Doping: Nowak, Frank – Drogentod

Profis und Amateure erzählen

Frank Nowak – Tod eines Drogensüchtigen

Frank Nowak entwickelte sich in den 80er Jahren zu einem hoffnungsvollen Radrennfahrer. Alles lief prima doch mit 20 Jahren begann der Absturz. Schwer kokain- und heroinabhängig hatte er keine Chancen mehr. Mit 34 Jahren verstarb er nach langer Zeit im Wachkoma.

Steht Franks Schicksal mit Doping in Verbindung? Offiziell gibt es keine Beweise, doch viele erkennen einen Zusammenhang und scheuen sich nicht, das offen auszusprechen. Auch die Eltern gehören heute dazu.

Der Text basiert auf folgenden Quellen:

Bericht von Ralf Meutgens „Wenn unser Sohn Hockey gespielt hätte, würde er vielleicht noch leben“, nachzulesen in dessen Buch Doping im Radsport, 2007

– deutschlandfunk, Sportgespräch: Drogentod eines Radsportlers, vom Leben und Sterben des Frank Nowak, 1.4.2007

deutschlandfunk, Sport-Feature: Vom Doper zum Drogenjunkie, das kurze Leben des Radsportlers Frank Nowak, 29.12.2007

Eine Drogenkarriere – eine Radsportkarriere

Frank begann bereits mit 10 Jahren das Radrennfahren. Er war zwar immer der kleinste, aber mit seinem Temperament behauptete er sich gut im Kreise seiner Freunde, er konnte zeigen „was da in ihm drin ist.“ Sein Vater, der selbst seit seiner Jugend Radrennen fuhr und erfolgreicher Seniorenfahrer ist, sowie die Mutter unterstützten ihr Kind nach Kräften. Radsport schien ihnen ideal, „da wissen wir wenigstens, dass er was Gutes macht, dass er nicht auf die schiefe Bahn kommt.“ Es sah gut aus. Der Kölner Junge Frank hatte viel Talent und galt bald als Radsporthoffnung, so glänzte er bspw. als deutscher Junioren-Vizemeister. Mit 18 Jahren stand er in der Auswahl für die Weltmeisterschaft. Peter Weibel, bis 2007 Bundestrainer und nun schweren Dopingvorwürfen ausgesetzt, wählte ihn jedoch zu Franks großer Enttäuschung nicht aus. Später fuhr er für die Amateurteams Olympia Dortmund und den PSV Köln.

Die Eltern waren begeistert. Heute sehen sie alles kritischer, heute bedauern sie, Frank nicht rechtzeitig zu einer vernünftigen Berufsausbildung neben dem Sport angeregt zu haben.

Wie und wann begann es? Warum?

Wann hat der Junge angefangen Drogen zu nehmen? Und warum? Ging es um Leistungssteigerung? Ging es um Anerkennung, Dazugehörenwollen? Die Eltern merkten nichts, das Thema Doping kam ihnen nicht in den Sinn, zumal der Vater den Griff nach verbotenen Mitteln strikt ablehnte. Was nicht sein darf, kann nicht sein. Der Sohn wusste dies und vermied vielleicht deshalb, darüber zu reden.

Dr. Wolfgang Stockhausen:
Die modernen Dopingmittel, die Peptidhormone wie EPO und Wachstumshormone, führen zu einer direkten Leistungssteigerung, es besteht ein direkter Bezug zwischen Einnahme und Wirkung. Das sei auch typisch für Mittel, die direkt süchtig machen. Das sei die neue Dimension gegenüber den älteren Mitteln wie Anabolika. Zudem sind Leistungssteigerungen möglich, die dem Sportler eine sportliche und gesellschaftliche Etablierung ermögliche, die ohne nur schwer erreichbar wäre. Absetzen bedeutet Status-Verlust.

Irgendwann so zwischen Jugend- und Amateurzeit müssen die Probleme begonnen haben. Als Frank 20 Jahre alt war, bemerkten die Eltern erste Veränderungen im Verhalten des jungen Mannes. Frank nahm jetzt Drogen. Es ging leistungsmäßig abwärts. Die Eltern standen vor einem Rätsel. Heute noch liegt für sie Vieles im Dunkeln. Die Mutter meint: „Was geschehen ist wissen wir nicht, aber wir vermuten es halt. Man ist begeistert, man hat diese Euphorie, man gewinnt, man wird umjubelt, man wird beschrieen von dem Publikum und das ist schon (…) ein Erfolgserlebnis, im Nachinein wirkt das schon als Droge.“

Frank unterbrach seine sportliche Laufbahn und begann auf Drängen der Eltern eine Lehre, die er aber nach einigen Monaten abbrach. Dieter Koslar vom PSV Köln nahm ihn wieder auf. Doch nach einem Jahr kam der Rückfall.

zu spät

Mit 23 Jahren beendet Frank Nowak seine Radsportkarriere endgültig und taucht in die Drogenszene ab, er ist schwer heroin- und kokainabhängig. Mehrere Versuche seiner Eltern, ihn von einer Entziehung zu überzeugen, scheitern, Frank hält nicht durch. Die Eltern sind hilflos, Unterstützung finden sie nicht.

Der nächste Schritt kam bald, Frank glitt in die Beschaffungskriminalität ab und musste in Hamburg für ein Jahr ins Gefängnis. Danach kam er zurück nach Köln und fand für einige Zeit Ruhe, verlor aber jeglichen Boden unter den Füßen, nachdem er nach Berlin gezogen war.

Teilweise lebte er auf der Straße. Eines Tages fand man ihn bewusstlos und hielt ihn für betrunken, zu spät kam er in die Klinik. Er war bereits klinisch tot. Die Ursache war wahrscheinlich ein billiger Kokainverschnitt. Zwei Monate lag er wegen Nierenversagens auf der Intensivstation im Wachkoma, danach wurde er in diesem Zustand in eine Rehaklinik verlegt. Frank hatte einen irreparablen Hirnschaden erlitten. Nur kurze Zeit besserte sich sein Zustand, schnell fiel er zurück ins Wachkoma und verstarb nach 2jährigem Martyrium am 22. November 2005.

schleichendes Doping, Endpunkt Sucht

Die Eltern standen lange unter Schock. Heute gehen sie offensiv mit dem Schicksal ihres Sohnes um und scheuen sich nicht, die Subkultur des Radsports dafür mitverantwortlich zu machen. Erst nach dem Tod ihres Sohnes trat bei den Eltern das Thema Doping ins Bewusstsein, erst nachdem es auf einer Weihnachtsfeier von einem ehemaligen Trainer angesprochen wurde. So erfuhren sie, dass den Jugendlichen schon im frühem Alter Mittel verabreicht wurden, von denen die Eltern nichts erfahren hatten. Welche Produkte das waren, wissen sie nicht, doch im Nachhinein ergeben sich den Eltern plausible Erklärungen für körperliche Symptome, die ihr Sohn damals zeigte.

Es fing wohl ganz langsam an. Z. B. mit Aspirin, das der Trainer der gesamten jugendlichen Mannschaft verordnet hatte. Begründet wurde das nicht, es war ganz selbstverständlich, auch für den Vater, der diese Schmerzmittelgabe miterlebte aber nicht hinterfragte. Mit Doping wurde dies von ihm nicht in Verbindung gebracht.

Sascha Severin, Sportsoziologe, Freund und Radsportkollege Frank Nowaks, bestätigt diesen lockeren Umgang mit frei erhältlichen Medikamenten. Er wurde ebenfalls bereits als 13, 14jähriger mit Schmerzmitteln durch den Trainer in Versuchung gebracht. Er nahm sie damals auch ganz selbstverständlich ein und war durchaus von der Wirkung beeindruckt. Nach Severin werde mit ganz harmlosen Mitteln begonnen, die Jugendlichen werden „sozusagen angefixt und irgendwann endet das Ganze dann in einem Bereich, der nicht mehr kontrollierbar ist, wo der Körper, die Psyche nach mehr verlangt. Entscheidend ist die Phase, wo es auch gefährlich wird im Radsport, es ist der Bereich Junioren im Übergang zu den Amateuren. Da haben sie, was die Kilometerleistung angeht, regelrecht einen Quantensprung,“ bei den Junioren sind es zwischen 12 und 15 000 km pro Jahr, bei den Amateuren dann 25 000 Kilometer. Damit steige die Versuchung nach weiteren Mitteln zu greifen. Es fängt an bei Schmerzmitteln, Nahrungsergänzungsmitteln und nahtlos kann es übergehen zu härteren Medikamenten und Drogen. Zumal kaum noch Zeit für andere Dinge bleibt. Die Sportler setzten alles auf eine Karte, und sie machten alles, um dazu zu gehören. „In Radsportkreisen gibt es Präparate, die stammen direkt aus der Drogenszene. Beim Pot belge haben sie Zutaten wie Heroin, Kokain, Amphetamine. Das sind alles Drogen mit einem sehr hohen Suchtpotential. Auch in Drogenkreisen gibt es diesen Pot belge, der heißt da speed ball, oder einfach Cocktail,“ so Severin.

Auch Adolf Müller, ehemaliger Radsportamateur und langjähriger Radsportmechaniker vieler Radsrennsportler kennt die Zusammenhänge: „Es war eher die Regel als Einzelfälle. Irgendjemand hat die Jungs verführt. (…) Am Anfang mögen es nur leichte Sachen gewesen sein, dann wurde es immer (mehr). (..) Ich habe Sportler gekannt, die haben die grüne und die blaue Tablette genommen und der nächste ist gekommen und hat gesagt, jetzt musst du noch die lila und die violette nehmen und die hat er dann auch noch drauf geschmissen ohne nachzudenken, nur weil irgendjemand gesagt hat, so und jetzt geht’s noch besser. Also nach der Karriere können die wohl ohne nicht mehr leben. Da gibt es nur zwei Möglichkeiten. Die Tabletten weiter nehmen oder den Alkohol.“

Vater:
„Bei den Seniorenrennen brüsten sich die Teilnehmer regelmäßig mit den Dopingmitteln, die sie genommen hätten.“ Auch bei den Weltmeisterschaften der Senioren im österreichischen St. Johann 2006, an denen er teilnahm, sei Doping präsent gewesen, man habe offen darüber gesprochen, er habe das Problem früher nur immer verdrängt.

ein schöner Sport

Den Radsport verdammen die Eltern heute nicht, aber sie prangern das Festhalten an alten Strukturen, alten Vorstellungen und altem Ausbildungspersonal an, das fehlende Problembewusstsein, das Leugnen und die Weigerung, sich neuen Ideen zu öffnen. Auf die Frage, ob dem Radsport noch zu helfen sei, antwortet die Mutter: „Es war für unseren Frank eine schöne Zeit, eine glückliche Zeit. Und die sollte man einem Kind sowie den Eltern nicht nehmen. Nur ich sage heute als Laie, man müsste vielmehr darauf achten, was die Kinder in der Zeit, im Trainingslager oder auch so, wenn sie von zuhause weg sind (…) dass da mehr hinterhergeforscht wird, was wird den Kindern gegeben. (…) Es ist wirklich ein sehr, sehr schöner Sport und so wäre es wirklich schön, wenn es einmal ein sauberer Sport würde.“


Mehr Informationen über den Zusammenhang von Sport, Doping und Sucht finden sich auf Doping-archiv. de  >>>hier und unter >>> Sport, Doping, Suchtgefahr.

Monika 2008