Operación Puerto: 2006 das spanisches Antidoping-Gesetz

Interview mit Jaime Lissavetzky – das spanische Anti-Doping-Gesetz

das Interview erschien in der Süddeutschen Zeitung am 04.07.2006

Die Pharmaindustrie hat uns verklagt“

Spaniens Staatssekretär für Sport, Jaime Lissavetzky, über das neue Antidopinggesetz seiner Regierung und Hilfe für die Tour.

Jaime Lissavetsky, 54, Spaniens Staatssekretär für Sport, ist von Haus Chemie-Professor. „Schon deshalb fasziniert mich das Thema Doping“, sagt er, „und ich weiß auch, worum es geht.“ Seit seinem Amtsantritt weht in der Dopingbekämpfung in Spanien ein anderer Wind; man könnte auch sagen, es gibt sie endlich.

SZ: Die Tour der France hat die Fahrer ausgeschlossen, die in den Dopingskandal verwickelt sind, den die spanische Guardia Civil aufgedeckt hat. Unter ihnen ist auch der deutsche Profi Jan Ullrich. Wie bewerten Sie diese Situation?
Lissavetsky: Ich kann und möchte keine Entscheidungen bewerten, die außerhalb meiner Kompetenzen liegen. Nur so viel: Ich habe am Samstag Anrufe des Tour-Chefs Christian Prudhomme und vom französischen Sportminister Jean Francois Lamour erhalten. Sie haben sich für die Überlassung des Materials bedankt. Beide hatten sich an uns gewandt, um möglichst rasch über die Ergebnisse der Ermittlungen der Guardia Civil verfügen zu können, möglichst vor Beginn der Tour der France. Wir haben schnell gehandelt. Ich bin mit der Arbeit unserer Sicherheitsbehörden sehr zufrieden.

SZ: Handelt es sich bei dem Material um Beweise?
Lissavetsky: Es handelt sich um ein Dossier der Guardia Civil. Darin werden unter anderem auch die Namen von Sportlern aufgeführt, die von mutmaßlichen Mitgliedern des so genannten Dopingrings behandelt wurden. Gegen einige von diesen ist Haftbefehl erlassen worden. Es wird an den Gerichten sein, zu entscheiden, wo möglicherweise strafrechtlich relevante Verstöße vorliegen.

SZ: Ist dieses Dossier von UCI und Tour angefordert worden, oder haben Sie es aus eigenem Antrieb weitergeleitet?
Lissavetsky: Die UCI hat mich über Ihren Präsidenten Pat McQuaid vor 10, 15 Tagen bei einem Treffen, später auch per E-Mail wissen lassen, dass sie den Bericht der Guardia Civil einsehen möchten. Ich habe ihn nach der entsprechenden Autorisierung durch die Justiz über den spanischen Radsportverband weiterleiten lassen und auf Eile gedrängt.

SZ: In Spanien hat das Parlament am vergangenen 29. Juni ein Antidoping-Gesetz verabschiedet.
Lissavetsky: Mit dem Wahlsieg vor zweieinhalb Jahren hat sich die sozialistische Regierung, der ich angehöre, in Sachen Doping einer Null-Toleranz-Politik verschrieben. Wir haben ein Paket aus 59 Maßnahmen geschnürt und Gesetze reformiert, um die Prävention zu verstärken, die Kontrollen auszubauen und eine größere Repression ausüben zu können. Mit dem Ziel, dass der Sport sauber ist, und die Gesundheit der Sportler geschützt wird. Spanien hat eine nationale Antidoping-Agentur geschaffen und die Unesco-Konvention gegen Doping unterschrieben. Wie ernst uns dieser Kampf ist, sehen Sie nicht nur an der Operacion Puerto. Sie ist die medienträchtigste, weil dort Spitzensportler betroffen sind. Aber im vergangenen Jahr haben wir beispielsweise in der Operacion Mamut sechs illegale Labore ausgetrocknet, die pharmazeutische Produkte herstellten und diese vertrieben. Außerdem haben wir einige legale Schlupflöcher gestopft.

SZ: Zum Beispiel?
Lissavetsky: Wir haben den Rahmen dafür geschaffen, dass Personen aus dem Umfeld von Sportlern belangt werden können. Trainer, Ärzte, Betreuer. Personen, die zum Doping anstiften, können mit Geldstrafen oder Gefängnisstrafen von bis zu zwei Jahren belangt werden. Wir haben die Grundlage dafür geschaffen, Fitness-Studios zu schließen, in denen Dopingmittel vertrieben werden. Wir haben dabei – und das ist mir besonders wichtig – die Unterstützung aller Gruppen gehabt, etwa der Ärzteschaft und der Interessenvertretungen der Sportler. Sie halten unsere Maßnahmen für mutig und richtig.

SZ: Wird auch Sportlern mit dem Strafrecht gedroht?
Lissavetsky: Nur im Sinne von sportlich-administrativen Sanktionen, also Sperren. Das einzige Land, von dem mir bekannt ist, dass es Sportler mit Gefängnisstrafen bedroht hat, ist Italien. Dort aber ist das nie angewandt worden.

SZ: Bislang galt Spanien als ein Dopingparadies. Ist es damit nun vorbei?
Lissavetsky: Ich halte diesen Begriff für falsch. Richtig ist, dass Spanien permissiver war als andere Länder. Wachstumshormon etwa konnte man in Spanien in der in Apotheke kaufen. Wir haben das geändert – und sind deshalb von der Pharmaindustrie verklagt worden.
(…)

Interview: Javier Cáceres