Operación Puerto: Eufemiano Fuentes und der Fußball
>>> Zusammenfassung der Ereignisse rund um die Operación Puerto auf Wikipedia
>>> Portrait Eufemiano Fuentes
Zitat:
Eine offizielle Statistik des consejo superior de deportes (CSD), veröffentlicht im Juli 1988, erbrachte das Ergebnis, dass die Dopingrate im spanischen Fußball höher war als im spanischen Radsport. Danach dopten 2,41% der Spieler der Ersten und Zweiten Liga. Der weltweite Durchschnitt läge bei 2,25%. Danach nahm der Fußball den dritten Rang hinter Body-Building und Gewichtheben ein.
(Libération, 21.7.1988, nach de Mondenard in Les Dopés du Foot, 2012, S. 228)
Schnell wurde nach den ersten Enthüllungen über die Operacion puerto 2006 deutlich, dass nicht nur Radsportler zu den Kunden des Arztes Eufemiano Fuentes gehörten, sondern dass prominente Fußballspieler und Clubs betroffen waren. Es war die Rede von Betis Sevilla, FC Valencia, Real Madrid und FC Barcelona. Die vielfältigen Versuche von seiten der Justiz, der Politik und der Sportfunktionäre die Ermittlungen zu behindern und einzustellen hatten wesentlich mit dieser Einbindung des Fußballsports zu tun.
Eufemiano Fuentes begann seine Zusammenarbeit mit dem Fußball 1995. Er wurde bis 1996 Teamarzt des Zweitligaclubs Elche CF. 1996 lehnte er allerdings ein entsprechendes Angebot des FC Barcelona ab. 2000/2001 übernahm er dann für ein Jahr die Position des Teamarztes des Fußballclubs Las Palmas seiner Heimatinsel Gran Canaria, der in die erste Liga aufgestiegen war. Unumstritten war er nicht, denn einige seiner Behandlungsmethoden fanden nicht bei allen Spielern Zustimmung. Zum Skandal kam es, als nach einem Spiel in Vallecas Spritzen in den Umkleideräumen gefunden wurden. Analysen der Spritzeninhalte wurden jedoch nicht vorgenommen. (elperiodico.com, 12.8.2006). Erneut lehnte er ein Angebot des FC Barcelona ab.
Nach seiner Verhaftung 2006 hatte Fuentes in einem Radio-Interview von Cadena Ser angedeutet, dass er Sportler anderer Disziplinen behandelt hatte. In dem dazu gehörigen online-Artikel heißt es, der Radsport sei nicht der einzige Sport in dem man etwas nehme um die Leistung zu steigern. Zum Fußball meinte er, man könne nicht von September bis Mai in Form sein. Idealerweise müsse man Formperioden schaffen. Um im Februar gut zu sein, müsse das Training intensiviert werden Unterstützung von Ergänzungsmitteln, die entsprechende Veränderungen im Körper bewirkten (cardenaser.com, 5.7.2006). In der Süddeutschen Zeitung ist bezogen auf dieses Interview zu lesen:
„Er [Fuentes] habe beileibe nicht bloß Radler „behandelt“, sondern auch Sportler aus anderen Bereichen: „Aus der Leichtathletik, dem Tennis oder dem Fußball“, sagte Fuentes. Das ist eine gewaltige Überraschung, denn der Oberste Spanische Sportrat CSD hatte am Montag in einem Communiqué erklärt, dass ausschließlich Radsportler vom Skandal betroffen seien. Das wiederum war eine Reaktion darauf gewesen, dass der Präsident des Radsportweltverbandes UCI, Pat McQuaid, am Samstag gesagt hatte, auch andere Sportarten seien betroffen.
Das Wochenblatt Journal du Dimanche setzte daraufhin in die Welt, Fußballer von Real Madrid sowie der Tennisspieler Rafael Nadal hätten auch die Dienste von Fuentes beansprucht.
Wieso diese – offenbar falsche – Klarstellung durch den CSD erfolgt sei, wisse er nicht, sagte Fuentes und bezeugte, „ganze Mannschaften“ aus der ersten und zweiten spanischen Fußball-Liga hätten auf seine Methoden zurückgegriffen.“ (SZ, 5.7.2006)
UCI-Präsident McQuaid hatte von einem Treffen in Madrid 2006 mit dem spanischen Sportminister Lissavetzky und den zuständigen Ermittlern erzählt:
„Da wurde mir gesagt, es seien keine 200 Radfahrer Fuentes-Kunden gewesen, nur etwa 50 bis 60. Es seien nämlich auch andere Sportarten involviert. Welche Sportarten fragte ich? Und die Antwort war, Fußball. Leichtathletik, Schwimmen und Tennis.“ (dradio, 15.12.2008)
Insbesondere Jesús Manzano (>>> mehr Infos zu Manzano) hatte von Fußballern gesprochen, die er in der Praxis des Arztes gesehen hatte.
Noch deutlicher wurde die Verbindung durch Berichte der französischen Zeitung Le Monde, deren Journalist Stéphane Mandard sich mir Fuentes getroffen und Einblicke in dessen Unterlagen erhalten hatte. Danach geht eine Zusammenarbeit hervor und Fuentes selbst bestätigt diese auch (verschiedene Zitate hierzu s.u.). Le Monde wurde daraufhin von Real Madrid und dem FC Barcelona wegen Verleumdung auf jeweils 3 Mio € Schadensersatz verklagt und verlor, sie sollte nun jeweils 300 000 € zahlen. Die Zeitung ging in Revison, woraufhin das Urteil auf jeweils 15 000 € abgemildert wurde, doch erneut legte Le Monde Berufung ein. Das Urteil über 15 000 € wurde jedoch im November bestätigt. (chronofoot.com, 14.11.2011, cn, 16.11.2011)
Es gab Berichte, wonach Fuentes auch für den italienischen Fußballclub Juventus Turin gearbeitet hat. Bestätigt wurde dies bislang nicht. Fuentes selbst sprach von einem italienischen Angebot, das er abgelehnt habe (Le Monde, 7.12.2006).
Jiri Dvorak, oberster Mediziner der FIFA meinte zu den verschiedenen Anschuldigungen:
„Rational wäre Eigenblut-Doping im Fußball nicht begreifbar“…Dennoch wolle die FIFA offiziell bei den spanischen Behörden um Informationen zu der Affäre um den Madrider Arzt Eufemiano Fuentes bitten …. Damit will die FIFA möglichen Spekulationen um eventuelle Verstrickungen von Fußballspielern im Keim ersticken. „Wenn die Guardia Civil Hinweise hätte, hätte sie die FIFA schon informiert“ … „Wir sehen deshalb für die Anfrage keinen dringenden Bedarf, werden es aber dennoch tun.“ (Ärztezeitung, 4.7.2006)
Das habe die FIFA auch getan und wurde daraufhin hingewiesen, dass keine Fußballer involviert seien. 2007 verlangte Präsident Joseph Blatter dann von Spanien Akteneinsicht. Dieses Ansinnen wurde aber zurück gewiesen. (fussball.com, 17.5.2007)
Im Januar 2013 vor Beginn des Madrider Prozesses gegen Fuentes und seine Doping-Kollegen zitiert der Londoner Telegraph Jörg Jaksche, der sagte, die deutsche Polizei habe 2006 den Verdacht gehabt, dass Fuentes anlässlich der Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland mit Fußballern zusammen gearbeitet habe.
„Police authorities across Europe co-operated on the case and the trail led to Germany. Investigators questioned Jaksche over whether Fuentes had treated him in Frankfurt in 2006. “I said no because normally he would only go to Germany if there was a stage of the Tour de France there but I think the truth is in 2006 there was the soccer World Cup in Germany and the German police knew something about it but didn’t have the whole information.” “ (The Telegraph, 21.1.2013)
Am 2. Tag des Madrider Prozesses gab Fuentes dann erneut zu, auch Sportler aus dem Fußball, der Leichtathletik, dem Boxen und dem Tennis mit Bluttransfusionen behandelt zu haben. Nachgefragt wurde von Seiten der Richterin nicht (SZ, 29.1.2013).
Real Sociedad San Sebastian und AC Mailand
Anfang Februar erhob Inaki Badiola, 2008 für einige Monate Präsident des Fußballclubs Real Sociedad San Sebastian, schwere Vorwürfe. Danach hätten zwei Ärzte des Teams jahrelang Dopingmittel über schwarze Kassen besorgt und angewendet. Von der Zeitung El Pais veröffentlichte Dokumente legen den Verdacht nahe, dass die Ärzte in Verbindung mit Eufemiano Fuentes standen. Bereits 2008 hatte Badiola auf das Doping im Team hingewiesen, doch viel Beachtung hatte dies damals nicht gefunden.
Jose Luis Astiazaran, von 2001 bis 2005 Vorsitzender des baskischen Klubs, dementierte umgehend alle Vorwürfe scharf und drohte juristische Konsequenzen an.
El Pais: die Dokumente1
El Pais: Dukumente2
as.com: Interview mit Badiola, 4.2.2013
Auf einem der veröffentlichten Dokumente taucht auch der Name Milan auf, womit der AC Mailand gemein sein könnte, was von Seiten des Clubs schnell dementiert wurde.
gazzetta dello sport: Caso Fuentes, il Milan non ci sta „Mai nessun contatto con il dottore“ , 5.2.2013
Am 7.3.2017 schrieb Jannik Schneider auf spox.com zu den Gegebenheiten bei Real Sociedad (Das „Märchen“ von Real Sociedad und seinem (Doping)-Präsidenten):
Nach einer Unternehmensprüfung im Jahr 2008 erhielt Badiola Kenntnis darüber, dass Real Sociedad und deren Klubärzte jahrelang illegale Präparate besorgt hatten. Der AS wurde ein Video von einer Präsidiumssitzung zugespielt, in dem Badiola vermerkte: „Es gibt hier 327.443 Euro, die jährlich während so und so vieler Jahre ausgegeben wurden, zugunsten von Eufemiano Fuentes. Schwarz.“
Nach Aussagen Badiolas bestanden diese Kassen zwischen 2001 und 2005. In der Zeit also, in der Jose Luis Astiazaran den Klub führte. Jener Astiazaran, der die Verantwortung für den Klub 2005 mit zehn Millionen Schulden und einem Insolvenzverfahren abgab, um noch im gleichen Jahr Präsident des spanischen Ligaverbandes LFP und Vizepräsident des spanischen Fußballverbandes zu werden – und das bis 2013 zu bleiben.
„Fuentes und Astiazaran“, das müsse man zum Verständnis wissen, erklärt Arribas gegenüber SPOX, „kannten sich bereits lange und waren befreundet.“ Kennengelernt habe sich das Duo in den 80er Jahren, als Astiazaran das Radsportteam Orbea als Anwalt vertrat und Fuentes das Team als Arzt betreute.
„Jedem, der die Aussagen von Badiola auf sich wirken lässt, dürfte klar sein, dass Astiazaran mit Hilfe seines Freundes von 2001 bis 2005 Doping organisiert hat“, bekräftigt der El Pais-Experte. Im selben Atemzug gibt er jedoch zu bedenken: „Es gab aber nie zugelassene Beweise, die Badiolas Aussagen unterstützten. Deshalb kam es nie zu einer juristischen Verfolgung Astiazarans. Deshalb gab es für die Liga zu keinem Zeitpunkt einen legalen Grund, geschweige denn eine Motivation, Astiazaran als Präsident abzusetzen.“
In einem Schreiben dementierte Astiazaran, „während meiner Amtszeit irgendwelche Kenntnisse oder Verdächtigungen hinsichtlich der Durchführung illegaler Praktiken durch die medizinische Abteilung“ gehabt zu haben. Woraufhin Badiola ihm klipp und klar vorwarf: „Astiazaran wusste es und hat es geduldet.“ In jedem „normalen Land“, so Badiola, würde der Ligachef „sofort seines Amtes enthoben werden“.
Jose Luis Astiazaran überstand zwei Amtszeiten unbeschadet. Die Veröffentlichungen um die Causa Fuentes beschleunigten allerdings seinen Entschluss, 2013 nicht nochmal zu kandidieren. „Hinzu kam, dass der Staatsekretär für Sport seinen Freund Javier Tebas als zukünftigen Ligapräsidenten bevorzugte“, so Arribas.
Ein im Profifußball von Dopingvorwürfen umwehter Anwalt leitete also die Geschicke von La Liga zwischen 2005 und 2013, war zudem Vizepräsident des spanischen Verbandes. In einer Zeit, in der sich das Spieltempo des Sports um ein Vielfaches multipliziert und der spanische Fußball seine größten Erfolge gefeiert hat.
Sociedads Erfolg fand im Übrigen noch während Astiazarans Regentschaft ein Ende. Innerhalb der vier Jahre, in denen Fuentes die Vereinsärzte, die später im Jahr 2008 entlassen wurden, mutmaßlich mit Epo unterstützte, stieg der Klub in die Zweitklassigkeit ab. Kein Spieler, weder von Sociedad noch von einem anderen Klub, wurde in dieser Zeit jemals positiv getestet.
Zitat Jesus Manzano, zum Prozess geladen, aber nicht erschienen:
„Fußball taste ich nicht an. … Die Fußballwelt ist mächtig. Sie ist viel mächtiger als der Radsport, sehr viel mächtiger. Schweigen ist besser. Ich habe Fußballer gesehen in der Klinik von Doktor Fuentes, und ich glaube nicht, dass sie da Kaugummis oder Sonnenblumenkerne abgeholt haben. Aber ich weiß es nicht.“
(der Stern, 6.7.2007)
FC Barcelona und Real Madrid
Insbesondere Journalist Stéphane Mandard von der Zeitschrift Le Monde konnte die Verbindungen von Fuentes zum Fußball herausarbeiten und stellte vor allem dessen Nähe zum FC Barcelona und Real Madrid heraus.
Diese Behauptungen hatten jedoch Nachspiele. Beide Fußballclubs verklagten Mandard und Le Monde wegen Rufschädigung. DIe ursprünglich geforderten sehr hohen Geldsummen wurden zwar reduziert, doch beiden Clubs musste Schadensersatz gezahlt werden. [1]
2021 stand Fuentes dem TV-Sender La Sexta für ein Interview zur Verfügung. Danach lassen sich die Äußerungen Fuentes durchaus so interpretieren, dass es entgegen der früheren behauptungen und den Schadensersatzurteilen mit Real Madrid eine Zusammenarbeit gab.
Siehe hierzu >>> hier den Ausschnitt der Zusammenfassung des TV-Interviews in der Süddeutschen Zeitung.
Im Folgenden einige Zitate aus Interviews und Artikeln mit S. Mandard.
Stéphane Mondard, Journalist bei der Zeitung Le Monde.
Zitate aus Artikeln und Interviews [1]
Stéphane Mondard im ARD-Interview, 21.4.2008:
… Mandard: Ich habe mich mit Fuentes in seinem Büro getroffen. Und er hat mir mehrere Dokumente gezeigt, die auf Spieler von Betis Sevilla, FC Valencia, Real Madrid und FC Barcelona verwiesen: Medikations-Pläne für eine ganze Saison, da standen keine bestimmten Spielernamen, aber Nummern. Und da stand beispielsweise auch „Saison 2005/2006 FC Barcelona“, und dann – auf Spanisch natürlich – wann die Großereignisse sind, die spanische Meisterschaft, die Champions League oder die WM, und in diesem Kalender hatte Fuentes Zeichen aufgemalt, IG, einen Kreis oder einen Kreis mit einem Punkt.
Diese Zeichen hat die spanische Polizei, die Guardia civil, entschlüsselt. Sie stehen danach für Wachstumshormon, anabole Steroide und EPO.
Mandard: Genau. Fuentes sagte mir, die Pläne für die Fußballer seien die gleichen gewesen, wie jene, die er für die Radsportler gemacht habe….
Mandard: Im Prozess gab es eine surreale Szene. Fuentes und ich waren während einer Pause im Zeugenraum zusammen. Dort darf man sich eigentlich nicht unterhalten. Taten wir natürlich trotzdem. Er sagte mir: „Das war gut was du in deinem Artikel geschrieben hast. Entschuldige, dass ich vor dem Richter nicht bestätigen kann, dass ich dir die Dokumente gegeben habe, dir den Medikationsplan für Barcelona gezeigt habe. Mein Anwalt meint, ich riskiere eine Gefängnisstrafe.“ Und Fuentes sagte noch: „Man kann den Kampf gegen den Fußball nicht gewinnen, der ist zu mächtig.“
Mandard im ARD Radiofeature ‚Doping und Fußball‘, 30.5.2010:
Mandard: Fuentes ließ mich keine Kopien machen. Er hat mir ja diese Papiere nur gezeigt, um mir zu beweisen, dass er mit Fußballclubs gearbeitet hat, und dass er auch Pläne für einzelne Spieler in seinem Haus auf den Kanaren aufbewahrte. Als ich ihn dann dort getroffen habe, hat er mir nach vielem Drängen schließlich die Tür seines Büros geöffnet, das die Polizei nie betreten hat. Selbst nach meiner Recherche haben sie es nie durchsucht, was unglaublich ist. Und da hat er Ordner und Unterlagen über die Vereine hervorgeholt, mit denen er gearbeitet hat….
Als ich mich von ihm verabschiedete, sagte er immer wieder: sei vorsichtig mit diesen Informationen, ich bin mehrmals mit dem Tod bedroht worden, ich will jetzt in Ruhe leben. Ich will kein Held im Kampf gegen Doping sein.
Fuentes: Es geht um eine Gesamtplanung der Saison. Und die hängt ganz unmittelbar mit der physischen Vorbereitung zusammen. Ein Fußballer kann nicht von Anfang September bis Ende Mai durchgehend in Hochform sein. Also muss man Schwerpunkte setzen. Genau das habe ich im Radrennsport eingeführt: Periodisierungen, Leistungsmomente. D. h. der Trainer oder die Mannschaft treffen eine Entscheidung, hier und hier und hier wollen wir gut sein. Und dann sagt man okay, um im Februar oder März in Topform zu sein, müssen wir im November die Vorbereitung intensivieren. Und diese Intensivierung des Trainings, die im Grunde eine Überbeanspruchung ist, um einen gewissen Formvorteil zu erreichen, die setzt eine Reihe von Veränderungen im November voraus. Also steigert man die Zahl der medizinischen Kontrollen und ergänzt all das, was auf Grund der Verausgabung fehlt, damit es nicht zu Verletzungen oder Trainingsüberlastungen kommt….
Ich bin Arzt. Für mich steht die Gesundheit des Sportlers an erster Stelle. Aber der Hochleistungssport schadet der Gesundheit. Und wenn dann der Sportler in das rutscht, was man ganz richtig Anämie des Sportlers nennt, dann muss man mit Medikamenten entgegensteuern. Und EPO ist eines davon.
Zitate aus Artikeln von S. Mandard in Le Monde:
Interview Stéphane Mandard mit Eufemiano Fuentes, Le Monde, 7.12.2006:
„Man hat mir dreimal mit dem Tode gedroht“
Im Kommunique der Gardia Civil sind Fahrer aufgeführt, die ich niemals gesehen habe. Andererseits tauchen Radsportler, die bei mir waren, nicht darin auf. Auf jeden Fall, hatte ich auch andere Sportler als Klienten: Leichtathleten, Tennisspieler, Fußballer, Handballer, Boxer …
Mit welchen Fußballclubs haben Sie zusammen gearbeitet?
Fuentes: ch arbeitete mit Clubs der ersten und zweiten spanischen Liga. Ich arbeitete gleichzeitig mit mehreren Clubs, manchmal mit Spielern persönlich, manchmal teilte ich mein Wissen mit den Medizinern der Teams. Ich war 2002 Arzt des Teams von Las Palmas für ein Jahr, als das Team in der ersten Division spielte. Das stand auch in den Zeitungen.
Haben Sie mit Real Madrid und dem FC Barcelona zusammen gearbeitet?
Darauf kann ich nicht antworten. Man hat mich mit dem Tode bedroht. Man ließ mich wissen, wenn ich gewisse Dinge sagen würde, würden ich und meine Familie ernste Probleme bekommen. Man hat mir drei Mal gedroht, ein viertes Mal wird es nicht geben.
Sie haben dennoch zwei Angebote vom FC Barcelona erhalten?
Über das zweite möchte ich nicht reden. Das erste war 1996.
Die Justiz Ihres Landes wirft Ihnen vor ein Blutdopingnetz aufgebaut zu haben und hat Sie eines „Vergehens gegen die öffentliche Gesundheit“ beschuldigt… Ich habe keinerlei Straftat gegen die öffentliche Gesundheit begangen. Man ist dabei mir parallel dazu, überwiegend medial, den Doping-Prozess zu machen. Während der 29 Jahre meiner Berufspraxis hat hat keiner meiner Patienten das geringste gesundheitliche Problem gezeigt. Mein Anliegen ist der Schutz der Gesundheit der Sportler, die sich an mich wenden.
Es ist der Hochleistungssport der gefährlich ist für die Gesundheit. In meiner Doktorarbeit, habe ich die muskulären Schäden, die bei einem Etappen-Radrennen eintreten, beurteilt. Was gefährlich ist für die Gesundheit der Sportler, sind die überladenen Rennkalender oder die kriminellen Strecken, die von den Rennorganisatoren aus Gründen des Spektakels ausgewiesen werden.
Der Hochleistungssport ist der einzige Beruf auf der Welt, bei dem es schlecht aussieht, wenn der Berufstätige sich Hilfe holt, um seine Arbeit besser ausüben zu können. Wenn der Sportler seine Gesundheit gefährdet mit der Ausübung seines Sports, reagiere ich zunächst wie ein Arzt. Wenn das Medikament, dass ihm hilft auf der Liste der verbotenen Substanzen ist, ist das sekundär.
Treten Sir für ein ‚therapeutisches Doping‘ ein?
In gewisser Weise ja.
Die Mediziner müssten ausreichend Freiheit und Autonomie haben, um selbst über die Behandlungen entscheiden zu können, unabhängig davon, ob es sich dabei um ein Dopingmittel handelt.
Einschließlich Substanzen wie Erytropoetin (EPO), das man in den Blutbeuteln einiger Ihrer Radsport-Patienten gefunden hat?
Unter gewissen Bedingungen ja. Im Radsport z.B hat man einen oberen Hämatokritwert (50%) festgelegt, über dem es einem Radsportler verboten ist aus gesundheitlichen Gründen zu fahren. Aber man hat keinen Minimalwert festgelegt. Doch es ist gesünder, die Tour de France mit einem Hämatokrit von 53% zu fahren als mit einem von 31%. Einen Fahrer mit 31% in den Alpen attackieren zu lassen, gefährdet sein Leben. …
Ich glaube nicht, dass es viel mehr Tode geben würde aufgrund von Doping. Die Droge tötet, nicht die Medizin. Das Medikament tötet nicht, wenn ist in guten Händen ist. Es ist ein Unterschied, ob Doping von einem Laien, einem Trainer, oder dem Sportler selbst angewandt wird oder ob es von einem Arzt verabreicht wird. Ich betrachte Doping als Anwendung oder als Missbrauch einer Substanz oder eines Medikamentes durch eine Person, die weder Kenntnisse noch Erfahrung noch die Fähikeit besitzt, diese anzuwenden.“
Mandard in Le Monde, 7.12.2006, Real Madrid und Barca stehen mit Doktor Fuentes in Verbindung:
„Le Monde hatte Zugang zu vertraulichen Dokumenten, die nicht offiziell erfasst sind: Vorbereitungspläne zweier Clubs, handschriftlich verfasst von Doktor Fuentes auf einem einfachen Blatt Papier A4. Sowie das Saison-Programm 2005-2006 von „Barca“, ausgerichtet auf das Hauptziel des Clubs (Champions-League, die im Mai von den Catalanen gewonnen wurde) und auf die Terminpläne der Spieler (Weltmeisterschaft). Pfeile nach oben und unten zeigen auf intensive Spielphasen und physische Tests. Zu diesen Treffen und bezogen auf den Kalender der Spanischen Meisterschaft – die vom FC Barcelona in der Saison zuvor gewonnen wurde – wurden auf dem Programm handschriftliche Zeichen notiert (Kreis, „IG“), die mit den Perioden des Trainings oder der Erholung korrespondieren. Diese kodierten Zeichen sind die gleichen, die auf den Trainingsplänen zu finden sind, die Doktor Fuentes für die Fahrer des Radteams Liberty Seguros erstellte, und die im Mai von der spanischen Polizei Guardia Civil im Rahmen der „Operación puerto“ sicher gestellt wurden. In den Saison-Programmen der Fußballteams erscheinen andere Zeichen, aber außergewöhnlich ist, dass diese Pläne ein ganzes Team betreffen: das umringte „e“, das mit der Entnahme oder der Injektion von bereits gelagertem Blut einhergeht und der eingekreiste Punkt, der die Gabe von EPO bezeichnet. Nach unseren Informationen profitierten die Spieler auch von persönlicher Betreuung, womit medizinische Eingriffe im Verletzungs- und Erschöpfungsfall gerechtfertigt wurden. …
Offiziell taucht Eufemiano Fuentes in den medizinischen Stäben des FC Barcelona und von Real Madrid nicht auf. Zwischen den Clubs und dem Mediziner gab es keine Verträge. Letzterer übermittelte seine Behandlungs-Anweisungen über die Teamärzte und erhielt Besuche von gewissen Spielern. …
Außerdem hat der FC Barcelona zweimal versucht Eufemiano Fuentes zu engagieren. Das erste mal 1996, nachdem der Mediziner sich in der Saison 1995-1996 um den Club von Elche, einem Zweitligisten gekümmert hatte. Fuentes zog es allerdings vor sich um das Radteam Kelme zu kümmern. Der zweite Versuch von Barca geht, laut der spanischen Presse, auf das Ende des Jahres 2002 zurück. Der Mediziner hatte aus familiären Gründen abgelehnt. …“
26.3.2021 Fuentes ‚letztes‘ Interview mit dem spanischen Journalisten Jordi Évole im spanischen Sender La Sexta
>>> SZ: Fuentes‘ letztes Interview, 30.3.2021
Spannend wird es auch, als die Rede auf den Fußball kommt. Der dramaturgische Aufbau fußt auf Fuentes‘ Eingeständnis, dass er gerne mit dem FC Barcelona gearbeitet hätte, es aber nicht tat; dass er zudem Real Sociedad San Sebastián beraten habe, nicht aber den FC Valencia. Dann folgt die Klimax: „Haben Sie die Ärzte von Real Madrid beraten?“ Es macht sich eine fast zehnsekündige, knisternde Stille breit. „Ich werde dir diese Frage nicht beantworten“, sagt Fuentes, aber: „Das bedeutet nicht: ‚Ja‘. Ich musste in einem Prozess aussagen, und musste ‚Nein‘ sagen.“ Mit diesen Sätzen spielt er auf den Schadenersatzprozess an, den Real gegen die französische Zeitung Le Monde gewann, die berichtet hatte, der Klub habe Fuentes‘ Dienste genutzt. Und noch ein kurioses Detail, das Fuentes jetzt loswird: Real habe ihm versprochen, seine Reisekosten im Rahmen des Prozesses zu decken. Das Geld habe er am Ende einklagen müssen.
Wen man bei Real Madrid fragen könne, ob er, Fuentes, für den spanischen Rekordmeister gearbeitet habe?, fragt der Journalist Évole. Es folgt wieder sekundenlange Stille, ehe der Journalist eine andere Frage stellt. Nämlich: Wieso denn Fuentes den Chef der medizinischen Abteilung von Real Madrid, Alfonso del Corral, so vertraut „Alfonsito“ nenne. Da antwortet Fuentes mit einer seltsam vielsagenden Frage: „Ob es weitere Zeugen dafür gibt? Nein, es gibt keine weiteren.“ – Zeugen wofür?, hakt der Interviewer nach. „Zeugen für das, von dem ich (im Prozess gegen Le Monde, Anm.) gesagt habe, dass es nicht geschah“, sagt Fuentes – also offenkundig seine angebliche Zusammenarbeit mit Real Madrid.
„Was für eine Pirouette!“, sagt der Interviewer schließlich. Und beide lächeln. Als wüsste der eine, was der andere durch die Blume gesagt hat, und der andere, dass er verständlich genug war, obwohl er nichts ausdrücklich sagte. Und so steht so am Ende mancher enttäuscht da und sieht betroffen, wie der Vorhang fällt – und viele Fragen offenbleiben.
[1] Der FC Barcelona und Real Madrid wehrten sich gerichtlich gegen die von Le Monde erhobenen Vorwürfe.
2006 forderte der FC Barcelona von Le Monde drei Millionen Euro Schadensersatz wegen der Behauptung Le Monde hätte Unterlagen gesehen, woraus hervor ginge, auch Fußballer wären in die Doping-Affaire involviert. Im November 2007 sagte Mandard vor einem Amtsgerichts in Barcelona aus, Fuentes sei der Zeuge. Der Arzt leugnet jedoch. im Jahr 2011muss Le Monde nach dem dritten Prozess 15 000 € an den FC Barcelona zahlen, da sie den Club 2006 ohne ausreichende Beweise mit Dopingarzt Eufemiano Fuentes in Verbindung gebracht habe. Eine Revision war nicht mehr möglich. (cn: Le Monde fined over Operación Puerto report)
2009 hatte Real Madrid Erfolg. Ein Madrider Gericht verurteilte die Zeitschrift le Monde zu einer Geldstrafe von ebenfalls 300 000 € wegen Rufschädigung. Gegen dieses Urteil legte le Monde im Februar 2014 Berufung ein. (Le Monde 25.2.2014)
„Die Welt: Barcelona wollte von Ihnen drei Millionen Euro Schadenersatz, Real Madrid deutlich weniger. Am Ende sollten sie jeweils 15.000 Euro zahlen.
Mandard: 15.000 Euro an Barcelona und viel mehr noch an Real Madrid.“ (die Welt, 17.6.2016)
Siehe hierzu das oben zitierte TV-Interview mit Fuentes.