verbindung gebracht worden waren. Stefan Schumacher warf Ernst Jakob Wissen über sein Doping vor:
„Wir haben uns vor der WM 2007 über Doping unterhalten, über Epo-Arten, über Nachweisbarkeit und Nichtnachweisbarkeit. Ich war offen, was meine Pläne waren. Ich verstehe nicht, warum Sie sagen, Sie hätten keine Ahnung davon.“
Auch David Kopp argumentierte ähnlich:
„Unterhalten habe ich mich über alle Präparate.“ Mehrfach im Jahr sei er bei Jakob gewesen, um sich beraten zu lassen über den optimalen Einsatz dessen, was sich die Gerolsteiner-Profis selbst beschafften: Epo, Wachstumshormon, Testosteron.“
Jakob geriet nach Schumachers und Kopps Aussagen auch in den Verdacht, Rezepte für Cortison ohne medizinische Indikation ausgeschrieben zu haben. (Berl. Z., 5.8.2013, FAZ, 6.8.2013)
Die Anzeige wurde von Werner Franke erstattet (BR, 29.4.2013, Bad. Z., 16.5.2013) .
Die Sportklinik Hellersen, der Jakob bis 2015 vorstand, gehörte jahrelang zu den vom DOSB lizensierten „sportmedizinischen Untersuchungszentren“. Diese Lizenz wurde nach öffentlichem Druck im August vorläufig ausgesetzt: „Der DOSB lässt die Zusammenarbeit ruhen, bis unsere Kommission im Fall Jakob eine Empfehlung abgegeben hat.“ (Berl. Z., 5.8.2013) Vielleicht wurde dabei auch noch einmal der Fall der Schwimmerin Sonja Schröder (mz-web, 24.11.2010) angesprochen. Sie wurde wegen Testosterondopings 2009 für 2 Jahre gesperrt. Ihr damaliger Dortmunder Trainer Dr. Volker Höltke ist Trainingswissenschaftler an der Sportklinik Hellersen. Die Sportklinik Hellersen verlor ihre DOSB-Lizenz nicht (2017 DOSB-Zentren).
Monika, Februar 2009, plus Ergänzungen