Oil for Drug – NAS-Gesprächsprotokolle / Muraglia, Di Luca
Die Drogen- und Finanzpolizei NAS hörte während ihrer Ermittlungen in der Affaire ‚Oil for Drug‘ auch Gespräche ab. Am 27. Januar 2004 zeichnete sie mehrere, u.a. auch eines zwischen Santuccione und Giuseppe Muraglia auf. Als dieses Gespräch stattfand, war Santuccione bereits für 5 Jahre die Approbation entzogen worden wegen Dopingvergehens. Allerdings suchten ihn einige Sportler weiter auf, auch Danilo de Luca gehörte dazu.
Di Luca geriet unter Verdacht und musste sich Anklagen des CONI stellen, die aber nicht Verurteilungen führten. Zuletzt forderte das CONI am 28.9.2007 eine 4monatige Sperre für die Zusammenarbeit Di Lucas mit dem Arzt Santuccione. Die Vorwürfe resultieren vor allem aus dem Gespräch Doktor Santucciones mit seinem Kunden Giuseppe Muraglia, damals Profi bei Formaggi Pinzolo.
Man kann dem Verlauf des Gesprächs entnehmen, daß Danilo Di Luca sich auf die gleiche Art und Weise behandeln lies wie Muraglia.
Auch der Stabhochspringer Gibilisco, ein regelmäßiger Kunde Santucciones, spricht davon, daß er Di Luca in der Praxis im Ort Cepagatti getroffen hat.
Gibilisco wurde im Juli 2007 aufgrund seiner Kontakte zu Santuccione zu einer Zweijahresperre verurteilt, diese wurde aber im September 2007 aufgrund seines Einspruchs wieder aufgehoben.
Auf sportpro.it sind 2007 einige Aufzeichnungen und Schlussfolgerungen nachzulesen:
I NAS: ECCO LE INTERCETTAZIONI CHE INGUAIANO DI LUCA
Hier eine Übersetzung und Zusammenfassung dieser Seite:
Danilo Di Luca – Dr. Carlo Santuccione
(…)
Danilo di Luca ruft Dr. Santuccione an, und erzählt ihm, daß er u.a. aus Angst vor Kontrollen nicht schlafen kann.
Danilo macht einen besorgten Eindruck und informiert Carlo, daß er zur Zeit im Antidoping-Labor Acqua Acetosa in Rom ist. Es geht um eine Blutentnahme, die man von ihm als Mitglied der Olymipamannschaft verlangt hat.
Santuccione antwortet, daß man ihm erklärt habe, daß es keine Probleme geben sollte den Test zu bestehen. Di Luca nennt sechs Fahrer, die getestet werden sollen: Rebellin, Nardello, Celestino, Bennati und Commesso.
Der Doktor meint, man habe ihm nichts von dieser Kontrolle verraten, aber es gäbe keinen Grund zur Sorge, wenn alle sich dieser Kontrolle unterziehen müssen:
„Wenn alle die Substanzen eingenommen haben und die Urinmenge gering ist, gibt es nichts zu befürchten!“
Daraus folgern die Ermittler, daß beide wegen der Kontrollen besorgt sind und offensiichtlich etwas zu verbergen haben.
Daß Santuccione sagt, er sei nicht über diese Kontrolle informiert worden, legt die Vermutung nahe, daß er über andere Kontrollen im Voraus informiert wird.
Giuseppe Muraglia – Doktor Santuccione
Am 27. Januar 2004 besucht auch Giuseppe Muraglia Doktor Santuccione.
Es geht darum, welche Substanzen noch wenige Tage vor dem Giro genommen werden können. Der Fahrer macht Andeutungen über ein Produkt, das er benutzt hat.
Muraglia: „… Das hat er mir gegeben …“
Santuccione: “ … zeig her …“
M: „Ich weiß nicht was das ist.“
S: „Testosteron.“
M: „Er sagte, daß er zwei davon hatte, hatte er aber doch nicht. Die zwei … hat er mir dann gegeben.“
S: „Das kannst Du nicht benutzen.“
M: „Wie soll ich das wissen? Ich weiß ja nicht mal, was das ist.“
S: „Das Testosteron wird gelagert… Nein, wenn Du es nimmst, wirst Du positiv sein.“
M: „Na gut, ich schmeiß es weg. … Bewahrt man das eigentlich im Kühlschrank auf?“
S: „Was?“
M: „Na im Winter. OK, ich schmeiß es weg.“
Während Muraglia behandelt wird, reden sie weiter. Wie man sich am besten dopt und nicht erwischt wird, wie man berechnet, wie lange die Substanzen nachweisbar sind.
Es geht um alles mögliche, verbotene Produkte wie Testosteron, IGF1, IGF3, GH „fattori insulinici“, EPO, Lutrelef – ein Hormon aus der Veterinärmedizin, das die Trächtigkeit von Stuten beschleunigen soll.
Es scheint unglaublich, was ein Fahrer aus der zweiten Reihe alles einwirft. Wenn man den Ermittlungsakten glaubt, hat Di Luca aber genau die selben Mittel eingenommen.
S: „Das hier solltest Du morgens nüchtern nehmen… nimm es einmal wöchentlich … und fang am Donnerstag damit an.“
M: „Am nächsten?“
S: „Verstanden?“
… usw. …
Dann korrigiert sich Santuccione:
S: „Am Donnerstag sind die Voruntersuchungen (vor dem Giro für alle Fahrer)… mach es die Woche darauf, lieber am Freitag“
Santuccione setzt Muraglia eine sehr schmerzhafte Injektion. Dieser sagt, daß er Angst habe.
M: „Schau… wenn das in die Vene geht, ja aber intramuskulär… (flucht)“
In der Zwischenzeit sprechen die beiden auch über Di Luca.
S: „Das tut ziemlich weh, aber nächste Woche gebe ich Dir noch eine … Wann fährst Du am Mittwoch los?“
Muraglia flucht vor Schmerzen.
S: „Tut das weh? Danilo tut es jedenfalls verdammt weh.“
Das ist der Satz, wegen dem angenommen wird, daß Di Luca genauso behandelt wurde.
M: „Mir auch.“
S: „Er hat Schmerzen vom „Gi“.
Es scheint, daß sie über Wachstumshormone reden.
M: „Ruggero nicht?“
S: „Ruggero hat nur wenig Schmerzen. …“
Ruggero Marzoli war damals bei Aqua & Sapone.
S: „Du hast 2000, 4000 genommen…?“
Es scheint um EPO-Einheiten zu gehen.
M: „Weil es nicht gut geht?“
S: „Kannst Du ein bißchen ‚Gi‘ nehmen?“
M: „Hm … das hab ich gestern genommen … bevor ich los bin, habe ich ‚Nummer 3‘ genommen (IGF-3)
S: „Hast Du Andriol genommen?“
M: „Nein, habe ich nicht.“
S: „Maurizio hat das gestern Abend gemacht.“
M: „Wir haben nicht darüber gesprochen…“
Dann Kortison…
S: „Eimal Kenakort alle 3,4 Tage… Du brauchst halt ein schönes Attest…“
M: „Mit welcher Ausrede klappt das?“
S: „Sehnenentzündung.“
Hier kann man sehen, wie oft bei Ausnahmegenehmigungen für den Einsatz von verbotenen Substanzen betrogen wird.
Danach geht es um die Fortsetzung der „Kur“ während des Giros und wie man die Medikamente transportieren kann.
Muraglia redet über Pietro, Antonio und Stefano. Die NAS nimmt an, daß mit Stefano der sportliche Leiter von Formaggi Pinzolo Stefano Giulianii gemeint ist, der Schwiegervater von Danilo di Luca.
Einige Ratschläge von Santuccione für die Zeit vor dem Start:
S: „Nimm das hier, das musst du so machen…“
M: „vier?“
S: „Fünf Minuten vor dem Start.“
Dann reden sie über die Kontrollen. Die Emittler glauben, daß es eine „undichte Stelle“ im System gibt:
S: “ … hast Du darüber mit diesem Kontrolleur gesprochen?“
M: “ … Er antwortet nicht … naja er antwortet mir nicht so richtig … frei …“
S: „Wie bitte?“
M: „Keine Ahnung.“
S: „Antwortet er Dir normalerweise?“
M: „Hm … naja … ich rede ja auch nicht immmer … nur manchmal…“
S: „Glaubst Du, daß es ein Problem ist, wenn er Dir nicht antwortet?“
M: „Nein, nein… ich habe nie … ich weiß nicht, warum er mir nicht antwortet… ich fahre in die Toscana“.
Dann bietet Santuccione ihm Lutschtabletten an.
S: „Nimm eine Freitags am Morgen… Immer am Freitag morgens“
M. „Hm. Wie nochmal?“
S. „Genau wie Danilo.“
Eddy Mazzoleni – Dr. Santuccione
Auch Eddy Mazzoleni – damals Teamkollege bei Saeco – bezieht sich wärend eines Telefonats mit Santuccione am 27. April 2004 auf Di Luca, kurz vor Lüttich-Bastogne-Lüttich.
„Ich habe mit Danilo gesprochen, wegen Sonntag, ich habe 4000 Einheiten subkutan genommen. Ich fahre übrigens am Samstag. Kann es am Samstag Probleme geben?“
Das Gespräch mit Mazzoleni geht noch weiter, es geht um EPO, genauer gesagt um eine neue vermutlich schwerer nachzuweisende Variante, die man nicht in Italien aber in den USA bekommen kann.
„Man muß sich das nach England kommen lassen, und jemanden dort hinschicken… oder nach Spanien… meine Freundin fährt dort morgen zu Gesprächen hin… der Buchhalter … wenn er … das wieder bekommen kann… weil er gesagt hat, daß es möglich ist… das sollte klappen…“
Danach reden sie über weiter Mittel, wie Andriol (Testosteron) und Lutrelef und die Ineffektivität der Kontrollen.
Weitere Indizien, Belastungen
Im Anschluss berichtet sportpro.it noch von einem Gespräch zwischen Santuccione und Ruggero Marzoli am 22.3.2004. Es folgt ein Ermittlungsergebnis der Carabinieri, wonach Eddy Mazzoleni, Danilo Di Luca, Fabio Sacchi, Alessandro Spezialetti, Giuseppe Muraglia und Ruggero Marzoli in die Affäre verwickelt sind. Zudem werden die Aussagen des Stabhochspringers Giuseppe Gibilisco zusammengefasst, der Santuccione schwer belastet und Di Luca im April 2004 bei Santuccione kennengelernt hat.
Heinz Helfgen, September 2007 (cycling4fans)