Uwe Trömer, Radsport DDR
Sehr wenig war bislang öffentlich darüber bekannt, inwieweit auch im DDR-Radsport mit Doping gearbeitet wurde. Es gibt etliche Hinweise darauf, dass auch dieser Sport nicht verschont blieb vom Systemdoping des Staates, doch konkrete Aussagen fehlen. Uwe Trömer, ehemaliger Bahnradsportler und Mitglied der Nationalmannschaft, im Jahr 2007 45 Jahre alt, ist da eine Ausnahme, er ist anerkanntes DDR-Dopingopfer. Viel darüber geredet wurde allerdings nicht. Auch nicht über den Arzt, der ihn damals mit Dopingmitteln versorgte und welcher in Folgejahren, auch noch 2007 im Dienste des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) unterwegs war.
Anfang Juni 2007 brachte die Passauer Neue Presse einen Bericht über Uwe Trömer, in dem der Arzt noch anonym blieb. Am 25. Juni 2007 kam die Angelegenheit dann in der Report Mainz-Sendung zur Sprache. Uwe Trömer nannte den Arzt, den er für seine heutigen Leiden verantwortlich macht, beim Namen: Dr. Heinz Löbl.
Uwe Trömer ist heute schwer krank. Dr. Heinz Löbl scheint jedoch unbehelligt zu bleiben, noch 2008 betreute er für den BDR als Rennarzt das U23-Bundesligarennen „Erzgebirgsrundfahrt“. Der BDR reagierte nie auf Schreiben Trömers.
Ausführlich erzählt Uwe Trömer seine Sportlerlaufbahn, seine Dopingerfahrungen in einem Interview, das anonym in Giselher Spitzers Buch „Wunden und Verwundungen“ (>>> doping-archiv.de-Besprechung) zu lesen ist.
Siehe auch das FAZ-Interview, erschienen am 18.5.2009:
Dopingopfer Uwe Trömer: „Die Täter bekommen Streicheleinheiten“
„Sogar die Pralinen waren voll Anabolika“
Am 7.6.2007 veröffentlichte die Passauer Neue Presse ein Interview mit Uwe Trömer:
Zitate:
„Zu unseren Ärzten und Trainern hatten wir unbedingtes Vertrauen, sie waren wie Väter für uns. Die Pillen, die sie uns gaben, sahen aus wie Antibaby-Pillen, worüber wir gerne scherzten. Es hieß, dort seien Vitamine drin oder Eiweiß oder Mittel, damit wir schneller regenerieren. Wir wussten nicht: Es war in Wirklichkeit „Oral-Turinabol“, ein Anabolikum von Jenapharm. Wie wir nach der Wende aus Akten erfuhren, waren sogar die Pralinen, die man uns schenkte, voll Anabolika. Nachdem man sie mit Medikamenten vollgespritzt hatte, hatte man sie wieder säuberlich in ihr rotes Stanniolpapier gewickelt.
Sie haben mit uns experimentiert. Misstrauisch wurden wir erst, als die Ärzte anfingen, uns Spitzen zu geben. ,Jetzt übertreiben sie es‘, haben wir uns gedacht und gemurrt und genörgelt. Aber wer rebelliert hätte, wäre sofort rausgeflogen, darum ließ es jeder geschehen.“
Uwe Trömer vertrug die Spritzen nicht. 1983, 3 Wochen nach Beginn der Injektionen fiel er während des Trainings vom Rad, wurde aber von keinem Trainer zurückgebracht sondern einfach liegengelassen. Nachdem er allein in die Sportschule zurückgefahren war, bekam er lediglich eine notdürftige Versorgung.
„Das einzige, was er tat, war Blut- und Urinproben nehmen. Der Urin war schwarz, aber er sagte mir: Du hast nur einen Infekt. Er ließ mich erst gehen, als die Spuren des Doping-Mittels aus meinem Körper verschwunden waren. Nach drei Wochen kam ich in ein Krankenhaus in Erfurt. Dort sagte mir der Arzt, dass ich gestorben wäre, wäre ich nur einen Tag später gekommen: Meine Lunge war voller Wasser und drückte auf mein Herz. Meine Nieren hatten versagt. Was in diesen Spritzen war, weiß ich bis heute nicht.“
Damit war für den jungen Fahrer die sportliche Karriere beendet.
„Ich habe vor einem Jahr einen Schlaganfall gehabt. Nach der Reha kann ich wieder normal sprechen, nur der Gleichgewichts-Sinn ist gestört. Außerdem habe ich eine Fettleber, das ist aber nach den ganzen Anabolika normal. Ich kann sechs bis sieben Tage im Monat arbeiten. Den Arzt habe ich verklagt, die Sache läuft noch, aber ich bin sicher, dass er letztlich verurteilt wird.“
Ausschnitt aus der Report Mainz-Sendung vom 25.6.2007:
(…)
Uwe Trömer:»Die Spritzen haben wir alle bekommen. Also systematisches, flächendeckendes Doping.«
Die DDR-Sportmediziner dopten die Bahnradfahrer wie Trömer regelmäßig mit sogenannten unterstützenden Mitteln, UM genannt. Anabolika. Die Berichte der DDR-Staatssicherheit zum Doping im Radsport liegen REPORT MAINZ vor. Löbl und andere Ärzte wussten prinzipiell werden alle für die Weltmeisterschaften vorgesehenen Sportler in das UM-Programm einbezogen. Also auch Vize-Weltmeister Uwe Trömer.
Uwe Trömer»Mir wurde durch Dr. Heinz Löbl Dopingspritzen verabreicht in einem Zyklus von zwei Spritzen pro Woche. Und nach etwa drei Wochen war es dann halt bei mir so, dass ich bei einer normalen Trainingseinheit über 120 Kilometer nach 5 Kilometern vom Rad gefallen bin und dort definitiv nicht mehr weiter fahren konnte.«
Nach den Injektionen kam es bei ihm zu beidseitigem akutem Nierenversagen und einer massiven Lungenschädigung. Trömer ist Jahrzehnte nach den Spritzen von Löbl staatlich anerkanntes Doping-Opfer.
Uwe Trömer:»Er hat einfach in Kauf genommen, dass ich daran sterbe. Und bei beidseitigem Nierenversagen weiß man einfach: Wenn man nicht behandelt wird, stirbt man. Und das hat Dr. Löbl einfach definitiv in Kauf genommen.«
Dr. Heinz Löbl. Der Bund Deutscher Radfahrer hält ihn offenbar für geeignet, bei heutigen Radrennen die Verantwortung für den Gesundheitsschutz junger Radsportler zu tragen.
Uwe Trömer:»Ich bin halt über die ganzen Jahre auch mit dem Bund der Deutschen Radfahrer, mit dem Büro Scharping in Verbindung gewesen. Ich habe per Mail dort mehrfach Informationen gegeben. Ich habe dort angerufen, ich habe dort Namen genannt. Und immer wieder darauf hingewiesen, dass dieser Mensch auch weiterhin arbeiten darf.«
Frage: Was ist passiert?
Uwe Trömer: »Nichts. Es ist nichts passiert. Gar nichts. Und deshalb sind solche Offensiven, wie sie Rudolf Scharping über den Bund Deutscher Radfahrer jetzt gemacht hat, halt einfach, also die grenzen für mich wirklich also an Lächerlichkeit, weil es ist einfach nicht ehrlich.«
REPORT MAINZ hat Heinz Löbl zu den Vorwürfen befragen wollen. Er bestreitet die Doping-Verwicklungen, ein Interview lehnte er aber ab.
(…)
Monika 2009