Doping im russischen Fußball
Am 8. 6. 2016 berichtete die Sportschau in der Dokumentation
>>> Geheimsache Doping – Showdown für Russland
u.a. über die Vertuschung eines Dopingfalles beim Erstligisten FK Krasnodar mit Unterstützung des russischen Sportministers Witali Mutko.
Die Anschuldigung gegen Mutko basiert auf einem vertraulichen E-Mail-Verkehr zwischen dem Sportministerium und dem Doping-Kontrolllabor. Er wurde dem ARD-Rechercheteam um Hajo Seppelt von einer auf der Gehaltsliste des Ministeriums stehenden Person zugespielt. Demnach wurde die Probe des Fußballers am 17. August 2014 positiv auf das verbotene Mittel Hexarelin getestet.
„Die Entscheidung soll mit WL abgestimmt werden“, schrieb ein Mitarbeiter des Ministeriums in der E-Mail an das Labor. „WL“ sollen die Initialen von Mutko sein, der zwei Vornamen hat: Witali Leontijewitsch. Die positive Probe wurde laut ARD nie veröffentlicht, der Fußballprofi nicht gesperrt. (Die Zeit, 8.6.2016
staatlich kontrolliertes Doping
Am 24.6.2017 schrieb die Mail on Sunday, dass die FIFA, ausgehend vom McLaren-Report, gegen 34 russische Fußballspieler ermittle, betroffen sei das gesamte Fußball Nationalteam Russland der WM 2014.
dailymail.co.uk: Russia investigated over doping allegations at 2014 World Cup… FIFA are in fantasy land if they don’t think there is a problem, claims Dick Pound
„Elementarer Bestandteil des Betrugssystems war eine „Bank“ sauberer Proben von Sportlern, die zum Einsatz kamen, wenn Sportler potentiell auf Doping hinweisende Positivproben abgaben. Die Londoner Zeitung, die 2013 im Vorfeld der Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Moskau erstmals über institutionalisiertes Doping in Russland berichtet hatte, schreibt, insgesamt seien unter den 3500 Urinproben, die 2015 aus dem suspendierten Moskauer Anti-Doping-Labor nach Lausanne gebracht worden waren, Proben von 100 Fußballspielern.
Der stellvertretende russische Ministerpräsident Witalij Mutko, zugleich Präsident des russischen Fußball-Verbandes und Vorsitzender des Organisationskomitees für die Weltmeisterschaft 2018, wies den Bericht wütend zurück. (FAZ, 25.6.2017)
Die Süddeutsche Zeitung zitiert am 30.6. aus einer Email, die aus dem russischen Sportministerium, an das russische Doping-Kontroll-Labor gerichtet wurde mit der Forderung, der Urin des WM-Kaders sei daraufhin zu untersuchen, ob die Spieler gesund seien. Dies kann nur bedeuten, dass nach Dopingmittelrückständen gesucht werden sollte, dass eine Ausreisekontrolle statt zu finden hatte.
„Am 2. Juni gibt Nationaltrainer Fabio Capello den Kader der russischen Auswahl bekannt. Und nur zwei Tage später ergeht aus dem russischen Sportministerium eine denkwürdige Mail an das Moskauer Doping-Kontrolllabor.
„Sehr geehrter Grigorij Michajlowitsch“, heißt es, „ich sende eine Liste der ersten Fußball-Nationalmannschaft, die am 3. Juni getestet worden ist. Wir müssen herausfinden, ob sie gesund sind! Vielen Dank! Hochachtungsvoll, Alexej Welikodnij!“ Die angekündigte Liste umfasst 24 Namen. Das ist exakt die Anzahl der Profis im WM-Kader der Sbornaja, inklusive eines mittrainierenden Reservisten. Offenkundig verabreden Ministerium und Labor hier eine Ausreisekontrolle, bevor es zur WM nach Brasilien geht“ (SZ, 30.6.2017)
separates Doping-Vertuschungssystem
Am 28.6.2017 präsentierte Hajo Seppelt in einer Sportschau-Reportage weitere Erkenntnisse, basierend auf Aussagen Richard McLarens, der berichtete, dass die WADA in Besitz von 155 Urinproben sei, die noch zu analysieren seien.
sportschau.de: WADA-Sonderermittler geht von zweitem Vertuschungssystem für russische Fußballer aus
„“Es gibt noch 155 Proben, die nicht analysiert wurden. Die Welt-Anti-Doping-Agentur hat sie beschlagnahmt. Das haben wir der FIFA gemeldet.“
McLaren geht davon aus, dass diese Urinproben entweder manipuliert worden seien, um positive Tests zu verhindern, oder Dopingsubstanzen darin zu finden seien. Der Sonderermittler kommt zu dem Schluss, dass es für den russischen Fußball ein separates System der Vertuschung auffälliger Dopingtests gegeben habe: „Es gab offenbar eine Bank mit sauberem Urin – und diese Bank wurde offenbar für Fußballer genutzt.“
Hinweise darauf finden sich beispielweise im Mailverkehr russischer Funktionäre. „Deutlich über dem Grenzwert“, notiert ein anonymer Verfasser in einer Mail vom Juni 2015. „Dexamethason“, ein verbotenes Stimulanz, sei im Urin des männlichen Fußballers aus der ersten russischen Liga gefunden worden. Es gehe um Probe „3878295“.
… „Nach unseren Informationen wurde versucht, diese Probe auszutauschen“, kommentiert Richard McLaren die Dokumente zur Urinprobe 387829. Der Sonderermittler hat das russische Staatsdoping nach den Enthüllungen der ARD-Dopingredaktion in seinen „McLaren Reports“ aufgearbeitet.
… Aus Ermittlerkreisen erfährt die ARD-Dopingredaktion, dass die Probe 387829 nicht von irgendwem stammt. Sie wurde von einem aktuellen russischen Nationalspieler genommen. Dieser und andere Fälle seien der FIFA bekannt, es lasse auf ein zweites, bislang unentdecktes System schließen.
… In Kiew treffen wir einen Mann, der behauptet, dass im russischen Fußball schon vor Jahren Doping kein Einzelfall gewesen sei. Vladyslav Vashchuk spielte im Jahr 2003 bei Spartak Moskau, genau zu der Zeit, als Spartak-Spieler Yegor Titov nach einem EM-Qualifikationsspiel gegen Wales positiv auf Bromantan getestet wurde. Titov wurde damals gesperrt, doch für die russische Nationalmannschaft hatte das Doping keine Konsequenzen … .
Beim Interview im Kiewer Olympiastadion erinnert sich Vashchuk: Titov sei positiv getestet worden. „Dann hat man kurz danach bei der gesamten Spartak-Mannschaft Proben abgenommen und bei allen waren die Ergebnisse positiv.“ Er erinnert sich an „irgendwelche kleinen Pillen“, die man den Spielern gegeben habe. Nach den positiven Tests seien sie im russischen Kosmonautenzentrum behandelt, ihr Blut gesäubert worden.
Wurde wirklich das ganze Team von Spartak bei internen Vorabkontrollen positiv getestet? Eine brisante Behauptung – der Verein äußerte sich auf ARD-Anfrage dazu nicht. Vashchuks Schilderungen sind ein weiteres Argument für eine flächendeckende Ermittlung im russischen Fußball. Dazu passen auch die 155 Proben, die McLaren analysieren lassen will. … “
sportschau.de: Russische Reaktionen auf Dopingvorwürfe, 28.6.2017