Doping: Klümper, Dr. Armin

Deutsche Ärzte und Doping

>>> Historie westdeutscher Sportärzte, Überblick

Paoli et al.: Armin Klümper

2022 veröffentlichten die letzten Mitglieder der Evaluierungskommission Freiburger Sportmedizin ihre Erfahrungen und Zusammenfassungen einiger ihrer Untersuchungsergebnisse:
>>> Paoli et al.: Doping für Deutschland

Das folgende Portrait auf doping-archiv.de enthält die wesentliche Erkenntnisse der Gutachten, sind jedoch nur eine kleine Variante der Ausführungen der Expertenkommission.

Armin Klümper

Prof. Armin Klümper, geb. 1935, gestorben im Juni 2019, war Sportmediziner an der Universität Freiburg und jahrzehntelang Kollege von Prof. Joseph Keul. In den 60er und 70er Jahren fungierte er als Verbandsarzt des DLV, BDR, DJB, DRV, DSV, DFV. 1970 wurde er zum Beauftragten für das Probeabnahmeverfahren während der Olympischen Spiele 1972 in München ernannt. 1977 war er Mitglied der DLV-Anti-Doping-Kommission des DLV. 1976 wurde er Leiter der „Sporttraumatologischen Spezialambulanz“ an der Universität Freiburg, einem von Klümper selbst geschaffenen Begriff. 1977 erhält er seine Ernennung zum Professor. 1982 bekommt er eine von Bund, Land, Stadt Freiburg und ihm selbst finanziertes Gebäude im Mooswald für seine Sporttraumatologie, das er ab 1984 bezieht. Das Gebäude, das in den Besitz der Stadt Freiburg überging, wurde Klümper kostenfrei überlassen.

1987 gab der Arzt seine Funktionen im DLV aufgrund des Todes von >>> Birgit Dressel auf Druck auf, soll aber 1989 wieder als DLV-Arzt geführt worden sein. 1990 verließ er die Universität und leitete bis zu deren Insolvenz 1992 die Mooswald-Klinik, die Ende der 1980er Jahre in der Nähe der Ambulanz mit Beteiligung und Planung Klümpers errichtet worden war.

Anschließend überließ die Stadt Freiburg ihm erneut Räume in denen er seine Sportttraumatologische Spezialambulanz privat betreiben konnte. 2000 ging er mit Ehefrau und Tochter nach Südafrika.

die frühen Jahre

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Sportlererklärung 22.1.1979

Dr. Armin Klümper betreute schon in den 70er Jahren eine große Zahl der westdeutschen Hochleistungssportler. Damals gehörte er zu den Ärzten, die am offensivsten für erlaubten Anabolika-Konsum eintraten und anabole Steroide auch verordneten. Er galt als außergewöhnlicher Arzt, der viel für ’seine‘ Athleten übrig hatte, sie intensiv betreute und sich um sie kümmerte. Das bestätigte Brigitte Berendonk, die selbst Sportler an ihn verwiesen haben will. Aber, so stellte sie fest, der „Verlust der professionellen Distanz des Arztes zum Patienten scheint Ursache seiner zunehmend aktiven Rolle auch beim Anabolikadoping vieler Athleten zu sein.“ (4), S. 279)

1976 Zitat Klümper aus dem Fernsehfilm ‚Hormonathleten‘ von Helmut Fritz:
„Ich habe vorhin schon mal erwähnt, daß der Sportler sich selbst und frei entscheiden kann und daß wir also nicht, wie das immer hingestellt wird, hier eine planmäßige Verseuchung von Athleten mit Anabolika betreiben … Und wir haben immer individuell entschieden und individuell im Rahmen der persönlichen Freiheit Anabolika gegeben. Das zweifelsohne.“

Aus Klümpers „Erfahrungsbericht über 1 Jahr Systembetreuung der Bahnradfahrer“ 1976:
„Trotz jahrelanger Bemühungen seitens der Sportärzte im BDR einschließlich permanenter Fortbildung der Trainer und Athleten mit Hilfe der einschlägigen Literatur und sogar eigenem Ernährungsbuch für den BDR gelang es auch hier nicht, zu verbindlicher Systematisierung zu kommen“.
„1975 wurden den Athleten der Straße und der Bahn deshalb konkrete Vorschläge gemacht.“

(FAZ, 27.9.2013)

Gregor Braun:
„damals [hatte sich] Bundestrainer Gustav Kilian dafür eingesetzt, dass nicht Klümper, sondern die medizinischen Betreuer der Bahnradfahrer die Behandlung vor Montreal übernahmen. „Auch unsere Leistungsdiagnostik wurde damals in Frankfurt/Main oder Köln vorgenommen. Der A-Kader der Bahnradfahrer war auf keinen Fall bei Professor Klümper in Behandlung.““
(spiegel-online, 27.9.2013)

Konkret wird Armin Klümper aus Wangen/Allgäu (anlässlich der traditionellen Pressetagung des Württembergischen Fußballverbandes (WFV) an Himmelfahrt) in der Stuttgarter Zeitung vom 21.5.1977 wie folgt zitiert:

– „Ich bin als Arzt Helfer des Menschen, aber bevor ich einen Athleten in die Grauzone der Selbstmedikation entlasse, gebe ich ihm, ohne was er nicht auszukommen glaubt. Dann habe ich wenigstens die Dosierung dar Muskelpille unter Kontrolle, was ein geringeres Risiko für negative Wirkungen bedeutet.“

– Scharf wies der Freiburger Sportmediziner die Behauptung der Anabolika-Kritiker zurück, dieses Präparat sei krebserzeugend. Wörtlich erklärte Dr. Klümper:

„Die pharmakologische Wirkung der anabolen Steroide wird seit über zwei Jahrzehnten im medizinischen Bereich zur Behandlung von Erkrankungen benutzt, die mit Eiweißmangel beziehungsweise Eiweißverlusten einhergehen wie schwere Infektionen, Gewichtsverlust bei Tumorerkrankungen, als unterstützende Maßnahme bei Tumorbestrahlungen, aber auch zur zur direkten Behandlung von metastasierenden Geschwülsten wie wie zum Beispiel beim Brustkrebs.“

– „Ich kann nicht einer existierenden Sportethik oder Sportmoral zuliebe die drei Affen spielen und meine sehr wohl fundierte ärztliche Ethik über Bord werfen. Ich fühlte und fühle mich verpflichtet, die Athleten über Wirkung oder Nebenwirkung der Anabolika aufzuklären und eventuell Schädigungsmöglichkeiten zu verhindern.“

Klümper bejaht in seinem Vortrag die leistungsfördernde Wirkung der Anabolika und zeigt hohes Verständnis für den Wunsch von Athleten entsprechende Mittel an zu wenden. Siehe hierzu einige Zitate aus dem Klümper-Vortrag vor dem Fußballverband Baden-Württemberg, Wengen 18.5.1977 unten auf dieser Seite.

Zitat Gerhard Steines, anstoß-gw.de 5.3.2015:
„Keul berichtet mir später süffisant von einem Freiburger Bundesliga-Fußballtorwart, der wegen einer Anabolika-Spritze Klümpers eine längere »Verletzungspause« einlegen musste.“

Der Autor dieses Berichtes der Stutgarter Zeitung zeigt durchaus Verständnis für die Argumentation Klümpers besonders hinsichtlich dessen Eintreten für Anabolika. Kritischer sieht es ein Kollege bei den Stuttgarter Nachrichten, die am 15.6.1977 vermelden: „Erneut sitzt Klümper auch in der Doping-Kommission des DLV – obwohl er letzthin im Rahmen einer Tagung in Wangen/Allgäu offenherzig bekannt hatte, daß er Athleten weiterhin mit anabolen Steroiden zu versorgen gedenke – seines ärztlichen Gewissens wegen.“ (>>> Interview mit A. Klümper s.u.)

Im Oktober 1978 interpretierte Klümper, unterstützt von Keul, die Folgen der 1977 beschlossenen Grundsatzerklärung von DSB und NOK dann wie folgt:

„Die Dunkelziffer derjenigen, die Anabolika nehmen, ist sprunghaft in die Höhe geschnellt,“ ist die Erkenntnis von Professor Joseph Keul …. „Wie kämpfen heute noch mit dem durch die unwürdige Diskussion von 1977 entstandenen Vertrauensschwund der Athleten.“

Keul-Kollege Professor Armin Klümper ….: „Die ganze öffentliche Diskussion und die verfaßten Grundsatzerklärungen haben uns die Arbeit nicht nur erschwert sondern uns sogar in der Entwicklung zurückgeworfen. Früher konnten wir die Einnahme von Anabolika wenigstens kontrollieren. Da es jetzt viele heimlich tun, ist die Gefahr, daß jemand gesundheitliche Schäden davonträgt, natürlich größer.“ Und daß es viele heimlich tun, steht nach Ansicht von Experten fest. Wenn heute in einigen Sportarten Dopingkontrollen überraschend vorgenommen werden würden, dann würden DSB und NOK ihr blaues Wunder erleben. (Südkurier, 25.10.1978)

systematische Anwendung von Anabolika und zahlreichen anderen Medikamenten

2013 (Grundplan des Armin Klümper, s.u.) und Anfang März 2015 wurde aus der Evaluierungskommission der Freiburger Sportmedizin neue Informationen bekannt. Im April 2017 wurden diese mit dem Abschluss des Gutachtens von Andreas Singler über neue Erkenntnisse über Doping im Radsport und Fußball in Verbindung mit Armin Klümper konkretisiert. Damit finden die oben zitierten Aussagen des Mediziners ihre Entsprechung in der Praxis. Danach hatte Klümper den Bund Deutscher Radfahrer und Spieler der Bundesligisten VFB Stuttgart und eventuell den Zweitligisten SC Freiburg mit Anabolika beliefert und behandelt.

2015 Kurzbericht: Systematische Manipulation im Fußball und Radsport

A. Singler Gutachten „Systematische Manipulationen im Radsport und Fußball“ (ergänzt im April 2017)

Einige Journalisten nahmen 2015 Einsicht in die staatsanwaltlichen Akten aus den 1980er Jahren und präzisierten die Angaben.

Wenig detailkonkrete Hinweise fanden sich in den staatsanwaltlichen Unterlagen zum FC Freiburg, bei dem Klümper über viele Jahre als Vereinsarzt geführt wurde. Wesentlich genauer sind die Informationen den VfB Stuttgart betreffend. Es gab regelmäßige Lieferungen/Pakete, die auch das Anabolikum Megagrisevit enthielten und an die Sportler weiter gegeben wurden. Der VfB zahlte die Rechnungen, die sich in den Jahren 1978 bis 1981 auf über 117 000 DM belaufen haben sollen. Offenbar waren die Verantwortlichen des Vereins, wahrscheinlich auch der damalige VfB- und spätere DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder informiert. Heute leugnen alle jegliches Wissen, auch wenn durchklingt, dass bei Verletzungen aus therapeutischen Gründen Anabolika zum Einsatz gekommen sein könnten. (Bad. Zeitung, 13.3.2015)

der „Grundplan“ des Dr. Armin Klümper

Schon 2013 gab es konkrete Hinweise auf eine systematische Versorgung durch Klümper von Radsportlern mit Anabolika. Am 27.9.2013 veröffentlichten Anno Hecker und Ralf Meutgens in der FAZ einen Bericht über einen Medikamentenplan des Dr. Armin Klümper (Grundplan). Auch diese Unterlagen waren im Rahmen der Untersuchungen der Evaluierungskommission der Freiburger Sportmedizin gefunden worden.

Klümper, in den 1960er und 70er Jahren Verbandsarzt des BDR, hatte für dessen Radsportkader einen medikamentösen „Grundplan“ entwickelt, mit dessen Hilfe er die Leistung aller Kadersportler erhöhen und insbesondere in Hinblick auf die Olympischen Spiele 1976 in Montreal Erfolge produzieren wollte. Der Plan schreib exakt vor wann und wie diverse Mittel – Vitamine, Trinkampullen, Anabolika – einzunehmen bzw. anzuwenden wären.

Klümpers Planungen betrafen die Aufbau-, die Vorbereitungs- und die Wettkampfphase.

“ „Die Athleten der Kadergruppen erhielten alle gleiche Rezepte oder direkt Medikamente.“Darunter auch Deca-Durabolin, wie in der Abbildung zu erkennen ist und Megagrisevit, zwei Anabolika. Sie sind in Klümpers „Grundplan“ und im „Rennprogramm“ aufgeführt. Seine Angaben zeigen, wann sie idealerweise einzusetzen sind: Im Olympiajahr 1976 von Februar „bis Montreal“, die ganze Saison unter Stoff.“ …

„„Auf der Basis nun jahrelanger Entwicklung sowie der Erfahrung aus konkreten Plänen des Jahres 1975 sind nun Grundplan und Rennprogramm für 1976 erarbeitet; darüber hinaus erfolgte eine Anpassung des Planes nach individuellen Besonderheiten.“

Armin Klümper schrieb Rezepte über alle Mittel aus und schickte sie den Fahrern zu, die diese sich dann selbst in Apotheken abholen und auch selbst anwenden sollten. Es wurden auch Päckchen mit den Substanzen direkt an die Sportler und an andere Ärzte, die Radler vor Ort betreuten, verschickt. >>> Gustav Raken hatte im August 2013 darüber berichtet.

Die Angaben wurden Anfang März 2015 durch Erkenntnisse der Freiburger Evaluierungskommission und weitere Presserecherchen präzisiert (Systematische Manipulationen im Radsport und Fußball).

Singler: Nach Auswertung der Ende 2014 dem Staatsarchiv Freiburg übergebenen Akten der Staatsanwaltschaft Freiburg zum 1984 eröffneten und 1989 mit einer Geldstrafe abgeschlossenen Strafverfahren gegen Prof. Dr. Armin Klümper, Sporttraumatologische Spezialambulanz der Universitätskliniken Freiburg, ist es nun zum einen möglich, nicht nur großflächige, wenn nicht flächendeckende Dopingaktivitäten des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) zu beweisen. Bewiesen werden kann nun auch die Finanzierung dieses Dopings durch den Verband. … Im Radsport kann dabei nicht ausgeschlossen werden, dass auch Minderjährige von den von Klümper hauptverantwortlich gesteuerten, aber von einer längeren Reihe weiterer Verbandsärzte, Trainer und Masseure des BDR mitverantworteten Dopingmaßnahmen betroffen gewesen sein könnten.

Sport inside nahm Einsicht in die Akten und konkretisierte danach die Aussagen Singlers. In den Akten befindet sich eine Rechnung Klümpers an den BDR über Medikamente, die von Klümper „für die gesamte Betreuung von Jugendlichen und Junioren“ bestimmt waren. Die Rechnung über 3.146,20 DM bezog sich auch auf die Anabolika Testoviron, Primobolan, Deca-Durabolin und Megagrisevit und das Leberschutzmittel Hepagrisevit. Die Medikamente gingen laut Klümper an Sportmediziner Dirk Clasing, der im BDR für die Betreuung der jungen Athleten zuständig war. Clasing räumte auf Anfrage der Journalisten ein, lediglich Megagrisevit von Klümper erhalten zu haben, das Anabolikum aber nicht eingesetzt zu haben.

In der Endfassung des Berichts wird das Minderjährigendoping im BDR bestätigt.

Geradezu überbordend wurde die medikamentöse Zusatzversorgung dann auch im Bereich des Jugend- und Junioren-Radsports, wo ein in den bisherigen Rechnungen noch nicht erwähnter weiterer BDR-Sportarzt mit beachtlicher späterer Karriere als Anti-Doping-Sportmediziner als Adressat für Klümpers Medikamentenlieferungen u.a. mit Anabolika ausgewiesen ist: Professor Dirk Clasing (Universität Münster). Dieser Fall ist umso gravierender, als hier sogar Minderjährigendoping geplant und auch durch den Verband bezahlt wurde.

Umso unwahrscheinlicher ist es, dass es nicht zur Anwendung kam. Es findet sich in den Ermittlungsakten zum Komplex BDR nicht ein einziger Hinweis darauf, dass Anabolika nicht an Jugendliche verabreicht werden sollten oder dass sich der betreffende Arzt geweigert hätte, Anabolika an Jugendliche zu verabreichen.

Klümper schrieb am 28. Dezember 1977: „wir haben Dr. Clasing für die gesamte Betreuung der Jugendlichen und Junioren mit Medikamenten und Verbandsmaterial ausgerüstet (s.Anhang) im Werte von 3 146.20 DM.“ Auch diese Rechnung bat Klümper „aus dem Ärzteplan zu überweisen“. Bezahlt wurde sie am 31.12.77. Die Batterie an anabolen Pharmaka war aufgeführt in einer Liste mit dem Titel „Gesamtausrüstung für die Jugend und Junioren an Herrn Doz. Dr. med. Clasing“:

• Hepagrisevit depot 3 x 10 Amp. Paare
• Testoviron depot 5 x 250 mg 3 Amp. A 1 ml.
• Testoviron depot 5 x 100 mg, 3 Amp. A 1 ml
• Primobolan depot 5 x 100 mg 3 Amp. A 1 ml
• Megagrisevit 5 x 9 Amp.paare
• Deca-Durabolin 5 x 50 mg

Außerdem, und das durfte seit 1976/77 bei Klümper nicht mehr fehlen: Berolase und Thioctacid („Kolbe-Spritze“).

WDR, 17.3.2015:
zu Dirk Clasing:
„Von sport inside befragt, wie er den von Klümper behaupteten Anabolika-Einsatz bei Jugendlichen und Junioren bewerte, vertrat Clasing die Auffassung, dass Anabolika bei Junioren nicht schädlich seien. Junioren seien, so Clasing, 18 bis 22,23 Jahre alt, „die können entscheiden was sie wollen, schaden tut’s nicht“. Der Mediziner räumte ein, dass Anabolika „Frauen und Heranwachsenden“, also Minderjährigen, schaden könnten.“

Bezahlt wurden alle Lieferungen einschließlich der Sanitätskoffer Klümpers, die an Mediziner, Masseure und zwei Bundestrainer gingen, und auch selbst von diesen bestellt werden konnten, aus Fördermitteln des BMI, den „jährlichen Bundeszuwendungen im Rahmen der Jahresplanung für zentrale Sportmaßnahmen“. (WDR, 17.3.2015)

Unter den Empfängern solcher „Sanitätskoffer“ finden sich illustre Namen des deutschen Radsports. Karl Link zum Beispiel. Der Herrenberger wurde auf der Bahn 1964 bei den Spielen in Tokio Olympiasieger in der Mannschaftsverfolgung. Vier Jahre später sollte er mit dem Bahnvierer in Mexiko-Stadt Silber gewinnen. Später wurde Link Jugendtrainer im BDR, nach den Sommerspielen in München 1972 trat er die Nachfolge von Trainerlegende Gustav Kilian an. Doch damit nicht genug: Von 1987 bis 2007 leitete er den Olympiastützpunkt in Stuttgart. (Bad. Zeitung, 25.3.2015)

der Tod Birgit Dressels

Armin Klümper war in den 80er Jahren Arzt von Birgit Dressel, die 1987 verstarb. Eine exakte Ursache ihres Todes konnte nicht festgestellt werden, doch als gesichert gilt. dass sie an einem durch Medikamente ausgelösten toxisch-allergischen Schock starb – über 100 verschiedene Präparate wurden bei ihr zuhause gefunden. Es besteht ein begründeter Verdacht, dass anabole Steroide für den Tod der Leichtathletin entscheidend mitverantwortlich gemacht werden können und es kann auch angenommen werden, hätten die Ärzte im Krankenhaus nach ihrer Einlieferung von den Steroiden gewusst, wäre über einen anderen Behandlungsweg der Tod vermeidbar gewesen. ((4), S. 255ff, s.a. der Spiegel, 33/1987, der Spiegel, 37/1987)

Aus den Ermittlungsakten geht eine erschreckend vielfältige und häufige Medikation hervor an der Armin Klümper wesentlich beteiligt war. Z. B. erhielt die Sportlerin ab 1986 in der Freiburger Praxis alle 4 bis 6 Wochen bis zu neun Injektionen wobei jede sich aus 5 bis 6 verschiedenen Mitteln zusammen setzten. Zusätzlich wurde sie mit weiteren Therapien wie einer speziellen Zelltherapie behandelt und bekam eine Reihe von Medikamenten verschrieben. Wie solche jahrelangen Therapien wirken können, wird in einem Gutachten der Professoren Mattern und Wagner festgestellt (der Verabreicher wird nicht genannt):

„Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, daß es bei dem jahrelangen Zusammentreffen zwischen parenteral verabreichten tierischen Zellpräparaten (Fremdeiweiß) zwangsläufig zu ständigen Immunreaktionen im Organismus der Birgit Dressel kam, mit der Gefahr einer Überforderung ihres Immunsystems, das durch gehäufte Infekte (AS 177) zusätzlich belastet wurde.“

Interview mit Armin Klümper, SDR 3 2.6.1997:

SDR: Man hat nach ihrem [Birgit Dressel] Tode … ich glaube, 102 verschiedene Medikamente gefunden oder Substanzen …
Klümper: Nein, die hat man nicht bei der Obduktion gefunden, sondern die hat man bei der Hausdurchsuchung gefunden und hat die dann alle im Spiegel abgebildet. Das war also schon urkomisch, wenn da also nun spezielle Mittel nicht für den gynäkologischen Bereich abgebildet werden, bloß weil sie das alles gefunden hatten. …

SDR: Vermutlich ist bei einer solchen Zahl … die Frage relativ unsinnig, ob darunter Doping-Mittel waren, weil, wenn man die 102 zusammenwürfelt, passiert das, was im Falle von B. D. ja passiert ist.
Klümper: Nein, das ist völlig falsch … sie können meinetwegen 200 verschiedene, es kommt ganz darauf an, was sie nimmt, was der Inhalt entweder von Chemismus her ist oder sind es homöopathische Mittel oder sind es pflanzliche Mittel usw. und wir arbeiten z. B. in der Überzahl der Menge mit pflanzlichen und homöopathischen Mitteln und die sie von uns bekommen hat, da kann sie einfach nicht dran sterben, das ist nicht möglich.“

Distanzierungen und Unterstützung

Emil Beck, 1987 vor dem Sportausschuss des Dt. Bundstages:
Ich darf aber vielleicht auch noch etwas zum Fall Dressel sagen … Ich habe gesagt, daß wir im Olympiastützpunkt in Tauberbischofsheim, wo ich die Fechter und Fechterinnen betreue, eine optimale medizinische Betreuung haben. … Es klappt bei uns hervorragend, ich habe natürlich auch das Glück, daß dieser Arzt Weltmeister 1973 und Silbermedaillengewinner ist. Wir haben eine sehr gute Zusammenarbeit mit Herrn Professor Klümper, und wir haben ihm wesentliche sportliche Erfolge zu verdanken. Unter diesen Sportlern, die er betreut, sind mit Frau Dr. Lotter, Dr. Rutz und Jürgen Hehn selbst Mediziner. Es klappt bei uns also hervorragend dort, wo wir nicht mehr weiterkommen. Er ist eine Kapazität, das ist gar keine Frage. Vor allen Dingen auch für das Fechten wäre ich sehr froh, wenn wir ihn lange halten könnten. Die Sportler gehen zu ihm, da geht ein Physiotherapeut mit, dann kommt die Rückmeldung an den Arzt, und dann wird die Behandlung durchgeführt. … Natürlich ist es nicht gut, wenn jemand hingeht, sich behandeln läßt, nach Hause kommt und, weil er keine ärztliche Betreuung hat … nicht weiter behandelt wird. Dadurch mag es Schäden geben, die man aber sicher nicht Professor Klümper dann ankreiden kann. (S. 6/54)

Schnell geriet Armin Klümper in den Verdacht am Schicksal der Sportlerin Mitschuld zu tragen. Die darüber geführten Auseinandersetzungen zogen weite Kreise. Nachdem gegen den Arzt auch polizeilich im Falle Birgit Dressel ermittelt wurde, kam es zu heftigen Differenzen zwischen DLV und dem Arzt, der daraufhin 1987 seinen Rücktritt als Verbandsarzt erklärte. Er sei „doch nicht der Hampelmann der Nation.“ Von ihm betreute Sportler wie Jürgen Hingsen, Klaus Tafelmeier, Dietmar Mögenburg, Carlo Thränhardt sahen dies ähnlich und protestieren, einige erwogen sogar den Boykott der WM.

Auch aus dem Bundesministerium des Inneren kam Unterstützung. Staatssekretär Karl-Dietrich Spranger soll nach Sport-Bild auf Journalistenfragen ‚unvermittelt böse‘ reagiert und gefordert haben, Kritik „habe gefälligst zu unterbleiben.“ „Denn den Professor brauche der deutsche Sport schließlich noch.“ (Sport-Bild, 10.5.1989)

Als Ersatz für Klümper hatte der DLV geplant, dessen Assistenten Dr. Walter Hubmann mitzunehmen. Dazu Klümper: „das allein zeigt doch die Schizophrenie der Funktionäre. Der Hubmann arbeitet doch nach meinen Methoden.“ Dr. Hubmann wurde später von Diskuswerfer Alwin Wagner beschuldigt, ihm in Vorbereitung der Spiele in Los Angeles 1984 mehrfach Anabolika verschrieben zu haben. Zur WM fuhren Prof. Hartmut Krahl, Prof. Joseph Keul und Heinz Birnesser. (SWP, 26.8.1987)

Es war DLV-Präsident Eberhard Munzert, auf dessen Initiative hin sich das DLV-Präsidium nach Kenntnis des medizinischen Gutachtens geweigert hatte, Klümper als DLV-Teamarzt für die Spiele 1988 zu nominieren. Demgegenüber erklärte Helmut Meyer, 1987 leitender Direktor des BAL, ab April 1989 DLV-Präsident, 1991, dass das BAL Klümpers ‚wertvolle Arbeit‘ zu schätzen gewusst habe und ihn dem NOK für die Olympia-Nominierung 1988 als Arzt vorgeschlagen habe (Meyer, 18.12.1991). Das NOK-Präsidium sei diesem Vorschlag einstimmig gefolgt. NOK-Präsident Willi Daume, selbst ein Patient der Freiburger Ärzte, muss nach Aussagen von Munzert dann mehrfach versucht haben, den DLV umzustimmen. Munzert: „Allen Versuchen, Herrn Prof. Dr. Klümper wieder für eine Betreuung der Nationalmannschaft heranzuziehen, hat sich der Deutsche Leichtathletik-Verband bis zum Ende meiner Amtszeit am 14.8.1988 widersetzt.“ (Munzert, 19.11.1991)

Aber auch innerhalb des Verbandes wuchs der Druck auf den strikten Dopinggegner Munzert, er gab auf, „ohne Adjutanten in seinem Feldzug gegen Doping trat er im Sommer 1988 ,,aus persönlichen Gründen‘‘ zurück.“ (SZ, 10.4.2007)

Der DLV revidierte danach seine Entscheidung zugunsten des beliebten Sportarztes. 1989 wird Armin Klümper laut Sport-Bild vom 10.5.1989 im DLV-Jahrbuch wieder als DLV-Arzt geführt. DLV-Präsident Helmut Meyer bekannte erneut, er kenne und schätze den Arzt seit 20 Jahren. (Dies steht im Widerspruch zu Klümpers eigener Aussage, s.u., wonach er sich seit 1987 aus der ‚aktiven Betreuung‘ zurückgezogen habe (FAZ, 5.6.1997).)

Munzert, der auch nach seinem Rücktritt mit seiner Kritik nicht zurückhielt und einen direkten Zusammenhang zwischen dem Tod der Sportlerin und Doping herstellte, wurde dafür Ende 1990 auf der DLV-Verbandsratssitzung von Prof. Kindermann zurecht gewiesen: „Prof. Dr. Kindermann warnte Prof. Munzert nochmals, den Fall Birgit Dressel im Zusammenhang mit Doping zu nennen, da völlig andere Gründe für den tragischen Tod der Siebenkämpferin verantwortlich waren.“

Gerichtliche Auseinandersetzungen

Dr. Klümper gab in den Vernehmungen zu, Birgit Dressel anabole Steroide verschrieben zu haben, aber nur aus medizinischen Gründen, zur Nachbehandlung einer Kieferhöhlenentzündung. Denn

wenn meine ärztlichen Mitarbeiter oder ich Anabolika rezeptiert oder verabreicht haben, so geschah dies ausschließlich aus medizinischen Gründen, sei es auf Grund einer Diagnose, die den Einsatz eines solchen Präparates als medizinisch-indiziertes Medikament erforderten, sei es um – in äußerst seltenen Ausnahmefällen – unbelehrbare Athleten vor unkontrolliertem Konsum und gesundheitlichen Schäden zu bewahren. Der Anteil der von uns behandelten oder medizinisch betreuten Athleten, denen aus einem der genannten Gründe Anabolika verabreicht oder verordnet worden sind, liegt mit absoluter Sicherheit unter 1%.“ (Zitiert aus einer eidesstattlichen Versicherung Klümpers vom 20.10.1991, (1), S. 288)

Diese Begründung wurde aber vielfach angezweifelt. Für Armin Klümper stand fest, wer die Verantwortung für diese Vorwürfe trug. Noch Jahre später sah er sich insbesondere als Opfer von Verleumdungen durch Brigitte Franke-Berendonk und Werner Franke. Brigitte Berendonk hatte in ihrem Buch ‚Doping-Dokumente‘ verschiedene schwere Vorwürfe ihm gegenüber erhoben, auch Birgit Dressel betreffend. Klümper reagierte schnell auf diese Veröffentlichung mit einer Klage. Der Arzt unterlag, allerdings wurde ihm darin Recht gegeben, dass es keine Dokumente gäbe, wonach er Birgit Dressel Anabolika zu Dopingzwecken verschrieben hätte. Entsprechend wies er auch später immer wieder jegliche Schuld an dem Tod der Sportlerin zurück. Dem Ehepaar lagen zwischenzeitlich jedoch Prozessunterlagen vor, aus denen hervor ging, dass Klümper durchaus eine gewisse Schuld treffen könnte. Daher hatte 1994 Brigitte Franke-Berendonk bereits eine Anzeige erstattet, in der Klümper die Abgabe einer falschen Versicherung an Eides vorgeworfen wurde. Dieses Verfahren wurde im September 1995 eingestellt. Woraufhin Klümper in einem Interview mit der Sport-Bild vom 4. 10. 1995 Berendonk und Franke erneut angriff und damit wieder gerichtliche Auseinandersetzungen mit dem Ehepaar Berendonk und Franke provozierte.

In einer Berendonk-Stellungnahme zu dem Klümper-Interview, in der sie von der Redaktion der Zeitung die Klarstellung einiger Fakten verlangte, heißt es u.a. in Bezug auf die Ermittlungsakten im Fall Dressel der Staatsanwaltschaft Mainz:

„Und dort findet man genau das, was ich in meinem Buch gemeint hatte: ein Dopingdrogen-Versorgungsweg mit unvorschriftsmäßig ausgefüllten Rezepten, wie er auch schon durch die mutigen Aussagen Wagners bekannt war. Wegen der Bedeutung dieser Aussagen Kohlbachers [Trainer und Lebenspartner von B. Dressel] zitiere ich wörtlich aus diesen Protokollen, die Rezepte auf das Anabolikum mit Namen Stromba betreffend (Wirkstoff Stanozolol, den auch der kanadische Sprinter Ben Johnson nahm):

„Frage: Hat ein Arzt die Mittel verordnet?

Antwort: Diese Substanz wurde von Prof. Dr. Klümper verordnet; dies erfolgte auf einem Rezept, auf dem sich nur der Substanzname, der Präparatname, befand. Der Name von Birgit Dressel erschien auf diesem Rezept nicht. …

So also gelangte Birgit Dressel an jene Mittel, die bei ihr die häufigste Nebenwirkung des Anabolika-Doping auslösten, den schmerzhaften Muskelhartspann (…) der sie zur Einnahme von Schmerzmitteln veranlaßte und so am Anfang der Entwicklung zum Tode stand. Kausalität und Schuld beim Tode Birgit Dressels wurden schließlich für niemanden fest- und die Ermittlungen eingestellt, wie das eben häufig so endet.“

SDR 3, 2.3.1997:
SDR: … Gut zehn Jahre ist es her als sie [Birgit Dressel] starb. Sie war ihre Patientin. Wenn ich sagen würde, Konjunktiv, ihr Name ihre Person stünde im Zusammenhang mit dem Tod von B. D., würden sie mich verklagen?
Klümper:: Ja, mit Sicherheit.

SDR: Haben sie etwas ähnliches schon gemacht?
Klümper: Ja, ich habe etwas ähnliches schon gemacht. Vor einem Jahr gegen den Sportinformationsdienst und gegen die FAZ und habe in beiden Fällen gewonnen.

SDR: Die haben was behauptet?
Klümper: Daß ich eben in irgendeiner Form mit in diesen Tod verwickelt sei. …

Weitere Ausschnitte aus diesem Interview s. u. auf dieser Seite.

Armin Klümper selbst reagierte gegenüber Werner Franke, nachdem dieser auf einem Doping-Symposium im November 1995 von eben dieser Aussage Kohlbachers berichtet hatte, mit einer einstweiligen Verfügung. Franke gewann, er konnte weiterhin behaupten,

„es steht nach den Aussagen des Dressel-Trainers und Doping-Gehilfen Thomas Kohlbacher ohne Zweifel fest, daß Birgit Dressel Dopingmittel, unter anderem durch Rezept mit der Unterschrift Professor Klümpers und dem Präparat namens Stromba, besorgt wurden. Unklar ist nach wie vor, wie Birgit Dressel an solche Rezepte gekommen ist.“

Klümper hatte einwenden lassen, er sei nicht beteiligt gewesen, aber in der Öffentlichkeit sei dieser Eindruck entstanden. Was Richter Huthmacher zu der Bemerkung bewog: „Diese Schlußfolgerung ist ja auch nicht ganz abwegig.“ (FAZ, 22.12.1995)

Die Blanko-Rezepte waren bereits 1990 von Alwin Wagner (s.u.) bestätigt worden, der angegeben hatte, von Klümper seit 1980 Anabolika-Rezepte mit dessen Unterschrift aber ohne Namen und Adresse erhalten zu haben.

Insgesamt blieben zu Birgit Dressels Tod viele Fragen ungeklärt auch dank der ungenauen Aussagen des Trainers Kohlbacher während dessen zweiter Vernehmung. Kohlbacher hatte u. A. behauptet, dass das Rezept, welches er bei Birgit Dressel gesehen habe, zu den Blanko-Rezepten gehört habe, die aus der Praxis Klümpers verschwunden seien. Die dahinter stehende Begründung von Seiten Klümpers lautete: Aus den Behandlungsräumen der Freiburger Klinik hätten Sportler und Sportlerinnen wiederholt Leer-Rezepte mit Prof. Klümpers Unterschrift gegen den Willen der Ärzte entwendet, diese dann selbst ausgefüllt oder ausfüllen lassen.

Brigitte Franke-Berendonk wollte diese offenen Fragen mit Hilfe ihres Anwalts Lehnert prüfen lassen. Diese Beschwerde gegen die Einstellungsverfügung vom 5.10.1995 und eine damit verbundenen Klage wegen falscher Versicherung an Eides statt durch Armin Klümper wurde jedoch von der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe zurückgewiesen u. a. weil die Ermittlungen ergeben hätten, dass ein Diebstahl von Blanko-Rezepten nicht auszuschließen gewesen sei.

immer wieder die Frage der Anabolika

1991 bestätigte Diskuswerfer >>> Alwin Wagner, dass Klümper und seine Assistenten in den 70er und 80er Jahren großzügig Anabolika verschrieben haben. Bei ihm ging es u. a. um Muskelaufbau im Januar, das nach Ansicht des Arztes wegen der Indikation und lang außerhalb der Wettkampfzeit kein Doping sein konnte. Horst Klehr bestätigte zudem, dass Klümper ihn in den 70er Jahren telefonisch gebeten habe, einem Sportler ein Anabolikum auszuhändigen, was er vehement abgelehnt habe. Klümper und Co. hatten, wie bereits erwähnt, auch keine Hemmungen der Einfachheit halber Sportlern Blankorezepte auszustellen (abgebildet in Berendonk, Brigitte: Doping, 1992):

Vieles geschah allem Anschein nach in Absprache mit Prof. Keul, auch wenn dieser folgenden Plan abstritt: Wagner, der angeblich zu unkontrollierbarem Dopingkonsum neigte, wodurch bei Wettkämpfen die Gefahr eines positiven Tests aufkam, musste kontrolliert werden. Klümper: „Ich persönlich habe mit Prof. Keul darüber beraten, dass man sogar bei Alwin Wagner möglicherweise vor entsprechenden internationalen Einsätzen eine Kontrolluntersuchung durchführt unter dem Vorwand, die Knochentumoren [waren gutartig] am Schädel kontrollieren zu müssen; in Wirklichkeit ihn jedoch dahingehend zu überprüfen, ob Anabolika ihm nachzuweisen sind.“ (Berendonk, Brigitte: Doping, 1992, S. 260f)

Öffentlich distanzieren mussten sich 1984 das NOK und Prof. Keul als Olympiaarzt von dieser Behandlungspraxis. Auch der BDR leugnete jegliche Kenntnis. Klümper hatte dem Bahnradsportler Gerhard Strittmatter wegen einer Hüftprellung mit Beeinträchtigung der Muskulatur nach einem Sturz Decadurabolin verabreicht. Die Goldhoffnung fiel jedoch im Vorfeld der Wettkämpfe mit einer positiven Probe auf und ließ die Funktionäre in heller Aufregung zurück. Die Anabolika waren laut Klümper bereits vor den Deutschen Radmeisterschaften angewandt worden. Der BDR sei informiert gewesen, habe aber kein Startverbot ausgesprochen. In den Wochen bis zu den OS wurde der Fahrer dann regelmäßig bei Donike auf Rückstände des verabreichten Anabolikums überprüft. Nicht die Verabreichung des verbotenen Medikamentes war danach das Problem, das war möglicherweise im Verband unter dem Vorwand medizinische Hilfe akzeptiert (sog. Therapiefenster), sondern Klümpers Fehler war letztlich, eine Dosis angewandt zu haben, die bis zu den Spielen nicht abgebaut war. Jetzt mussten alle anderen Patienten des Arztes überprüft werden und Keul bestätigte, dass zur Behandlung solch einer Verletzung anabole Steroide nicht hätten verabreicht werden dürfen.

Allerdings führte die starke öffentliche Wahrnehmung des Falles Gerhard Strittmacher dazu, dass Armin Klümper 1991 während der eingeleiteten Untersuchungen durch verschiedene Kommissionen zugegeben hatte:
„Ich schließe [die Anabolika-Abgabe] bei allen [Athleten] aus, bis auf den Fall Strittmatter. … Es gibt auch keine Blanko-Rezepte von mir.“ (Hamburger Abendblatt, 30.7.1984, Hamburger Abendblatt, 31.7.2008, (4), S. 294)

Klümpers öffentliche Dementis, Sportler mit Dopingmitteln behandelt zu haben, fanden nach und nach immer weniger Glauben. Nahrung erhielt diese Meinung durch Äußerungen des Arztes wie die folgende:

„Ich bin nicht für Doping. Aber solange es kein weltweites Kontrollsystem gibt, lässt sich das Problem nur über die Freigabe lösen. Außerdem leben wir in einer Leistungsgesellschaft, und es gibt kein moralisches Argument, warum Leistungssportler in dieser Gesellschaft eine andere Rolle spielen sollen. Es geht einfach um viel Geld.“ (Sport-Bild, zitiert nach Leichtathletik, 23/1991)

Multimedikation (Polypragmasie)

Die Aussagen Armin Klümpers in Bezug auf seine Gewohnheiten der Medikation (ausschließlich medizinische Gründe, darunter äußerst selten Anabolika) stehen auch in Gegensatz zu den Erinnerungen von Gerhard Steines, Kugelstoßer in den 70er Jahren. Er erzählt sehr offen seine Erfahrungen mit dem „Doc“, dem Arzt, den er viele Jahre lang anerkennt und bewundert. Dessen Fürsorge zu seinen Patienten ist enorm, er kümmert sich und nimmt Anteil an den Sorgen und Ängsten. Er verschreibt Anabolika und er ist ein Anhänger der Multi-Medikamentierung. 12 und mehr Produkte, weitgehend keine verbotenen, empfielt er pro Tag einzunehmen. Und „eines Tages entdecke ich zufällig, dass eines der rezeptierten Medikamente einen zwar schwachen, aber immerhin anabolen Wirkstoff beinhaltet. Der „Doc“ hat mir nichts davon gesagt. Es seien harmlose Substitutionsmittel.“ (G. Steines)

Gerhard Steines, anstoß-gw.de 5. März.2015:

„Ich möchte Sie bitten, folgenden Plan einzuhalten: Morgens und abends 1 Dragee DH 112-Holzinger, täglich 3×1 Kapsel Spondylonal, täglich 2×1 Kapsel Xobaline, täglich 3×1 Dragee Dona 200 S Retard und täglich 3×15 Tropfen Lymphdiaral; bei auftretenden Beschwerden bis zu 3×1 Tablette Arlef 200 zu den Mahlzeiten. Als begleitende Maßnahmen sollten jetzt durchgeführt werden: Täglich 3×1 Kapsel Inzelloval, täglich 2×1 Trinkampulle Frubiase calc. 100, 1 Stunde vor dem Training 1 Dragee Inosin comp., morgens 2 Dragees Phoselit, mittags 1 Dragee Phoselit, täglich 2×1/2 Meßbecher Ferlixir triplex, täglich 3×1 Dragee B 15 Kattwiga und nach dem Frühstück und nach dem Mittagessen 1 Dragee Inosin cardiacum. Mit herzlichen Grüßen und allen guten Wünschen Ihr Prof. Dr. med. A. Klümper.“

Das tiefe Vertrauen wird auch von Fußballer Karlheinz Förster bestätigt.

„Für Förster indes war Klümper ein Mann, „bei dem man immer das Gefühl hatte, egal was ist, der hilft dir schon“. Einmal im Monat, an seinem freien Tag, setzte sich der VfB-Vorstopper in seinen Mercedes und fuhr von Schwarzach im Odenwald nach Freiburg. Dort ließ er sich eine „Spritzenkur“ verpassen, „fünf, sechs Injektionen mit knorpelaufbauenden Mitteln, und wenn eine Entzündung drin war, natürlich auch mit Cortison“. … „Die Zahl der Spritzen mit cortisonhaltigen Präparaten oder mit Kälberblut, Actovegin etwa, die Klümper ihm über die Jahre hinweg in die Gelenke stach, hat Förster nie gezählt. Es müssen weit über tausend gewesen sein. (der Spiegel, 9.5.2005, Füße im Eiskübel)

Die Untersuchungsergebnisse im Fall Birgit Dressel bestätigen letztlich diese Aussagen.

Kritisch bewertet wurde Klümpers großzügige Anwendung von Medikamenten 1984 nach den Vorfällen um den Bahnradfahrer Gerhard Strittmacher von Arztkollege Dr. Frank-Schmidt, der im Mitglieder-Rundbrief des Internisten-Verbandes 13/1984 die Frage stellte: Klümper ein Stümper?

Er kritisierte die Anwendung von Anabolika in dessen Falle als nicht hilfreich, qualifizierte aber vor allem Klümpers Multimedikation am Beispiel einer zweitägigen Behandlung eines 26jährigen Fußballers als hanebüchern.

Diagnosen: Reizzustand rechtes Hüftgelenk, Bauchmuskelschmerzen. Auf das rechte Hüftgelenk wurden Entzündungsbestrahlungen mit Röntgenstrahlen verabfolgt. Lokal wurden in die Muskeln gespritzt: Neurotropan-Hy und Myomelcain. Gegen den entzündlichen Reizzustand gab es iv Cebion forte. Intramuskulär wurden gespritzt: Echinacin und Esberitox. Zusätzlich gab es aber auch noch Megagrisevit (auch ein Anabolikum enthaltend) und Delphimix. Weil noch ein Hartspann des Adduktor longus auftrat, wurden Infiltrationen vorgenommen mit Myomelcain, Impletol, Traumeei, Zettaviran und Neurotropan-Hy. Nach dieser erstaunlich massiven, gegen die „entzündlichen Reizzustände“ gerichteten Therapie, wurden nun dem weiterbehandelnden Arzt die nachfolgenden Vorschläge unterbreitet:

3 x 1 Genotropal rnasc., 3 x 1 Anabol loges (!!!), 3 x 20 Tropfen Cefarheumin, 3 x 1Karigeba, 3 x 1 Benfophen, 2 x wöchentlich Sitzbäder.

Wegen des Hüftgelenkes sollte die Weiterbehandlung mit der Injektion von Knorpelsubstanzen erfolgen, wofür ein- bis zweimal wöchentlich das Gemisch je einer Ampulle Implacen, Cartilago wala, Disci lumbales compositum, Dona 200 S und Arumalon injiziert werden sollte! Außerdem wurde eine Zahnsanierung empfohlen.

Das Erstaunlichste an solchen Therapievorschlägen, die auch die Kassen und KVen in Rage brachten, scheint die Tatsache zu sein, daß die Sportler dies in ihrer Jugend tolerieren. Pharmakologisch und internmedizinisch erscheint diese Therapie wahnwitzig und ein Zeichen dafür zu sein, was menschliche Organismen aushalten.

Die Untersuchungsergebnisse im Fall Birgit Dressel bestätigen letztlich diese Aussagen.

Abrechnungsprobleme

Wie bereits aus obigen Zitaten hervorgeht, war Prof. Armin Klümper außerordentlich beliebt. Mehrfach kam er in Schwierigkeiten aufgrund seiner Abrechnungspraxis. Verschiedene Verfahren wurden eingeleitet und immer wieder fanden sich seine Patienten bereit, für ihn zu demonstrieren.

Zum ersten Mal wurde 1984 ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachtes des „Betrugs zum Nachteil von Krankenkassen“ in Freiburg eingeleitet. Eine von etwa 1000 seiner Klienten geplante Sympathie-Kundgebung, darunter die komplette Handball-Nationalmannschaft, konnte nicht durchgeführt werden, es wäre ein Eingriff in ein schwebendes Verfahren gewesen. Die Sportler hatten aber eine Ehrenerklärung abgegeben. Im Februar 1989 wurde der Arzt zu 157 500 Mark Geldstrafe verurteilt wegen Betruges in zwei Fällen (auch zwei Apothekerinnen wurden verurteilt). Dass auch Dopingmittel über Krankenkassen abgerechnet wurden, stand nicht zur Beurteilung an. Als Begründung für ihr Verhalten gaben Klümper und Mitarbeiter an, das Abrechnungssystem sei praxis- und patientenfeindlich. Nach dem Urteil erwarteten ihn Mitarbeiter und Patienten mit roten Rosen. (der Spiegel, 27.2.1989).

Diese Ermittlungen und das damit verbundene Verfahren erscheinen jedoch in einem zweifelhaften Licht. Klümper hatte auch in höheren Kreisen Freunde, so z.B. Justizminister Heinz Eyrich (CDU) und Minister für Kultus und Sport Gerhard Mayer-Vorfelder (CDU) von Baden-Württemberg. Es gab anscheinend erheblichen Druck aus der Politik, die Angelegenheit Klümper unter den Tisch zu kehren bzw. sie zu entschärfen. Immerhin wurde Klümpers Verhaftung durch das LKA verhindert. Klümpers Verbindungen zeitigten aber nur teilweise Ergebnisse in dessen Sinne. (Der Spiegel, 13.5.1991, stuttgarter Zeitung, 6.12.2014)

Dass Klümper offenbar kein ausgeprägtes Unrechtsbewusstsein hatte, belegt die Erinnerung von Gerhard Steines:

Er klagt über seinen endlosen Kampf mit Universität und Krankenkassen. Überall Nichtskönner und Bürokraten. Der >>Doc<< deutet auf ein Aktenregal: >>Wenn die Kassen an diese Ordner rankommen, machen sie mich fertig.<< Er kümmert sich nicht um universitäre Winkelzüge, nicht um pflegliche Behandlung von Kassenvertretern. Der >>Doc<< macht, was er will, und er will in jedem Fall seinen Patienten helfen. Solange diese zu ihm halten und ihm blind vertrauen, nimmt er allen Ärger mit Universitätsverwaltung, Kassenrevisoren, mißgünstigen Ärzten und inkompetenten Journalisten nicht nur gerne in Kauf, sondern sucht ihn sogar.“

1989 bekam er zusätzlich Probleme mit dem Finanzamt.

„Nach einer Selbstanzeige wegen nicht angegebener Nebeneinnahmen belastete das Finanzamt den Doktor mit einer – angeblich millionenschweren – Steuerschuld. Da ging Reckweltmeister Gienger mit dem Klingelbeutel zu den Kollegen. 250 000 Mark kamen zusammen, auch die Fußballer Karl-Heinz Rummenigge, Paul Breitner sowie Dieter und Uli Hoeneß hatten – jeder fünfstellig – zu einem „Darlehen“ beigesteuert, Geld, so Hoeneß, „von dem ich weiß, daß ich davon nie wieder einen Pfennig sehe“. (der Spiegel, 7.9.1987)

1990 schied Klümper aus der Universität Freiburg, der Sporttraumatologischen Ambulanz, aus. Nachdem das Rehabilitationszentrum Mooswald-Klinik einschließlich Hotel im Jahr 1990 fertig gestellt worden war, übernahm Klümper dessen Leitung. Da er 1992 die kassenärztliche Zulassung wegen „berufsunwürdigen Verhaltens“ (Grund waren vorgebrachte Vorwürfe gegenüber Joseph Keul) durch ein Urteil des Bezirksberufsgerichts für Ärzte Freiburg (1)) verloren hatte, er somit nur noch Privatkunden betreuen konnte und die Klinik wesentlich zu groß, am tatsächlichen Bedarf vorbei konzipiert worden war, musste die Klinik 1993 schließen (Insolvenz?). Daraufhin bekam er, mietfrei, seinen ehemals der Universität gehörenden Arbeitsplatz, die Sporttraumatologische Spezialambulanz, als Privatklinik zurück. (der Spiegel, 1.3.1993). Seinem Ruf als besonders guter Sportmediziner konnte er offenbar weiterhin ausbauen. 1996 sorgte sein „Klümper-Cocktail“ für Aufsehen, eine Mixtur aus ca. 42 Zutaten, das dem HSV-Profi Karsten Bäron wieder zu einem leistungsfähigen Knie verhalf.

Im April 1997 musste er dann eine Geldstrafe, diesmal in Höhe von 162 000 Mark, wegen falscher Abrechnungen hinnehmen.

1996 / 1997 dopingrelevante Behandlungen

1996 wurde Zehnkämpfer Stefan Schmid während der Deutschen Meisterschaften, die er gewann, auf das verbotenen Schmerzmittel/Narkotikum Dextropropoxyphen positiv getestet. Am 1. Juni 1997 sperrte ihn dafür der Leichtathletik-Weltverband IAAF für drei Monate. Armin Klümper hatte im Verlauf der Diskussionen zugegeben, dass er selbst dem Sportler dieses auf der Verbotsliste stehende Mittel verschrieben und diesem sogar auf Anfrage bestätigt hatte, „das Medikament sei „bezüglich des Anti-Doping-Regelwerkes unbedenklich„. (FAZ, 21.5.1997)

Im Juni 1997 gab es erneut öffentlichen Ärger für Klümper und Mitarbeiter der Sporttraumatologischen Spezialambulanz in Freiburg. Dr. Karlheinz Graff, leitender Arzt des DLV gab bekannt, dass vor den Olympischen Spielen in Atlanta 1996 zwei Sportler oder Sportlerinnen von einem Klümper-Mitarbeiter mit einem Attest ausgestattet worden waren, wonach sie intramuskulär mit Cortison behandelt worden seien. Bei einer Dopingkontrolle wären sie positiv gewesen.

„Das als Entschuldigung gedachte Schreiben hätte kontraproduktiv gewirkt, versichert Graff: „Jeder Dopingkontrolleur hätte sich die Arbeit sparen können, weil das Attest ein klares Geständnis des Athleten oder Athletin ist, nach den Regeln gedopt zu haben.“ … „Systemische Cortisongaben, die oral, intravenös oder intramuskulös erfolgen, sind jedoch ausdrücklich verboten.““ (FAZ, 5.6.1997)

Dr. Karlheinz Graff:
„Wie können wir von Athleten und Trainern ehrliches, sportliches und faires Verhalten fordern, wenn selbst wir Ärzte, von denen mit Recht eine besonders verantwortliche und ethische Verhaltensweise erwartet wird, diesem Anspruch nicht gerecht werden?“

Daneben schreckte ein weiterer Fall auf. Die Hürdensprinterin Birgit Hamann hatte über längere Zeit eine Medikamentierung erhalten, die ‚völlig‘ den Anti-Doping-Regeln widersprach. Klümper sah sich diskriminiert, drohte mit Klage, erklärte aber auch

„Wie verwenden in unserem Hause auch keinen besonderen Intensitäten hinsichtlich der Kenntnisse von Doping-Präparaten.“ „Es ist ihnen ja sicherlich bekannt, daß ich mich bereite 1987 aus der aktiven Betreuung zurückgezogen habe. Seit dieser Zeit habe ich mich um die Einzelheiten der verschiedenen Verfügungen im Doping- bzw. Anti-Dopingwesen wenig gekümmert. Die neuesten Bestimmungen hinsichtlich der erlaubten und unerlaubten Medikamente liegen in unserer Bibliothek aus …“ (FAZ, 5.6.1997)

Diese Haltung stieß bei Graff und anderen auf Unverständnis, denn Athleten und Athleten müssten vom Arzt ihres Vertrauens die Kenntnis der Anti-Doping-Regeln erwarten können.

Eberhard Gienger gründete 1994 einen Unterstützerverein für Klümper, den „Osteologie und Sporttaumatologie e.V.“, mit dem Zweck Gelder für Behandlungen bei dem Arzt zu sammeln. Bereits 1987 initiierte er eine Sammlung zugunsten Klümpers.

Eberhard Gienger,
FAZ 13.5.2006:

FAZ: Sie haben 1997 eine Anzeige initiiert, in der Sie und eine Reihe von Spitzensportlern Professor Klümper gegen Neid und Mißgunst in Schutz genommen haben.
G.: Wir haben das als Patienten getan als Dank für seinen Einsatz für unsere Gesundheit, daß er uns eine Behandlung hat angedeihen lassen, die half, und er seine ganze Energie in unsere Knochen gesteckt hat.
FAZ: Ging es nicht darum, daß er Ihre Leistung gesteigert hat?
G.: Bei Turnern geht das sowieso nicht. (…) Professor Klümper hat uns geholfen, insbesondere nach Verletzungen gesund zu werden, schneller in den Trainingsprozeß zurückzukehren, um entsprechend gut vorbereitet bei großen Meisterschaften antreten zu können. (…) Ich bekam nach einer Operation für circa acht Tage ein Anabolikum, nachdem mein Bein von einem auf den anderen Tag sechs Zentimeter weniger Umfang aufwies. (…) Professor Klümper war ein Arzt, der sehr großzügig verschrieben hat. Ich habe im Laufe der Zeit festgestellt, daß ich die Medikamente gar nicht alle essen konnte. Ich trug sie dann in die Apotheke zurück. Da kam schon ein ansehnliches Arsenal zusammen, wenn man das nicht tat. Schließlich bin ich dazu übergegangen, nicht immer alle verordneten Medikamente mitzunehmen, sondern nur einen Teil, von dem ich glaubte, daß er reicht.

Birgit Hamann wurde deutlich und beschuldigte den Arzt, sie von 1994 bis 1996 fünfmal mit dem Wachstumshormon Genotropin und dem Cortisonpräparat Delphimix intramuskulär ohne ihr Wissen behandelt zu haben. Ein Assistent Klümpers hätte die Namen der Medikamente auf der Patientenkartei entdeckt. Klümper beschuldigte in diesem Zusammenhang die Sportlerin, sie habe selbst nach den Wachstumshormonen verlangt und gab an, nur eine Kochsalzlösung gespritzt zu haben. Verbandsarzt Graff meldete diesen Fall an die Bundesärztekammer und die Staatsanwaltschaft Freiburg leitete daraufhin ein Vorermittlungsverfahren gegen Klümper „wegen des Verdachts des Betrugs und der Körperverletzung“ ein.

Leichtathletik-Präsident Helmut Digel hatte bereits im Mai 1997 nach den ersten Vorwürfen Sportler und Sportlerinnen des A-Kaders vor Klümpers Behandlungsmethoden gewarnt.

„Im Sinne einer von uns wahrzunehmenden Fürsorgepflicht“ weist Digel darauf hin, „daß berechtigte Zweifel bestehen, ob an der Sporttraumatologischen Spezialambulanz Freiburg die internationalen und nationalen Anti-Doping-Bestimmungen hinreichend beachtet werden“. (FOCUS Nr. 51/1997).

Und wieder fanden sich Athleten, die Partei für Klümper ergriffen. In einer Anzeige sprachen 28 aktive und ehemalige Sportler und Sportfunktionäre von „lancierten Angriffen“, nahmen Klümper gegen „Neid, Mißgunst und Diffamierung“ in Schutz und lobten dessen „ausgeprägten medizinischen Ethos“. Mitunterzeichner waren u.a. „Kugelstoßer Udo Beyer, der Präsident des Zehnkampfteams, Jürgen Hingsen, die Kugelstoß-Weltmeisterin und -Olympiasiegerin Astrid Kumbernuss, der ehemalige DLV-Präsident Helmut Meyer, der frühere Kugelstoßer Ralf Reichenbach, die ehemalige Sprinterin Annegret Richter, der Diskuswurf-Weltmeister und -Olympiasieger Lars Riedel, der frühere Zehnkampf-Olympiasieger Christian Schenk und der Hammerwurf-Weltmeister Heinz Weis.“ (FAZ, 2.12.1997) Sowie Rudi Altig, Eberhard Gienger, Rolf Milser, Hansi Müller, Wolfgang Overath und Georg Thoma. Diese Liste führte zu heftigsten Diskussionen. Es gab Ermahnungen durch den DLV, Rücknahmen, Austritte. Andere Verbände, deren Sportler ebenfalls zu den Patienten der umstrittenen Klinik gehörten, hüllten sich jedoch in Schweigen.

Das Verfahren um Birgit Hamann wurde im November 1998 eingestellt da keine Straftat vorlag, denn die Sportlerin sei gesundheitlich nicht geschädigt worden. Aber „Klümper habe Hamann „mit gewisser Wahrscheinlichkeit“ das Wachstumshormon Genotropin gespritzt, das schmerzlindernde Cortisonpräparat habe sie „sicher erhalten“, sagte ein Justizsprecher.“ (Berliner Zeitung, 28.11.1998) 2014 wird bekannt, dass Klümper für 9000 DM Genotropin für Hamann aus Geldern des BMI, die über den DSB an den Verein „Bundesleistungszentrum Freiburg-Herzogenhorn e.V.“ gingen, finanziert hatte. (s.u., Sport Inside, 1.12.2014)

Langsam wurde es immer einsamer um den Sportarzt, man rückte von ihm ab. 1998 kündigte der Deutsche Sportbund (DSB) seinen Vertrag über sportmedizinische Untersuchungen im Institut aufgrund ‚unklarer Abrechnungen‘ und auch das Bundesinnenministerium, zu 60 Prozent am Bau der Sporttraumatologischen Einrichtung und zu 80 Prozent am Freiburger Olympiastützpunkt beteiligt, stellte seine Unterstützung generell infrage und wollte aber auf keinen Fall mehr Einrichtungen mitfinanzieren, an denen Klümper beteiligt war. (FAZ, 17.8.1998)

2014 wurde eine Expertise des Bundesinnenministeriums aus dem Jahr 1999 bekannt, wonach das Ministerium von 1980 bis 1996 die Sporttraumatologische Ambulanz mit 1,23 Millionen Mark ohne Zweckbindung unterstützt hatte. Gezahlt wurde dem DSB, der sie an den Verein „Bundesleistungszentrum Freiburg-Herzogenhorn e.V.“ weiter leitete.

Dieser Verein wurde 1973 ins Leben gerufen. Zu den Gründungsmitgliedern zählten unter anderem die inzwischen verstorbenen Fredy Stober (langjähriger Präsident des Skiverbandes Schwarzwald) und Joseph Keul (Chef der Sportmedizin der Universitätsklinik Freiburg) – nicht aber Armin Klümper. An Sitzungen teilgenommen hat auch Dieter Schmidt-Volkmar, ehemaliger Ministerialrat im Landesministerium für Kultus und Sport, der nun Vorsitzender des Landessportverbandes Baden-Württemberg ist.“

Das BMI untersuchte für 1992, ausgelöst durch die staatsanwaltlichen Ermittlungen im Fall Hamann, die Ausgaben Klümpers (s.o.). Weitere Jahre wurden nicht berücksichtigt, die Unterlagen aber vernichtet. Es bleibt damit unklar, ob mit BMI-Geldern häufiger Dopingsubstanzen wie im fall Hamann finanziert wurden. (Sport Inside, 1.12.2014)

Klümper musste sein Zentrum verlassen und ging 2000 verbittert nach Südafrika.

Fazit von Gerhard Treutlein

Gerhard Treutlein war bis zu ihrer Auflösung Mitglied der Evaluierungskommission Freiburger Sportmedizin und ist Autor des Kapitels zu Armin Klümper im Buch „Doping für Deutschland‘.

Hier einige Zitate aus seinem Fazit zu Armin Klümper:


Innerhalb seines Weltbildes, seiner Vorstellung von der Entwicklung des Spitzensports und von seiner eigenen Bedeutung handelte Klümper völlig rational. Damit erfüllte er auch die Erwartungen seines Umfeldes. Angesichts des großen Zuspruchs auf allen Ebenen, konnte er sich lange Zeit sicher sein, nicht nur im eigenen, sondern auch im lokalen, regionalen und sogar nationalen Interesse zu handeln. Wenn Logik-Subsysteme aufeinandertreffen, auf der einen Seite die Sieg-Niederlage-Logik des Spitzensports auf der anderen Seite die Logik von Politik oder Wissenschaft, dann setzt sich bei den handelnden Personen meist die Logik des Spitzensports durch (Bette/Schimank, 1995). Klümper und sein Umfeld sind hierfür ein gutes Beispiel. Ohne eine umfangreiche unterstützende Umgebung auf allen Ebenen hätte Klümper nie eine so wichtige Rolle spielen können.

Es ist letztlich ebenso faszinierend wie erschreckend, dass sich innerhalb der Struktur einer Universität mit ihren Freiräumen, die für Forschung wichtig sind, ein Arzt, der sich zunächst als Wissenschaftler verstand, zunehmend unkontrolliert und aufgabenfremd entwickeln konnte.

Nur Einzelne wie Brigitte Berendonk, Werner Franke, Eberhard Munzert, Karlheinz Graff aber auch der Generalstaatsanwalt Ernst Bauer versuchten ihn zu bremsen. Im Großen und Ganzen aber wurde er als Medaillengarant gesehen. Er erfüllte die Erwartungen seiner Förderer in Politik und politik.  …
Wie groß diese Heuchelei war, zeigen die Ergebnisse der Dissertation von Simon Krivec (2017). 31 frühere Spitzenleichtathleten – die meisten von ihnen ehemalige Klümper-Patienten, gaben gegenüber Krivec ihr Doping zu. Diese Doper fühlten sich oft unwohl in ihrer Rolle als Verletzter der Regeln. Im Gegensatz zu den Förderern und Beschweigern von Doping und Medikamentenmissbrauch riskierten die Sportler aber ihre Gesundheit oder sogar ihr Leben (wie z.B. Birgit Dressel oder Ralf Reichenbach und – ohne ihr Wissen – Christel Justen).
Sie zahlten mit dem Leben für ihre Risikobereitschaft. Da sich Dopingfolgen oft erst eine ganze Reihe von Jahren später einstellen (Mahler, 2000), waren diese Sportler meist nicht sofort in der Lage, ihre gesundheitlichen Probleme mit dem früheren Doping und Medikamentenmissbrauch in Verbindung zu bringen.
Klümpers diagnostische Fähigkeiten kombiniert mit seinen Kurzzeitbehandlungserfolgen sowie sein unbestrittenes Charisma sorgten für höchst zufriedene Patienten, die ihm alle Wege öffneten. Seine Behandlungsmethoden zusammen mit dem Einsatz illegaler Mittel und Methoden bei einem Teil seiner Kunden waren an überragenden sportlichen Erfolgen beteiligt. Damit entsprachen er und seine Kunden voll und ganz den Erwartungen der Unterstützer.

Nicht eine hohe wissenschaftliche Kompetenz, die durch qualitativ hochstehende Veröffentlichungen nachzuweisen gewesen wäre, waren Grundlage für Klümpers Entwicklung innerhalb und dann außerhalb der Universität. Er befriedigte die Erwartungen der Strukturen (DLV, BDR, BMI, LSV, DSB, Öffentlichkeit):»Strukturen sind generalisierte Verhaltenserwartungen« (Bette 2011: 122), Klümper war ein Vollstrecker.  …
Ohne seine Förderer und Beschweiger von Doping hätte Armin Klümper nie das werden können, was er war: Ein Guru in Weiß – ein »Geschenk« für den westdeutschen Spitzensport. Deutschland brauchte Helden und Medaillen.Klümper war an deren Produktion wesentlich beteiligt.

Was über die Förderung und den Schutz des »Gurus in Weiß« durch Politik, Sportpolitik, Patienten und Funktionäre spätestens seit den 1980er Jahren bekannt war, führte kaum zu Maßnahmen, die Ärzte wie Klümper gebremst oder behindert hätten. Klümper sorgte dafür, dass sich die von Politik, Sportpolitik und Öffentlichkeit erhofften Erfolge einstellten, wie in der DDR, um jeden Preis. Die Spitzenathleten ihrerseits wollten international konkurrenzfähig sein oder werden, auch um jeden Preis. Klümper erfüllte die Erwartungen der medizinischen Hilfestellung.

Viele haben von Klümpers deviantem Handeln profitiert. Die Täter und Wissenden – Politiker, Sportpolitiker, Verbandsfunktionäre, Trainer dagegen sitzen bei Meisterschaften und anderen Großveranstaltungen auf der Ehrentribüne.Widerstand leisten gegen diese Entwicklung des Spitzensports bleibt eine Angelegenheit von wenigen. Diese gelten als »Nestbeschmutzer«, die den »guten Ruf« ihres Verbands und ihrer Sportart beschädigen. Verbände wie der Bund Deutscher Radfahrer besitzen (angeblich) kein Archiv, das als Ergänzung zu den Klümper-Akten dienen könnte. Die meisten Täter und Wissenden schweigen bis heute und stabilisieren damit die »Mauer des Schweigens «. Im Gegensatz dazu hat ein Teil der von Simon Krivec Befragten (2017) den Mut aufgebracht, ihr früheres Doping zu beschreiben und Verantwortliche zu benennen. Athleten hatten diesen Mut, im Gegensatz zum damals unterstützenden und fordernden Umfeld.

Wir sehen Klümper als charismatischen Guru mit unbestreitbaren Qualitäten als Diagnostiker von Sportverletzungen und Überlastungsschäden. Er behandelte seine Patienten mit einer stupenden Polypragmasie, in dem er die von ihm betreuten Sportler noch lange nach dem durch die Sportinstanzen verhängten Verbot mit Anabolika und Steroiden versorgte. Die damit verbundenen Kurz- und Langzeitschäden nahm er dabei billigend in Kauf. Die durch Doping ermöglichten sportlichen Erfolge garantierten ihm eine de facto Immunität als Arzt, soziale und akademische Anerkennung sowie jahrelange Duldung an der Universität Freiburg. Klümper scheiterte an seiner kompromisslosen Selbstüberschätzung. Seine gesetzeswidrige Abrechnungspraxis brachte ihn schließlich zu Fall. Politiker, Sportfunktionäre und akademische Instanzen, welche Klümpers Wirken jahrzehntelang gestützt hatten, blieben unangetastet.“

Interviewausschnitte mit Armin Klümper

Interview mit Prof. Dr. Armin Klümper, Stuttgarter Zeitung 14.3.1991

Über Doping reden nur Fanatiker, Pharisäer und Bürokraten

Deutschlands prominentester Sportmediziner, Professor („Doc“) Armin Klümper, glaubt nicht an die Ernsthaftigkeit im Kampf gegen das Doping / Ein StZ-Gespräch

Hintergrundbezüge zu Klümpers Antworten finden sich in dem Spiegel-Artikel vom 4.2.1991
Delikate Frage

Herr Professor Klümper: Hinz und Kunz äußert sich zum Doping, nur derjenige, der wirklich Bescheid weiß, sagt nichts. Warum?
Eben weil sich Hinz und Kunz äußert, da hatte ich einfach die nase voll.

Woran glauben Sie nicht: an den Sachverstand oder an die Ernsthaftigkeit der Diskutanten?
Wer diskutiert denn seit 15 Jahren? Unwissende, Fanatiker, pharisäerhafte Funktionäre und bürokratische Regulatoren. Zu den Athleten haben diese Leute doch nahezu jeglichen Kontakt verloren.
(…)
Wer nicht spätestens 1976 erkannt hat wohin der Zug des Sports zuerst in den Ostblockstaaten fuhr, der muß mit Blindheit geschlagen gewesen sein oder einfach dumm oder ist bewußt politischen Irritationen aus dem Weg gegangen. Ich kenne doch die Kungeleien in den internationalen Gremien, da ist auf dem Weg der Postensicherung vieles toleriert worden. Dadurch ist die Glaubwürdigkeit verloren gegangen und damit hat sich eine beträchtliche Zahl der Sportführer den Boden der moralischen Integrität unter den Füßen weggezogen.
(…)
Es hat kaum eine Sportart gegeben, in denen ich die DDR-Trainer nicht gekannt hätte. Die überwiegende Zahl davon hat vom Doping gewusst.

Und dennoch sind sie hurtig übernommen worden.
Ich frage mich manchmal: Will man das eigentlich totschweigen, will man das garnicht regulieren, wollte man bei der Annexion nur die Topleute einkaufen, um möglichst viele Medaillen zu gewinnen? Ich hätte mir gewünscht, daß sich die Athleten, die von drüben kamen, hingestellt und gesagt hätten, ja wir haben gedopt. Das war nun mal unser System in dem wir gelebt haben.
(…)

Nun sollten wir nicht so tun, als wäre Doping ein spezielles Problem der Ex-DDR gewesen. Auch in den alten Bundesländern wurde munter manipuliert.
Lassen Sie mich von einem Kollegen erzählen, der seit 15 Jahren leitender Olympiaarzt ist (die StZ wirft den Namen Keul ein) (…) Dieser Mediziner hat 1976 in Montreal Ruderern und Schwimmern sowie Athleten anderer Sportarten intravenöse Spritzen gesetzt, die sehr wehtaten. Er hat dies alles mit dem Hinweis getan, daß eine bis zu zehnprozentige Leistungssteigerung zu erwarten sei. Damit ist z.B. Peter-Michael Kolbe völlig eingebrochen. (…) Es waren zusammengemischte Substanzen aus der Diabetesbehandlung, die in den Stoffwechsel eingreifen. Entscheidend war für mich, wie damit hantiert wurde. Wenn man Wissenschaft betreibt, dann verabreicht man doch nicht irgendwas und gaukelt dem Betroffenen vor, er werde dadurch schneller.
(…)
Richtig ist, daß sich etwas bewegt, [heute, im Kampf gegen Doping, seit 1977 gäbe es zwar eine Debatte, die habe aber nichts bewirkt] weil über die Medien Druck ausgeübt wurde. Aber schauen Sie sich die Trainingskontrollen an, die jetzt als das Allheilmittel angeprießen werden. Ich halte sie für schlecht vorbereitetes Umsichschlagen, für Beruhigungspillen für die Öffentlichkeit. Es macht mich sehr stutzig, wenn ich einen Herrn von Richthofen erklären höre, man könne jedem an den Kragen gehen und dies an die Presse weiter geben. (…) So schafft man nie die notwendige Vertrauensbasis und damit das Klima, in dem eine sinnvolle und fruchtbare Dopingdiskussion gedeihen kann.
(…)
Nehmen Sie das Beispiel Katrin Krabbe. Da schickt der DLV also einen Kontrolleur von Hamburg nach Kuba. (…) [Er] kommt bei Frau Krabbe an, die ihn abweist, weil sie in die Diskothek will. Sofort wird sie verdächtigt, Zeit schinden zu wollen.

Ist das so falsch?
Nein, aber es schafft dieses ungute Klima, diese Unendlichkeit des Mißtrauens.

Wie hätten Sie’s denn gern?
Ich will Ihnen sagen, wie wir es in den 60er Jahren im Radsport gemacht haben, und das gilt immer noch. Ich habe den Fahrern erklärt, daß ich sie nicht in die Pfanne hauen und ihnen das Brot wegnehmen will, sondern daß ich sie davor bewahren will, vor die Hunde zu gehen.

[Bei Tom Simpsen hätte dies nicht geklappt, obwohl sie endlose Diskussionen gehabt hätten. Er wäre nicht an den Fahrer heran gekommen.]
Wenn wir unsere Amateure erwischt haben, dann haben wir das nicht an die Öffentlichkeit getragen, sondern verbandsintern reglementiert. Er hatte dann die Wahl, sein Fehlverhalten öffentlich zu gestehen oder sich eine dreimonatige Grippe zuzulegen. Das hat ein ganz anderes Klima geschaffen.

Die Grenze zwischen Vertrauen und Miteinanderkungeln ist dann fließend
Nein ! Der Betroffene hat entsprechend den Reglements seine Strafe bekommen aber wurde nicht an den Pranger gestellt. Reden wir doch Klartext: Wenn ich merke, dass sich einer dopen will, dann muß ich ihn als Arzt beraten. Dieser Athlet merkt, daß er mit 10 Milligramm Anabolika zwei Meter weiter wirft, und probiert’s dann mit 15, weil er annimmt, das sei normal. Irgendwann wird er auch diese Grenze mit Sicherheit überschreiten. Und genau hier muß ich ihn aufklären, über Indikation, Wirkung und Nebenwirkung einer Substanz, nicht darüber, wieviel er nehmen soll.
(…)

[Klümper bestreitet Anabolika an Sportler verabreicht zu haben, der einzige Fall sei Radfahrer Strittmacher gewesen, der aufgrund einer Verletzung Primobulan erhalten habe. Auch habe es nie Blankorezepte bei ihm in der Praxis gegeben. Das er als Dopingarzt bezeichnet wird, findet er bemerkenswert, stamme doch das das erste ‚praktizierte Antidoping-Reglement‘ von 1965 von ihm. ]

Ihr Kollege Manfred Donike beschäftigt sich auch wissenschaftlich mit der Materie und scheint unumstritten.
Ich will Ihnen darauf mit einer Frage antworten: Wozu brauchen wir eigentlich Doping-Institute? Früher hat das ganz hervorragend mit den gerichtsmedizinischen Instituten funktioniert. Die hatten den Vorteil, neutral zu sein, die waren nur Amt und Würden und ihrer Fakultät verpflichtet, aber bestimmt keinem Sportverband, wie das bei Donikes Labor und dem IOC der Fall ist. Die gerichtsmedizinischen Institute waren schon vor vor 20 Jahren soweit wie Donike heute.
(…)
Wer kontrolliert denn die Kontrolleure? Ich habe 1972 mit dafür gesorgt, daß Donike das ganze Labormaterial von München mitnehmen konnte. So hat es angefangen. Damals war ich eben gutgläubig.

[Indirekt wirft er Donike Vertuschung positiver Proben bei den Olympischen Spielen in Los Angele und im Fall Strittmacher eine ‚unrühmliche‘ Rolle vor.]

Inzwischen profiliert sich eine andere Fraktion als Saubermann: die Industrie
(…) es ist schon merkwürdig, wenn man auf der einen Seite von den Sportlern verlangt, daß sie sauber bleiben sollen. Das ist dasselbe, wenn die Verbände Normen setzen, von denen man genau weiß, daß sie ohne Anabolika nicht erreicht werden können.

(…) Sie werden es noch erleben, daß man die Sportler nur noch als Staffage braucht. (…) Man beginnt darüber nachzudenken, ob nicht heutige Ethik viel damit zu tun hat, was dafür gezahlt wird. Dann ist es endgültig vorbei mit der Glaubwürdigkeit – auch im Kampf gegen das Doping.

Interview mit Prof. Dr. Armin Klümper 1997:

Die folgenden Zitate stammen aus einer Abschrift einer Interviewaufzeichnung des SDR3 vom 2.6.1997:

SDR: … Gut zehn Jahre ist es her als sie [Birgit Dressel] starb. Sie war ihre Patientin. Wenn ich sagen würde, Konjunktiv, ihr Name ihre Person stünde im Zusammenhang mit dem Tod von B. D., würden sie mich verklagen?
Klümper: Ja, mit Sicherheit.

SDR: Haben sie etwas ähnliches schon gemacht?
Klümper: Ja, ich habe etwas ähnliches schon gemacht. Vor einem Jahr gegen den Sportinformationsdienst und gegen die FAZ und habe in beiden Fällen gewonnen.

SDR: Die haben was behauptet?
Klümper: Daß ich eben in irgendeiner Form mit in diesen Tod verwickelt sei.

SDR: Man hat nach ihrem [Birgit Dressel] Tode … ich glaube, 102 verschiedene Medikamente gefunden oder Substanzen …
Klümper: Nein, die hat man nicht bei der Obduktion gefunden, sondern die hat man bei der Hausdurchsuchung gefunden und hat die dann alle im Spiegel abgebildet.

SDR: Vermutlich ist bei einer solchen Zahl … die Frage relativ unsinnig, ob darunter Doping-Mittel waren, weil, wenn man die 102 zusammenwürfelt, passiert das, was im Falle von Birgit Dressel ja passiert ist.
Klümper: Nein, das ist völlig falsch … sie können meinetwegen 200 verschiedene, es kommt ganz darauf an, was sie nimmt, was der Inhalt entweder von Chemismus her ist oder sind es homöopathische Mittel oder sind es pflanzliche Mittel usw. und wir arbeiten z. B. in der Überzahl der Menge mit pflanzlichen und homöopathischen Mitteln und die sie von uns bekommen hat, da kann sie einfach nicht dran sterben, das ist nicht möglich.“

SDR: Fühlen sie sich, auch wenn sie sich im sportärztlichen und im beruflichen Sinne nicht mitverantwortlich für den Tod von Birgit Dressel? Fühlen sie sich auf eine menschliche, auf eine ethische, auf eine moralische Art und Weise insofern vielleicht doch ein Stück weit dran beteiligt, als Birgit Dressel ja so also das wahnwitzige Symbol dafür geworden ist, daß man im Sport siegen will, auch um den Preis der Selbstzerstörung?
Klümper: Nein. Ich habe Gott sei dank noch Trainingspläne, die ich ihr selber gemacht habe, wozu soll ich ihr noch Blanko-Rezepte dazu geben, also, wenn einer sie gut gekannt hat, bin ich vielleicht nicht das gewesen und ich fühle mich absolut unschuldig daran … Es ist schon ein gewisses Vertrauensgeschenk der Athleten, daß sie mir gegenüber gegeben hat, hinsichtlich, daß ich Trainingspläne machen konnte, daß ich Behandlungen bei ihr machen durfte, wobei die Athleten über jede Behandlung genau informiert werden. Sie wissen ganz genau, was sie bekommen usw. … ich muß nur einfach sagen, es hat mich persönlich tief getroffen, daß man mich da in Verbindung gebracht. Man muß auch dazu sagen, daß paßte gerade prima hinein, der Club stand gerade unter Feuer und da konnte man das gut weitergeben nach Freiburg und jemanden beschuldigen, der damit überhaupt nichts zu tun hat. Und ich muß sagen, … der Deutsche Leichtathletikverband von Birgit Dressel [hat] eine Verhaltensweise an den Tag gelegt, die zutiefst traurig war. Der Staatsanwalt selbst hat in seinem Schreiben den Deutschen Leichtathletikverband gebeten, händeringend gebeten, das Manuskript, das er dem DLV aushändigt, bitte nicht an die Öffentlichkeit gehen zu lassen und sie habens so schnell wie möglich an die Öffentlichkeit gebracht.

SDR: Ist der Kampf Herr Prof. KJümper gegen Doping insofern ein Kampf gegen Windmühlen, weil es den internationalen Sport ohne Doping gar nicht gibt?
Klümper: Ja, davon bin ich persönlich überzeugt und man kann sich auch davon überzeugen, wenn man regelmäßiger Zeitungsleser ist, man brauch nicht gerade in die Länder zu gehen. Aber es ist nun zur Genüge bekannt, daß … z.B. gerade aus dem Ostblock geradezu systematisches Doping ablief, was auch so ablief, daß es sogar kontrolliert wurde vorher, bevor der Athlet zum Wettkampf ging. Die waren dann am besten. Das Gleiche haben die anderen auch spitz gekriegt und dann haben z. B. die Chinesen und Chinesinnen … 1993, …

SDR: Meinen sie die Läuferinnen?
Klümper: Nein, nein, die Kugelstoßerinnen, die sind bestimmt nicht vom Reisessen im Durchmesser von 1,20 m geworden und das halte ich natürlich für unmöglich.


SDR: Halten sie es auch für möglich, daß Hochleistungssportler plötzlich Zahnklammem tragen, weil der Kiefer in Bewegung gekommen ist, weil bestimmte Medikamente oder Mittelchen dem Körper verabreicht wurden, was ein Wachstum des Kiefers zur Folge hatte?
Klümper: Ja, natürlich, selbstverständlich. Wenn z. B. anabole Steroide gegeben werden, die also in hohen Dosen, die können durchaus dazu führen, daß dann die sogenannten Akren, die Enden des Kinns z. B. die Finger oder auch das Schädeldach, daß die plötzlich an Umfang zunehmen und dann passen sie plötzlich nicht mehr. Man muß also dann Klammern nehmen. Das gibt es alles.


SDR: … kannten sie Tom Simpson, das ist der Radrennfahrer, der ’67 vollgedopt bis zur Halskrause tot vom Rad fiel bei der Tour de France.
Klümper:K: Ich habe ungefähr 23 Jahre den Radsport betreut und ich habe ja mit Herrn Dornike zusammen das erste Doping-Reglement der Welt überhaupt geschrieben 1960 und die ersten Doping-Kontrollen wurden im Radsport gemacht, insofern kannte ich also alle Professionellen und kannte auch Simpson sehr gut. Und ich habe auch einen längeren Schriftverkehr mit Simpson gehabt und ihn händeringend, weil ich wußte, welche Mengen an Amphetaminen und Menamphitamin er schluckte, doch bitte mit den Dosen herunterzugehen und jedesmal war die Antwort in seinen Briefen, ich bin ein Profi, ich kann mit meinem Körper machen, was ich will.

SDR: Was hatte der alles drin, als er tot vom Rad fiel?
Klümper: So in etwa 120 zwischen 120 und 130 mg Amphetamine und Menamphitamine, das ist eine Dosis, die also, um es mal zu umschreiben, die würde, wenn beiden aufs Rad stiegen, wir fahren 10 km und nehmen die gleiche Menge ein, kommen wir nie am Ende der 10 km an.

SDR: Wir fallen auch vorher tot vom Rad!?
Klümper: Ja.

SDR: War Simpson damals der einzige, der in dieser Größenordnung geschluckt hat?
Klümper: In der Größenordnung war er der einzige, ja.

SDR: Aber geschluckt haben viele andere auch?
Klümper: Selbstverständlich!

SDR: Heißt das, daß man solch eine Riesenstrapaze ohne leistungsfördernde und leistungsteigernde Mittel gar nicht übersteht?
Klümper: Genauso würde ich das sagen.

SDR: Auch heute?
Klümper: Auch heute.

SDR: D. h. im Radsport, auch in der Tour de France wird kräftig gedopt und es ist nicht die Ausnahme. sondern die Regel?
Klümper: Ob es noch die Regel ist, daß würde ich ein blßchen bezweifeln. Die Regel ist es vielleicht nicht mehr, aber scharf in der Nähe dieser, sagen wir mal, dieses Grades liegt es schon.

SDR: Aber was ist mit den Kontrollen? Wird da nicht kontrolliert?
Klümper: Natürlich wird da kontrolliert.

SDR: Aber?
Klümper: Nur mit dem Unterschied, daß die, weil gerade bei den Profirennen so eine Geschicklichkeit an den Tag gelegt haben, daß man eben keinen erwischt.

SDR: Dieser Kampf gegen Doping ist eigentlich auch reduzierbar auf den Umstand, daß es ein Athlet nach Möglichkeit so einrichten sollte, die Mittel so zu dosieren, daß hinterher nichts nachweisbar ist
Klümper: Na, z. B. das kann man machen. Das ist der eine Weg. Der andere Weg ist der, daß von vornherein eine Pseudo-Doping-Probe gemacht wird, zur Beruhigung der Allgemeinheit, nicht, und dann, wenn das Rennen weiterläuft und die Tour de France wieder eine Etappe weiterfährt, dann schüttet man den Urin in den Straßengraben, dann ist die Sache erledigt Und von ähnlichen Dingen spricht man auch. Ich muß nur sagen, daß gleiche, wie sie das vorhin gesagt haben, spricht man auch bei den Olympiaden, daß ähnliche Dinge dort auch geschehen sind und daß deshalb auch die Sekretärin des Olympischen Komitees, die Französin, ihr Name fällt mir nicht ein, die mal ein bißchen darüber geplaudert hat, sofort den Posten verloren hat. Man weiß gar nicht, wo sie heute eigentlich geblieben ist. Sind sehr mysteriöse Dinge da. … “

SDR: Wird im Fußball auch gedopt? In der Fußballbundesliga?
Klümper: Wissen sie, in allen Sportarten, Leistungssportarten heißt es schneller, höher, weiter und die Versuchung nun schneller zu werden, besser zu werden, weiter zuspringen usw., die ist bei jedem Menschen angelegt und menschlich. Und wie er es nun versucht, ob er nun um besser, schneller zu werden, ob das durch Training oder vielleicht durch Verstärkung, verstärkten Einsatz von Medikamenten macht, das ist letztlich der Entscheidung des Einzelnen überlassen und wir sind eigentlich im Grunde nur dazu da, ich möcht das mal so sagen, die Athleten davor zu bewahren, daß sie zusätzliche Medikamente einnehmen, was sie nicht brauchen, sie können das genausogut durch Ernährung usw. können sie das genauso.

SDR: Meinen sie, das beantwortete jetzt gerade meine Frage nach dem Doping im Fußball nicht. Wird da gedopt?
Klümper: Man muß davon ausgehen, ja, besonders weil Herr Donike sehr lange einen Privatkrieg gegen den Fußball geführt hat, mit klaren Äußerungen, die in der Presse auch veröffentlicht worden sind, dahingehend, daß man unbedingt die Doping-Krontrollen im Fußball einführen müsse, weil doch sehr deutlich sei, daß im Fußball gedopt wird.

SDR: Irgend jemand hat mal gesagt, ich muß das einfach so laienhaft wiedergeben, Doping im Fußball würde gar nichts bringen, weil was man dann mehr an Kraft hätte, ginge dann mehr auf Kosten des Kopfes.
Klümper: Naja, es kommt drauf an. Das ist eine Frage, was sie für Medikamente einnehmen, die in welche Richtung wirken. …

SDR: Was könnt er denn machen?
Klümper: … Er braucht eigentlich gar nichts zu machen. er müßte nur eine vemünftige Lebensform haben. …. er kann also nicht jeden Abend in die Kneipe gehen, nicht. Das würde ihm auf die Dauer nicht gut bekommen. er müßte das Rauchen aufgeben, da das Rauchen mit Sicherheit leistungsmindernd ist und ebenfalls mit dem Alkohol müßte er etwas zurückhaltend sein und ansonsten müßte er ein normales Leben führen. Das ist eigentlich alles. Und darüber hinaus wäre es auch noch sehr wichtig. daß er sich nicht nur mit dem Sport befaßt. sondern sich darüber hinaus auch mit schönen Dingen oder philosophischen Dingen befaßt.

SDR: Sollte man nach all dem, was sie erzählt haben über Doping und über die Praxis. Sollte man nicht sagen, komm, es wird freigegeben und [was] wirklich jeder mit seinem Körper macht, ist auch um den Preis der Selbstzerstörung jeweils die Sache des Athleten?
Klümper: Nein. so kann man das eigentlich nicht sagen … Wir sind verpflichtet die Doping-Kontrollen durchzuführen, aber dann müssen sie auch konsequent durchgeführt werden und dann müssen sie auch mit klaren, ganz klaren Gesichtspunkten durchgeführt werden und nicht mit allen möglichen Wenn und Aber. … Dann müßte das IOC 100 %ig dahinter stehen und wirklich auch dafür sorgen, was es einmal gesagt hat, z. B., daß keiner zu den Olympischen Spielen kommt, der nicht einer entsprechenden Doping-Untersuchung unterworfen ist, das aber unterläuft ständig seine eigene Aussage.“

Klümper-Vortrag vor dem Fußballverband Baden-Württemberg, Wengen 18.5.1977

„…
Im Gründe könnte man das Problem ja als erledigt betrachten, da sowohl die Spitzenverbände des Deutschen Sportes, der DSB und das NOK, als auch in Kiel der Deutsche Sportärzteverband ein eindeutiges Votum gegen die Anabolika abgegeben haben und es jetzt nur noch des Vollzuges durch die Legislative des Parlamentes des DSB bedarf, um das Verbot der Anabolika zu manifestieren, diese Substanzen in die Liste der Doping-Mittel einzureihen.

Da mirr das Thema hier gestellt wurde, darf ich davon ausgehen, daß ich als Vertreter des hypothetischen Kreises betrachtet werde, der für die Anabolika spricht; Sie, die Journalisten, sind wider die Anabolika, der thematischen Konstellation wäre somit Genüge getan. Ich muß Sie jedoch von vorneherein enttäuschen, da ich nie für die Anabolika gewesen bin, kann ich auch beim besten Willen kein Plädoyer für die Medikamente halten.

Definition und Wirkungsspektrum der Anabolika wurden von Anfang an in der Diskussion bewußt oder unbewußt als Zerrbild wiedergegeben; die pseudowissenschaftliche Argumentation gipfelte einer uninformierten und unwissenden Öffentlichkeit gegenüber in der Behauptung, da3 es sich um ein krebserzeugendes Präparat handle. … Die pharmakologische Wirkung der anabolen Steroide wird seit über zwei Jahrzehnten im medizinischen Bereich zur Behandlung von Erkrankungen benutzt, die mit Eiweißmangel bzw. Eiweißverlust dahergehen wie schwere Infektionen, Gewichtsverlust bei Tumorerkrankungen, als unterstützende Maßnahme bei Tumorbestrahlungen, aber auch zur direkten Behandlung von metastasierenden Geschwülsten wie z.Bsp. bei Mamma-Ca.

Die Anwendung anaboler Steroide in Leistungssport entspringt in erster Linie einer erhofften Zunahme der Muskelkraft. Im Rahmen der abgelaufenen Diskussion war mehrfach zu lesen und zu hören, daß die Anabolika gar nicht zur Verbesserung der sportlichen Leistung beitragen könnten. Das ist sicher nur eine unwissenschaftliche Teilwahrheit, die vielleicht sogar von sportmedizinischen Kommissionen zweckdienlich verbreitet wurde. Der Behauptung stehen und standen die Erfahrungen von Athleten, Trainern und Sportmedizinern gegenüber, daß anabole Steroide zweifelsfrei zur Steigerung sportlicher Leistungsfähigkeit führen können, was auch durch experimentelle Untersuchungen als erwiesen gelten kann.

Zur Präzisierung muß gesagt werden, daß die Anwendung von Anabolika ohne zusätzliches Training keinen Effekt erbringt. … Als zusätzlicher Effekt beeinflussen offenbar die anabolen Steroide das subjektive Leistungsempfinden und die Leistungsmotivation, so daß besser im maximalen Belastungsbereich trainiert werden kann. Der Wirkungsmechanismus der anabolen Steroide ist bei beiden Geschlechtern grundsätzlich gleich. Lediglich die Ansprechbarkeit auf anabole Steroide ist bei Frauen aufgrund des niedrigeren Androgenspiegels größer.

Wenn also die hier aufgezeichnete Effektivität der Anabolika bekannt ist, wen wundert es, daß bei der Situation des heutigen Hochleistung Sportes mit all seinen Erkenntnissen über biologische Anpassungsprozesse und biologische Strukturen auch davon Gebrauch gemacht wird.

Insgesamt handelt es sich um einen völligen normalen Vorgang Rahmen des Leistungs- und Hochleistungsportes. Die hier aufgezeichnete Entwicklung läßt sich für jede Substanz oder jedes Medikament in Laufe von Jahrzehnten, und auch über längere Zeiträume verfolgen.


Die Entwicklung der Anabolika-Anwendung ist allerdings im Westen und im Osten verschiedene Wege gegangen. In Ostblock gibt es sicher eine weitverbreitete Anabolikaanwendung, die politisch sanktioniert und ärztlich kontrolliert wird. Das Wissen darum behandelt die Öffentlichkeit mit Diskretion, in der DDR unterließt die Maßnahme strenger Geheimhaltung.

In den westlichen Ländern überwiegt oder überwog die Selbstbehandlung der Athleten mit Anabolika, die sicher in der überwiegenden Zahl der Fälle ohne medizinischen Kontrolle erfolgt oder erfolgte; Dosierung und Dauer der Therapie richteten sich nach individueller Erfahrung und Erfahrungsaustausch der Athleten untereinander.

Die im Westen vollzogene Praxis „Alle wissen es, aber keiner spricht darüber“, ist für mich als Arzt und gar als direkt betreuender Sportmediziner nicht akzeptabel.

Ich kann nicht einer existierenden Sportethik oder Sportmoral zuliebe – was immer man darunter verstehen mag – die drei Affen spielen und meine sehr wohl fundierte ärztliche Ethik über Bord werfen. Ich fühlte und fühle mich verpflichtet, die Athleten über Wirkung und Nebenwirkung der Anabolika aufzuklären, evtl. Schädigungsmöglichkeiten zu verhindern.

In mündlichen und schriftlichen Diskussionsbeiträgen wurde den Sportmedizinern unter ausdrücklicher Namensnennung einzelner unterstellt, eine solche Begründung sei lediglich ein Vorwand, un die Anabolika gezielt an die Athleten heranbringen zu können. Das entspricht einfach nicht der Wahrheit.

Bis auf vielleicht wenige Ausnahmen engagieren sich die Sportmediziner selbstlos und zum Teil unter Aufgabe ihrer sowieso schon knapp bemessenen Freizeit genau in den Sinn im Sport, wie es in der Grundsatzerklärung des DSB und NOK für den Spitzensport von 29.4.197 niedergelegt ist.

„Die ärztlich-medizinische Betreuung des Athleten ist unerläßlich; er bedarf der regelmäßigen ärztlichen Beratung, Überwachung und Kontrolle in Training und Wettkampf. Ohne diese ist er gesundheitlichen Gefahren ausgesetzt, die er selbst oft gar nicht erkennen kann.

Die ärztliche Betreuung hat darauf abzuzielen, seine Gesundheit zu sichern oder aber wiederherzustellen, wo sie eingeschränkt ist.“

Wenn man die Anabolika wirklich aus der Sportszenerie herausbringen will, um eben eine erstrebenswerte Chancengleichheit zu erreichen, dann genügt es nicht, flammende Bekenntnisse für den sauberen Sport abzugeben, die Anabolika zu verdammen und sie als Doping-Mittel zu klassifizieren. Solche Maßnahmen werden die Anwendung auch in Zukunft nicht verhindern können. Die Einhaltung eines Verbotes kann nur durch wirksame Kontrollen erzielt werden; die aber sind nur in sehr begrenzten Umfang möglich. Die Realität wird in Zukunft so aussehen, daß das Thema Anabolika in der Sportwelt von allen Seiten als Tabu betrachtet wird.

Die offizielle Verdammung der Anabolika und die fehlende Sachkenntnis über Wirkung haben sicher nicht selten zu einer überhöhten Dosierung über sehr lange Zeit geführt, wobei dann Nebenwirkungen natürlicherweise – wie bei jeder anderen Medikamenteneinnahme – stärker in den Vordergrund treten. Völlig unabhängig von jeglicher moralischer Wertung des Ärgernisses der Anwendung von anabolen Steroiden ist es wohl sicher, daß die bewußte Anwendung nach strenger Indikation und unter medizinischer Kontrolle ein geringeres Risiko für negative Wirkungen auf die Gesundheit des Athleten bedeutet. Die berechtigte Hoffnung der Athleten, durch Anabolika ihre Leistung zu steigern, wird bleiben; dieser Versuchung als Irrweg in die

Leistungssteigerung wird der Athlet – der nicht besser und nicht schlechter ist als seine Umwelt – mit Sicherheit erliegen insbesondere unter den Aspekt, daß die Anabolika wirksame und für den medizinischen Laien leicht zu handhabende Mittel darstellen mit einem nachweislich geringen Risiko im Bereich sog. pharmakologischer Dosen.

Das Verbot [Radsport, im Rahmen früherer Regelungen] allein war nahezu wirkungslos national wie international. Der Feldzug einer Aufklärung brachte schon bessere Ergebnisse, aber erst die wirksamen Kontrollen ließen die Amphetamine, Ephedrine und sonstigen gefährlichen Stimulanzien aus dem Radsport verschwinden. Wenn es aber im Radrennsport schon immens schwierig war, tatsächlich gefährliche Mittel, die auch nachweislich zu Todesfällen geführt haben, aus dieser Sportart zu eliminieren, wieviel schwieriger wird es sein, ein Mittel aus dem Sport zu entfernen, dessen Anwendung zwar Schäden nachgesagt werden, die jedoch nachweislich bislang nicht aufgetreten sind. Sofern man die Anwendung von Anabolika zur Leistungssteigerung im Sport ans sportethischen oder sonstigen moralischen Gründen oder auch aus Gründen einer möglicherweise berechtigten Vorsicht nicht wünscht, so sollte man das nicht dadurch zu erreichen versuchen, daß auf der einen Seite tatsächlich vorhandene positive Effekte der Anabolika auf die sportliche Leistung geleugnet oder unterschlagen werden, mögliche Nebenwirkungen derart aufgebauscht werden, daß von einer Drogenszene und Monstern die Rede ist. Solche Warnungen sind und bleiben unglaubwürdig.

Die Deutsche Sportmedizin einschließlich meiner Person hat sich – mit vereinzelten Ausnahmen – zu keiner Zeit für eine generelle Verabreichung von Anabolika an Hochleistungssportler ausgesprochen, sondern sich lediglich um eine realistische Interpretation des Status quo bemüht.

Das Grundanliegen eines jeden Sportmediziners ist es, nach Möglichkeit alle medikamentösen Maßnahmen, die ausschließlich der Leistungssteigerung dienen sollen, aus dem Sport zu eliminieren. …

Monika